d. 26 Dec. 92.
[. . .] Zuerst denn über Ihre Weihnachtspredigt, die ich in diesem Feste mit vielem Vergnügen und wahrer Erbauung wieder durchgelesen habe. Thema und Disposition haben meinen ganzen herzlichen Beifall. Ich bin ganz der Meinung daß wir die allgemeine Menschenliebe, das ausgebreitete Wohlwollen, nicht oft nicht stark genug empfehlen können, und es ist unleugbar daß eben durch die engeren Verbindungen diese Gefühle leider nur allzusehr gefährdet werden. Auch hat mir die Ausführung selbst recht sehr gefallen [. . .] Damit Sie sehen wie genau ich Ihre Predigt durchgelesen: so will ich Ihnen auch, da Sie doch eine unparteiische Kritik verlangen, über ein Paar einzelne Stellen ganz offenherzig meine Meinung sagen. Gleich nach dem Texte sagen Sie vom Symeon, er habe den jungen Erlöser auf seinen Armen gehabt. Dieser Ausdrukk hat mich schon gleich beim ersten Durchlesen choquirt. Ich habe nochmals recht genau darüber nachgedacht, ob die Schuld etwa an mir liege, daß ich vielleicht eine unrechte Nebenidee aufgefaßt; allein wenn ich mir das was Sie durch diesen Ausdrukk anzeigen mit anderen Worten denke, der welcher zum Heil der Menschen in diese Welt gesandt, war jezt als ein noch zartes Kind auf seinen Armen: so sehe ich denn doch daß das Epitheton jung zum Welterlöser sich nicht reimen will. Das was er zum Besten der Menschen thun sollte, konnte er erst im männlichen Alter thun. Ich erwarte nun auch Ihre Gegenerklärung. Die andre Stelle ist gleich nachher, wo ich anstatt nicht würde gesagt haben nicht so sehr in Rükksicht auf sich selbst, wo Sie vom Symeon sagen daß er als ein frommer rechtschaffener Mann auf das gesehen was Jesus für das ganze Menschengeschlecht sein werde. Bei Ihrer Gemeinde mag vielleicht dies niemandem anstößig gewesen sein, aber sonst dürfte mancher daraus folgern, daß es also mehrere, und also auch wol anjezt gebe, die einen Erlöser nicht bedürften, welches denn manchen schwachen ein Aergerniß geben könnte.
[. . .] Zuerst denn über Ihre Weihnachtspredigt, die ich in diesem Feste mit vielem Vergnügen und wahrer Erbauung wieder durchgelesen habe. Thema und Disposition haben meinen ganzen herzlichen Beifall. Ich bin ganz der Meinung daß wir die allgemeine Menschenliebe, das ausgebreitete Wohlwollen, nicht oft nicht stark genug empfehlen können, und es ist unleugbar daß eben durch die engeren Verbindungen diese Gefühle leider nur allzusehr gefährdet werden. Auch hat mir die Ausführung selbst recht sehr gefallen [. . .] Damit Sie sehen wie genau ich Ihre Predigt durchgelesen: so will ich Ihnen auch, da Sie doch eine unparteiische Kritik verlangen, über ein Paar einzelne Stellen ganz offenherzig meine Meinung sagen. Gleich nach dem Texte sagen Sie vom Symeon, er habe den jungen Erlöser auf seinen Armen gehabt. Dieser Ausdrukk hat mich schon gleich beim ersten Durchlesen choquirt. Ich habe nochmals recht genau darüber nachgedacht, ob die Schuld etwa an mir liege, daß ich vielleicht eine unrechte Nebenidee aufgefaßt; allein wenn ich mir das was Sie durch diesen Ausdrukk anzeigen mit anderen Worten denke, der welcher zum Heil der Menschen in diese Welt gesandt, war jezt als ein noch zartes Kind auf seinen Armen: so sehe ich denn doch daß das Epitheton jung zum Welterlöser sich nicht reimen will. Das was er zum Besten der Menschen thun sollte, konnte er erst im männlichen Alter thun. Ich erwarte nun auch Ihre Gegenerklärung. Die andre Stelle ist gleich nachher, wo ich anstatt nicht würde gesagt haben nicht so sehr in Rükksicht auf sich selbst, wo Sie vom Symeon sagen daß er als ein frommer rechtschaffener Mann auf das gesehen was Jesus für das ganze Menschengeschlecht sein werde. Bei Ihrer Gemeinde mag vielleicht dies niemandem anstößig gewesen sein, aber sonst dürfte mancher daraus folgern, daß es also mehrere, und also auch wol anjezt gebe, die einen Erlöser nicht bedürften, welches denn manchen schwachen ein Aergerniß geben könnte.