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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Dr. d. 22 Nov. 92.
Ich muß geschwind ein wenig mit Ihnen plaudern; wir haben eben über Tische von Ihnen gesprochen, und das geschieht noch immer sehr oft. Mama will sich noch immer ihr Lieblingsproject nicht ausreden lassen, daß Sie entweder nach Frankfurt als Professor oder als Prediger nach Landsberg an der Warthe kommen müßten, um so desto mehr in unsrer Nähe zu sein. Ich sähe das nun freilich auch sehr gern, aber ob’s darum weil wir’s gern sähen nun auch geschehen wird: das ist eine andre Frage, die wir um so weniger uns befriedigend beantworten können, da Sie wie es scheint Lust haben dort ewige Hütten zu bauen. Denn wenn ich als Sie noch in Berlin waren, wie Sie selbst schreiben, soviel an Ihnen zu treiben hatte wenn Sie nur eine einzige Visite machen sollten: so habe ich ja wahrlich die ganze Zeit da Sie in Preußen sind bisher immer noch vergeblich getrieben, daß Sie doch nur einen einzigen Brief an Herrn Hofprediger Sack schreiben sollten. Und nun haben Sie auch da wieder aufs neue einen Riegel vorgeschoben. Sie verlangen hier einen Rath in einer Sache, von der ich noch eigentlich nichts weiß. Daß Sie Ihrer Schwester nichts davon geschrieben haben, ist meines Bedünkens sehr gut, weil sich das gute Mädchen nur würde geängstigt haben ohne Noth, da wie Sie selbst schreiben die Sache noch res Integra ist; und so glaube ich auch, daß so lange die Sache noch so schwebt es gar nicht rathsam ist, ihr oder Ihrem Vater etwas davon zu schreiben. Aber lieb wäre es mir gewesen, wenn Sie gegen mich wenigstens das Herz ganz ausgeschüttet, oder besser mir den eigentlichen Vorgang gerade heraus geschrieben hätten, und nicht so lakonisch daß ich alles nur, und nicht ohne viele Mühe, errathen muß. Soviel läßt sich wol aus dem was Sie schreiben schließen, daß vielleicht durch eine zu dreiste Behauptung oder nicht fein genug abgewogenen Widerspruch die Empfindlichkeit das allzuempfindlichen Grafen gereizt und, wie Sie selbst nicht ohne Grund vermuthen, die alte noch nicht ganz geheilte Wunde aufs neue zum Bluten gebracht worden ist. Hier läßt sich nun, soviel ich sehe, kein andrer Rath geben als mit Ihrer genauesten Behutsamkeit fortzufahren, und jeden Schritt zu vermeiden den Sie in der Folge bereuen würden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 22. November 1792
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Drossen ·
  • Place of Destination: Schlobitten ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 263‒264.

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