d. 18 Febr. 93.
[. . .] Sie meinen in der ganzen Verbindung der Kirche als einer Societät mit dem Staate liege immer noch der Keim der Intoleranz und des Gewissenszwanges, und das einzige radicale Gegenmittel sei, daß der Staat sich gar nicht um die Religion der Unterthanen bekümmere. Da gestehe ich Ihnen nun gern, daß auch mich jene Benennungen, herrschende Kirche herrschende Religion, immer revoltirt haben, und daß ich schon lange der Meinung gewesen bin, daß diese Einrichtung der ursprünglichen Absicht Jesu gar nicht entspreche. Wenn man dieser treu geblieben wäre: so würden wie in den ersten Zeiten vor Constantin lauter einzelne hie und da zerstreute christliche Gemeinden auch jezt noch sein; und dann könnte und würde jede Gemeinde selbst sich ihre Lehrer bestimmen, so wie es auch in den folgenden Jahrhunderten an allen Orten wo ecclesia pressa war geschehen ist, und noch jezt bei den Dissenters in England und bei den Brüdergemeinden aller Orten geschieht, ohne daß der Staat sich darum bekümmert oder dadurch Gefahr leidet. Aber da nun einmal die gegenwärtige Verfassung da ist: so fragt sich ob dieselbe auch ohne Gefahr geändert und aufgehoben werden kann. Und da käme es nun wohl darauf an Nuzen und Schaden oder besorgliche Gefahr gegeneinander abzuwägen. Sie sagen die Intoleranz ruhe auf dieser Einrichtung; aber nehmen Sie z. B. Holland oder unsre westphälischen Länder, wo noch Claßen und Synoden sind, und sagen mir dann ob die Intoleranz nicht immer in den einzelnen Gliedern und namentlich den Predigern liege, sowie ja auch zu Constantins Zeit die Bischöfe es waren die sich verkezerten. Glauben Sie aber wol, daß bei der gegenwärtigen großen Laulichkeit gegen alles was Religion heißt, die doch wahrlich besonders in unserem Lande ziemlich herrschend ist, glauben Sie wol daß wenn der Staat aufhörte für den Unterhalt der Prediger zu sorgen, auch nur die Hälfte derselben würde bestehen können? [. . .] Und dann würden doch die wenigen Prediger auch nur ganz ohne Aufsicht und Verbindung untereinander sein können, und so würde denn wol, solange noch so manche niedrige Absichten bei Collegen, so viel unverständiger Eifer bei Inspectoren und Superintendenten sein wird, auch der Intoleranz und Verkezerungssucht nicht gesteuert werden können, wenn auch Kirche und Staat gar nicht in Verbindung wären.
[. . .] Sie meinen in der ganzen Verbindung der Kirche als einer Societät mit dem Staate liege immer noch der Keim der Intoleranz und des Gewissenszwanges, und das einzige radicale Gegenmittel sei, daß der Staat sich gar nicht um die Religion der Unterthanen bekümmere. Da gestehe ich Ihnen nun gern, daß auch mich jene Benennungen, herrschende Kirche herrschende Religion, immer revoltirt haben, und daß ich schon lange der Meinung gewesen bin, daß diese Einrichtung der ursprünglichen Absicht Jesu gar nicht entspreche. Wenn man dieser treu geblieben wäre: so würden wie in den ersten Zeiten vor Constantin lauter einzelne hie und da zerstreute christliche Gemeinden auch jezt noch sein; und dann könnte und würde jede Gemeinde selbst sich ihre Lehrer bestimmen, so wie es auch in den folgenden Jahrhunderten an allen Orten wo ecclesia pressa war geschehen ist, und noch jezt bei den Dissenters in England und bei den Brüdergemeinden aller Orten geschieht, ohne daß der Staat sich darum bekümmert oder dadurch Gefahr leidet. Aber da nun einmal die gegenwärtige Verfassung da ist: so fragt sich ob dieselbe auch ohne Gefahr geändert und aufgehoben werden kann. Und da käme es nun wohl darauf an Nuzen und Schaden oder besorgliche Gefahr gegeneinander abzuwägen. Sie sagen die Intoleranz ruhe auf dieser Einrichtung; aber nehmen Sie z. B. Holland oder unsre westphälischen Länder, wo noch Claßen und Synoden sind, und sagen mir dann ob die Intoleranz nicht immer in den einzelnen Gliedern und namentlich den Predigern liege, sowie ja auch zu Constantins Zeit die Bischöfe es waren die sich verkezerten. Glauben Sie aber wol, daß bei der gegenwärtigen großen Laulichkeit gegen alles was Religion heißt, die doch wahrlich besonders in unserem Lande ziemlich herrschend ist, glauben Sie wol daß wenn der Staat aufhörte für den Unterhalt der Prediger zu sorgen, auch nur die Hälfte derselben würde bestehen können? [. . .] Und dann würden doch die wenigen Prediger auch nur ganz ohne Aufsicht und Verbindung untereinander sein können, und so würde denn wol, solange noch so manche niedrige Absichten bei Collegen, so viel unverständiger Eifer bei Inspectoren und Superintendenten sein wird, auch der Intoleranz und Verkezerungssucht nicht gesteuert werden können, wenn auch Kirche und Staat gar nicht in Verbindung wären.