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Anna Barbara Duisburg, Friedrich Carl Gottlieb von Duisburg to Friedrich Schleiermacher

Danzig d. 9t Setbr 1792.
Lieber Schleyermacher,
Am Freytage langte Dein Brief glücklich und wohl hier unter uns an und wurden die einliegenden Briefe so gleich vertheilt. Meine Frau aber war – – Nein: ich seh’ wohl das will nicht weiter mit der Feder und die Gedancken reißen bald hier und bald da ab; wenn Du also auf einen lieben langen Brief, nur eine kurze Antwort und noch oben drein, eine Antwort so trocken und dürr, wie jene Kühe in der Bibel, erhälst, so schreib’s nur ohne Bedencken auf Rechnung meines Schnupfens, der – der – mich unaufgelegt macht. Nimm’s so stückweise hin, wie ich es geben kann. – Freytag nahmst Du von uns Abschied und gingst mit halbem Herzen zum Thor hinaus. Wir waren den Nachmittag in der Töpfergaße, wo nichts merckwürdiges vorfiel. – Sonnabend Vormittag ging ich mit meiner Frau auf den BischoffBerg promeniren und zeigte ihr Dirschau und Marienburg und redeten von Dir. – Nachmittag war eine Nichten bey uns und – Sarchen; welche mir – ich weiß nicht mehr wie es kamm – erklärte, daß sie nicht gekommen wäre, wenn es nicht Sonnabend wäre. Den Schlüßel dazu? – Hier ist er. Sonnabend pflegt Carl und der Schwager hier bey uns zu seyn. – Sonntag machten wir die Fahrt nach Oliva, die bey schönem Wetter sehr vergnügt ausfiel. Hier frug die Frau in Hochwaßer, am Waßerfalle die Sarchen, in Karls Abwesenheit, ob sie Karl liebe? – Und ihre Antwort war unbestimmt. Bestimmter aber antwortete sie auf die Frage: ob sie Karln lieben könne? Und sie antwortete zu Karls Vortheil. Darauf rückte meine Frau noch näher und frug: ob sie denn auch Dich wohl lieben könne? Und ihre Antwort war: ja: wenn kein Karl wäre. So, mein Freund, liegen die Sachen. Und nun mein ohnmaßgebliches Gutachten.
Karl ist noch sehr jung, Karl erklärt sich auch überall zu nichts; Neigungen ändern sich, Umstände drängen oft ganz wo anders hin, als wo man hin wollte und der da ruhig dem Spiele zu sah, wird oft der Gewinner. Vielleicht kann das Dein Fall seyn. Die Sarchen ist Dir durchaus nicht abgeneigt; Karl ist stolz und duldet lieber alles, als daß er Schwächen zeigen sollte. Er wird jetzt ziemlich herum genommen, weil seine Neigung bekannter geworden ist, vielleicht kömmt ein Punckt, wo er einen Entschluß faßt, der für Dich vortheilhaft ist. Du sollst in der ganzen Zeit getreuliche Nachrichten von allem haben, was hier vorgeht und näher oder entfernter Dich intreßirt. Auch will ich, ohne dem Bruder zu nahe zu tretten, Dein Bestes hier besorgen, und Dir behülflich seyn. Zum Schwager, mein Seel! möcht’ ich Dich wohl haben. – Meine Frau ist seit Mittwoch kranck, und starck mit dem Schwindel geplagt, sie darf nicht ausgehn und wir sizzen heute und schon manchen Tag hier zu Hause. Die Sarchen ist seit Dienstag in Langenfuhr gewesen und kam erst gestern nach der Stadt. Sie war auf eine halbe Stunde bey uns und da erhielt sie Deinen | Brief, ob sie aber dießmal mit schreiben wird, oder nicht, das wird der Erfolg lehren. Jetzt muß ich abbrechen, denn ich weiß nach gerade nicht mehr recht was ich schreibe.
Dienstag d. 11t Stbr
Meine Frau, die am Schwindel und andern Zufällen bisher starck gelitten hat, ist jetzt wieder hergestellt und läßt sich Dir als die treuste Freundin empfehlen; schreiben kann sie heute nicht aber sie will es das nächste mal thun. Die Sarchen haben wir seit der ganzen Zeit noch nicht gesprochen und ich zweifle ob sie jetzt schreiben wird, aber den Rath kann ich Dir geben, wenn Du wieder an mich schreibst, auch an Sie zu schreiben und sie zur Schuldabtragung aufzufordern. Genug für diesen Brief muß es Dir seyn wenn ich Dir sagen, daß sie Dir nichts weniger als abgeneigt ist. Ich hoffe daß Dir dießes schon genug für diesen ersten Brief seyn kann. Wie sichs nun weiter so nach und nach entwicklen wird, muß die große Lehrerin: Zeit, uns weisen. Laß uns ruhig, ohne eben die Hände in den Schooß zu legen, dieser großen Entwicklung zuschaun und abwarten, was so nach und nach hinter dem Vorhange hervortretten wird. Erwartung allein giebt dem Leben Intreße, und Hofnung hält das Leben hin. Das sind Gemeinsprüche! – Recht gern, Lieber, aber hat nicht schon jener gute Freund vor Jahrtausenden gesagt: es gäbe nichts neues unter der Sonne? und wie ließe sich über eine Sache wohl noch was neues sagen, die so alt ist als: das Menschenleben und über die jeder seine Reflexions machen muß, weil sie ihm so nahe liegt. –
Mit Troschel habe ich am Freytage gesprochen. Er hat an Dich geschrieben, ohne | mirs vorher zu sagen und hat also den Brief nach Schlobitten addreßirt. Wer weiß ob er schon in Deine Hände mag gekommen seyn. Er ist wohl willens das Wercklein über den Werth des Lebens zu nehmen, wenn Du Dich näher gegen ihn darüber erklären willst. – Meine Eltern wünschen Dir alles, was man einem Freunde gutes wünschen kann. Jettchen wird schreiben, wenn sie erst Briefe aus Tolcksdorff, hat. – Die Mirthenbäumchen, und besonders das eine, stehn alle in guter Hofnung.
Und nun leb wohl, mein Bester, dencke nicht, daß ich ein Alltagsmensch bin, weil ich so kalt von einer Sache rede, die Dir so dringend ist; bey Dir ist Leidenschaft und bey mir kalte Vernunft. Aber es wird alles recht gut gehn. Leb’ tausendmal wohl und dencke oft an Deinen Freund
Duisburg
Die Schattenriße pp sollen bald bey Dir eintreffen.
[Von Anna Babara D.:] Lieber Schleyermacher – Verzeien Sie das ich so schlecht, mein wort halte, ich glaubte damals nicht, das mich Krankheit daran hindern solte, Fritze wird Ihn mer geschrüben haben. Leben sie recht vergnügt dieses wünsche ich Ihnen recht herzlich A B D
Metadata Concerning Header
  • Date: 9. bis 11. September 1792
  • Sender: Anna Barbara Duisburg, Friedrich Carl Gottlieb von Duisburg ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Danzig · ·
  • Place of Destination: Schlobitten ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 256‒259.

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