Dr. d. 3 Febr. 1793.
Ich sehe aus Ihrem Brief, daß Sie mein Urtheil über Ihren Unglauben, wie Sie es nennen, verlangen – wenn ich Sie recht verstanden habe, so ist Ihr Unglaube ein bloßes Spiel Ihrer Phantasie und Sie schreiben daher auch, daß Sie genugsam auf Ihrer Hut sind um ihr den Zügel nicht ganz zu überlassen. Da sehe ich denn für jetzt nichts Gefahrvolles. Wenn ich recht urtheile, so rührt das, was Sie Unglaube nennen, bei Ihnen nur davon her, daß Sie an ganz strenge Demonstration durch fleißiges Studium der Mathematik gewöhnt sind. Dergleichen giebt’s nun freilich, meiner Meinung nach, über blos intellektuelle Gegenstände nicht. Nur frägt’s sich, ob wir für die Gegenstände, die uns am meisten interessiren, als Gott, Vorsehung, Unsterblichkeit, nicht zu einer moralischen Gewißheit gelangen können?
[. . .] Doch war mir das sehr interessant was Sie über Ihren Geburtstag schrieben, und darüber hätt’ ich denn auch noch ein Wörtchen mit Ihnen abzuthun. Ueber so manche herrliche Ideen habe ich mich herzlich gefreut, und ich wünschte wol daß mehrere junge Leute | so ernsthaft über ihre Pflichten nachdenken, und daß auch so manche bejahrtere selbst unter den gebildeten Ständen nicht ewig Kinder am Verstände bleiben möchten, die ihre ganze Zeit, die sie von Geschäften leer die ihre nennen können, in einem beständigen Kreislauf von Zerstreuungen und rauschenden Vergnügungen zersplittern und vertändeln. Aber es dünkt mich doch, als ob das Bild was Sie von dem geschäftigen Mannesleben entwerfen, zu sehr mit dunklen Farben überladen sei, zu viel Schatten habe; es ist alles nur ein trauriges muß, alles nur auf Bedürfniß und auf Pflicht berechnet. Sie laßen vom Vergnügen nur den bloßen Namen stehen, wollen auch das nicht einmal gestatten, daß man etwas bloß darum, weil es schwer ist, also Uebung Anstrengung unsrer Kräfte fordert, unternehme, sondern nur weil es nuzt (vermuthlich wieder nur in Beziehung auf andre), auch keine moralische Handlung mehr, um sich selbst zu überwinden, sondern immer nur weil es so sein muß, kein Enthusiasmus, lauter Ueberlegung. Da stellen Sie ja in der That das Leben des reiferen Alters als ganz freudenleer vor, welches doch gewiß nicht Ihr Ernst sein kann; ich muß Sie also irgendwo unrecht verstanden haben.
Wenn es die Sache der Jugend sei, von dem Gedanken der Glückseligkeit, welcher der Phantasie entspringt, geleitet zu werden neben dem nackten Gefühl der Pflicht: so sei Er wenigstens jung geblieben.
Ich sehe aus Ihrem Brief, daß Sie mein Urtheil über Ihren Unglauben, wie Sie es nennen, verlangen – wenn ich Sie recht verstanden habe, so ist Ihr Unglaube ein bloßes Spiel Ihrer Phantasie und Sie schreiben daher auch, daß Sie genugsam auf Ihrer Hut sind um ihr den Zügel nicht ganz zu überlassen. Da sehe ich denn für jetzt nichts Gefahrvolles. Wenn ich recht urtheile, so rührt das, was Sie Unglaube nennen, bei Ihnen nur davon her, daß Sie an ganz strenge Demonstration durch fleißiges Studium der Mathematik gewöhnt sind. Dergleichen giebt’s nun freilich, meiner Meinung nach, über blos intellektuelle Gegenstände nicht. Nur frägt’s sich, ob wir für die Gegenstände, die uns am meisten interessiren, als Gott, Vorsehung, Unsterblichkeit, nicht zu einer moralischen Gewißheit gelangen können?
[. . .] Doch war mir das sehr interessant was Sie über Ihren Geburtstag schrieben, und darüber hätt’ ich denn auch noch ein Wörtchen mit Ihnen abzuthun. Ueber so manche herrliche Ideen habe ich mich herzlich gefreut, und ich wünschte wol daß mehrere junge Leute | so ernsthaft über ihre Pflichten nachdenken, und daß auch so manche bejahrtere selbst unter den gebildeten Ständen nicht ewig Kinder am Verstände bleiben möchten, die ihre ganze Zeit, die sie von Geschäften leer die ihre nennen können, in einem beständigen Kreislauf von Zerstreuungen und rauschenden Vergnügungen zersplittern und vertändeln. Aber es dünkt mich doch, als ob das Bild was Sie von dem geschäftigen Mannesleben entwerfen, zu sehr mit dunklen Farben überladen sei, zu viel Schatten habe; es ist alles nur ein trauriges muß, alles nur auf Bedürfniß und auf Pflicht berechnet. Sie laßen vom Vergnügen nur den bloßen Namen stehen, wollen auch das nicht einmal gestatten, daß man etwas bloß darum, weil es schwer ist, also Uebung Anstrengung unsrer Kräfte fordert, unternehme, sondern nur weil es nuzt (vermuthlich wieder nur in Beziehung auf andre), auch keine moralische Handlung mehr, um sich selbst zu überwinden, sondern immer nur weil es so sein muß, kein Enthusiasmus, lauter Ueberlegung. Da stellen Sie ja in der That das Leben des reiferen Alters als ganz freudenleer vor, welches doch gewiß nicht Ihr Ernst sein kann; ich muß Sie also irgendwo unrecht verstanden haben.
Wenn es die Sache der Jugend sei, von dem Gedanken der Glückseligkeit, welcher der Phantasie entspringt, geleitet zu werden neben dem nackten Gefühl der Pflicht: so sei Er wenigstens jung geblieben.