Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
TEI-Logo

Friedrich Carl Gottlieb von Duisburg, Anna Barbara Duisburg to Friedrich Schleiermacher

Danzig d. 18t 8ber. 1792.
Lieber Schleyermacher
Mit einem alten Spruch fang ich an, wie es so meine Weise ist: Von Kleinigkeiten hängt das Menschenleben ab, und Kleinigkeiten waren auch die Ursache an der so langen Verzögerung dieses Briefes. Aber das kann ich Dir betheuren, daß ich heute geschrieben hätte, wenn auch kein Brief von Dir gekommen, und keine Gelegenheit von hier nach Finckenstein abgegangen wäre. Dieser Brief aber wird sehr, sehr kurz werden. Die Ursache: weil ich gestern das Packet von Dir vorfand, als wir um 1/2 11 Abends nach Hause kommen, und jetzt von Herrn Fabritius die Nachricht eingeht, daß er vielleicht in einer 1/2 Stunde nach Brief und Sachen schicken werde. Ich muß mich also sehr kurz faßen und dir in nuce geben, was ich sonst wohl auf einige Seiten ausgedehnt und mit schönen Sprüchen und Reflexionen durchwebt, verbrämt, gewürtzt, und durchspickt hätte, wie so meine Weise ist.
Sarchen und Karl haben sich durchaus noch nicht gegen einander erklärt und wollen sich auch nicht gegen einander erklären, aber durch uns haben sie sichs einander wißen laßen, daß sie sich lieben und sich einander treu bleiben wollen. Aber sie wollen sich jetzt weit weniger wie sonst sprechen um nicht in ein Feuer auszubrechen, das sie doch noch unterdrücken müßen, und das, wenn es zur Unzeit jetzt schon ausbräche, ihre besten Kräfte aufzehren und verderben würde. So weit sind sie jetzt, und weiter wollen Sie keinen Schritt gehn. Die Leutchen sind beide sehr jung, sehr verliebt, aber sehr festen Karackters. Da hast Du nun, armer S., Dein gefürchtetes Todesurtheil; aber mildern kann ich es dadurch, daß Sie Dich beide recht herzlich gut sind, und Dich von ganzen Herzen grüßen laßen. Wäre Sarchen nur diesen Augenblick hier, und die Gelegenheit nach Finckenstein, nur nicht so eilig, so sollte Sie Dir selbst | einen Gruß drunter schreiben, aber in acht Tagen sollst Du einen andern Brief erhalten, und mit demselben so viel schöne Sachen, die Dir Freude machen werden, ich meine die – Schattenriße und Briefe von Personen die Dir Antworten schuldig sind, ich will die alten Schulden zu paaren treiben. – Die Gunchen ist ziemlich geheilt und hat dadurch eine Stärcke der Seele gezeigt, die wir ihr gar nicht zutrauten, Du sollst Dir wundern, wenn Du ihre Munterkeit, ihren Witz, ihre frohe Laune so mit genießen könntest wie wir. – Jettchen hat keine Briefe aus Tolcksdorff, aber unser Vater hat welche von da her bekommen, und nun ist auch die froh. – Buschchens Myrthenbäumchen blüht, aber ich zweifle an der Wahrheit seines Orackelspruchs. – Ich bin – wie immer. Deine hiesigen Commißions habe ich alle wohl ausgerichtet, wie die beykommenden Bücher zeigen und Troschels Brief. Das Manuscript sende nur fein bald nach Danzig, ich werde Dir das Kind denn recht schön gedruckt nach Finckenstein oder Schlobitten hinsenden.
Meine alltägliche Bemerkung: daß man über das Menschenleben nichts neues schreiben könne, war wahrlich nicht in Rücksicht auf Dein Werkchen geschrieben oder gedacht. Ich bescheide mich gern, daß ich nicht im Stande bin, Dich zu beurtheilen, und daher sah ich es beynahe für einen Hieb an, daß Du mir das Oberrichterliche Amt, über das Werden und Nichtwerden Deiner Schriftsteller Existenz übertragen wolltest. – Keiner Deiner Briefe ist verlohren gegangen, und kein Brief von uns | an dich. Meine liebe Faulheit, mein langsames Wesen, meine Liebe ein Ding von Stunde zu Stunde aufzuschieben hat mich verführt an Dir treulos zu werden, denn treulos ist es würcklich an Dir gehandelt, das gesteh ich ein, Dich so gar lange warten, harren, hoffen und zweiflen zu laßen. Aber sieh, ich will es gut machen, recht bald will ich es gut machen und, was auch Buschchen Dir sagen mag, einige Zeilen von der Sarchen sollst Du haben. Wir, mein Lieber, dencken gewiß tagtäglich an Dich, und wünschen Dir recht viel helfen zu können, allein Du kommst zu spät nach Danzig, um das werden zu können, was jetzt schon ein anderer ist. Ich könnte hier nun noch recht viel weise Sprüche anbringen, wir wollen es aber laßen um nicht gehöhnt zu werden.
Du hast mir den Januar und Februar, der Allgemeinen Litteratur Zeitung, zurückgesandt, ich weiß nicht ob ich Dir nicht auch den März mit gab; wenigstens kann ich den hier in Danzig weder bey mir, noch in der Töpfergaße finden. Ich sende Dir also den vorräthigen Aprill. – Und nun, mein lieber, Lebe recht wohl und erwarte meinem nächsten Brief, der Dir angenehm seyn soll wie dieser
Dein Duisburg.
[Von Anna Barbara D.:] Lieber Schleiermacher
Schreiben soll ich also. und was? das Sarchen in nicht Liebt. Traurig ist es vor mir, Ihnen dieses Zu schreiben, doch sie wollen das ich ohne rükhalt mit Ihnen reden solle, sie werden denken das Es ser Plump ist ihnen das gleich Im Anfang Zu schreiben doch es ist meine Art so, – Ich frug Sarchen neulich ob sie nicht an Ihnen Schreiben wolten, doch Sie sagte nein es Könte Karl Erfaren und denn Könte er Böse Seyn –. Ich wolte ihr auch nicht weiter Bereden, denn ich weis sie hat recht – Karl ist ein guter Junge. Aber eyfersüchtig im höchsten Fall [.] Also Lieber was nützt es ihnen, vor ihnen ist sie doch Ein mal nicht. sie hat mir es gestanden das sie nie einen andern Lieben wirde wie im – Sehen Sie wie offen ich in alles geschriben habe, und doch Thut es mir Leuth, wenn Fritze nicht daruf Bestände, sie Krigten dies geschmir nicht, ich mus schlischen geschefte rufen mich ab, ich Bin Ewig ihre freundin A B Duisburg
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 18. Oktober 1792
  • Sender: Friedrich Carl Gottlieb von Duisburg · , Anna Barbara Duisburg
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Danzig · ·
  • Place of Destination: Schlobitten ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 259‒262.

Basics · Zitieren