Drossen, den 21sten September 1793.
Bester Vater! Sehr lange schon hatten wir vergeblich auf Briefe von Ihnen gewartet und als vor 14 Tagen Lottchen schrieb, daß sie auch schon sehr lange nichts von Ihnen gehört hätte, so wurde uns sehr bange, daß Ihnen irgend etwas zugestoßen sein müßte, und so kam mir wenigstens die Nachricht von Ihrer Krankheit nicht ganz unvermuthet; sie war mir sogar eine Erleichterung, da ich dadurch aus einer peinlichen Ungewißheit gerissen wurde, und ich danke Gott herzlich, daß Sie so weit wieder hergestellt sind.
Was mich anbetrifft, so weiß ich nicht, ob ich Ihnen in meinem letzten Briefe von meiner vorhabenden Reise nach Berlin gesagt habe. Ich bin im Monat August 4 Wochen lang dagewesen, theils um zu sehen, was für einen Eindruck meine Entfernung von Schlobitten auf Herrn Sack und Andere gemacht hat, theils um mich auf die Lauer zu legen, ob nicht irgend etwas sich aufthun möchte. Herr Sack war von Anfang an sehr freundschaftlich. Er fragte mich, was ich nun über meine künftige Bestimmung beschlossen hätte, ob ich mich dem Predigt- oder dem Schulfach widmen wollte und was ich jetzt vor der Hand am liebsten wünschte. Was das erste anbetrifft, so sagte ich ihm, daß ich noch gar nicht im Stande wäre mich zu entscheiden, und daß ich es weder für recht noch für vortheilhaft hielte, mir durch einen solchen Ausspruch eine von beiden Carrieren zu verschließen; | was das andere beträfe, so wäre es mir eben deswegen, weil es nur vor der Hand wäre, ziemlich einerlei, nur daß ich eine Condition nicht wünschte, wenn es nicht in der Stadt wäre, damit ich das versäumte Studiren nachholen könnte, und überhaupt nicht, wenn es nicht ausgezeichnete Menschen wären, weil ich sonst doch einen zu großen Abstand gegen Schlobitten merken würde. Ich war öfters bei ihm in dem Cirkel seiner Familie sehr vergnügt, und auch bei dem Kirchenrath Meierotto hab’ ich einen Tag auf dem Lande sehr angenehm zugebracht. Endlich hatte ich die Post schon bestellt und ging zu Herrn Sack, um Abschied von ihm zu nehmen; da meinte er, ich müsse schlechterdings noch 8 Tage dableiben; er hätte gehört, daß ein paar Vacanzen in Herrn Gedike’s Seminarium wären. Wenn ich das annehmen wollte, wollte er gleich an ihn schreiben und er würde mich hernach wohl zu sich bitten lassen; ich sollte auch in der Zwischenzeit einmal predigen, weil er mich noch nicht gehört hätte. Ich predigte in der Woche, weil ich den nächsten Sonntag reisen wollte, und er war mit dem erbaulichen und größtentheils auch mit dem verständlichen Ton recht zufrieden, hat mich auch, wie ich nachher gehört, gegen die andern Hofprediger gelobt. Herr Gedike ließ mich rufen und auch eine doppelte Lection auf dem FriedrichWerderschen Gymnasio halten und versprach mir nähere Nachricht zu geben. Diese ist nun gestern eingelaufen und demzufolge muß ich in diesen Tagen nach Berlin reisen. Man hat bei dieser Stelle wöchentlich 8–10 Stunden zu geben und außerdem alle Vierteljahre ein paar Abhandlungen einzureichen. Es ist eine Anstalt, die eigentlich zur Bildung künftiger Schulmänner eingerichtet ist und unter Gedike’s alleiniger Direction steht. Einnahme ist sehr wenig dabei, nur 120 Rthl., und keine freie Wohnung, aber man hat viele Gelegenheit durch Stunden Geld zu verdienen, und Sack sowohl als Gedike haben versprochen dafür zu sorgen, daß es mir daran nicht fehlen sollte; auch haben sie mich zum schreiben ermuntert, um mich bekannt zu machen, aber das will mir noch gar nicht | weder zu Sinnen noch von der Hand gehn. Bis jetzt habe ich noch keine Wohnung in Berlin und werde solange bei Reinhard logiren, bis ich eine gemiethet habe. Daß es mir anfangs kümmerlich gehn wird und daß ich den letzten Rest meiner kleinen Ersparniß augenblicklich drangeben muß, ist wohl sehr klar; inzwischen sehe ich nicht, was anders zu machen wäre, und hoffe doch, daß auch das zum besten ausschlagen wird. Unterdessen hat sich mir aber eine andre Aussicht eröffnet, die aber noch etwas weiter hinausliegt. Ich bin nach meiner Berliner Reise in Landsberg gewesen, um mich mit meinen guten Freunden, der Schumannschen Tochter und ihrem Mann, zu ergötzen, und da hat mich der alte Schumann versichert, daß er auf’s Frühjahr einen adjunctum annehmen müßte und daß er mich dazu vorschlagen wollte. Nun hat er zwar eigentlich nicht das Recht vorzuschlagen, aber es ist doch möglich, daß seine Bitte durchgeht, und wenn ich diese Adjunctur cum spe succedendi erlange, so sind meine Wünsche befriedigt und ich will gern auf nichts weiter Anspruch machen. Man kann bei der Stelle leben, es ist ein sehr angenehmer Ort, eine herrliche Gegend, und ich habe ein Haus da, für das ich sehr viel Anhänglichkeit habe und wo ich auch sehr geliebt werde. Doch ich denke nicht gern zuviel daran, weil es doch noch etwas sehr ungewisses ist.
Den 22sten September 1793.
Soweit konnte ich gestern nur gedeihn; heute habe ich für den Onkel gepredigt, habe nun noch eine große Abhandlung für Gedike zu mundiren, Abschieds-Visiten zu machen und einzupacken, das alles heute und morgen; übermorgen früh denk’ ich meine Reise anzutreten und dann mein Schicksal so weiter abzuwarten. Was übrigens die Art betrifft, wie ich meine Zeit angewendet habe, so ist das freilich sehr fragmentarisch gewesen: von allem etwas, wie es einem Menschen ziemt, dem seine Bestimmung noch nicht klar ist. Ein Vierteljahr ist es beinah, daß ich aus Preußen | zurück bin, vier Wochen davon habe ich in Berlin zugebracht, 8 Tage in Landsberg; in den 8 Wochen, welche übrig bleiben, könnte man freilich mehr thun als ich gethan habe; aber es ist auch eine Wahrheit, von der ich immer mehr überzeugt werde, daß man ohne Geschäfte gerade nicht mehr studiren kann, als neben bestimmten Geschäften; denn man hält das einsame sich selbst überlassene Grübeln und Graben doch nur wenige Stunden des Tages aus und ich denke in der nämlichen Zeit in Berlin, wenn ich auch vier Stunden des Tages Information habe, doch eben so viel für mich zu thun als hier, ohne daß ich mich eigentlich rühmen will fleißiger zu sein. Von Amtswegen werde ich mich nun auf philologica legen müssen und meine Privatsorge wird sein, im philosophischen und theologischen Studio nicht zurück zu bleiben. Gedike wollte mich zwar auch dahin bringen, mich ausschließlich dem Schulfach zu widmen; aber ich habe mir auch gegen ihn den Rücken frei gelassen und mich mit den wenigen Aussichten, welche man bei unsrer Confession dabei hat, zu entschuldigen gesucht. Ich werde deswegen auch in Berlin öfter predigen und es ist mir in dieser Rücksicht sehr lieb, daß die drei Hofprediger, welche ich gesprochen habe, mir einige Elogen über meine Anlagen gemacht haben. Das ist so mein Plan; ob ich übrigens dazu schreiten werde etwas zu schreiben, daran zweifle ich noch; ich glaube nicht, daß ich jemals weder ein großer noch ein fruchtbarer Schriftsteller werde. – Die Bücher, welche Sie mir empfohlen, sind mir alle nur noch par renommé bekannt; das Garve’sche Werk gehört vornehmlich zu denen, welche ich mir schon lange zu lesen gewünscht habe, da ich diesen Schriftsteller ganz vorzüglich liebe, und da ich es in Brinkmanns Bibliothek in Berlin finde, so werde ich es wohl, sobald es meine Zeit erlaubt, zu mir nehmen können. Sie waren schon in einem Ihrer letzten Briefe wegen meiner Bedenklichkeiten über Brinkmann unzufrieden; ich habe ihn nun in Berlin öfter gesprochen, und obgleich Einiges so, wie ich vermuthete, an ihm verändert ist, indem er beinahe ein vollkommener Skeptiker geworden ist, so hat er doch von seinem Eigenthümlichen mehr an sich behalten, und von dem mir verhaßten Berlinischen Ton und Wesen weniger angenommen als ich glaubte. Uebrigens habe ich während dieser vier Wochen nicht viel neue Bekanntschaften in Berlin gemacht und nicht einmal alle alte Bekannte gefunden. Besonders hat es mir leid gethan den ältesten Sohn aus dem Schlobittenschen Hause nicht gefunden zu haben, der eben mit dem Minister Voß nach Südpreußen gereist war. Von seinem Bruder, der in Königsberg studirt, fand ich einen Brief in einem recht freundschaftlichen Ton, noch später habe ich einen Brief von Herrn Prediger Bornemann erhalten, worin mich der Graf sehr hat grüßen lassen. (Die Gräfin hätte meiner aber gar nicht gegen ihn erwähnt, und das bestätigt die Art wie ich ihre Gesinnungen gegen mich taxirt habe und scheint mir das Verfahren, daß ich ihr keine besonderen Eröffnungen machen wollte, zu rechtfertigen.) Uebrigens haben sie bis jetzt noch keinen Hofmeister wieder, welches mir für die armen Kinder herzlich leid thut. Nähere Nachrichten von der ganzen Familie, wonach mich sehr verlangt, weil ich ihnen wirklich noch herzlich attachirt bin, werde ich wohl in Berlin vorfinden. Von dannen, lieber Vater, werde ich auch an Lottchen schreiben, sobald ich ein wenig eingerichtet bin. Meine Silhouette [. . .]
Ihrem gehorsamsten, Sie herzlich liebenden Sohn
Fr. Schleiermacher.
Bester Vater! Sehr lange schon hatten wir vergeblich auf Briefe von Ihnen gewartet und als vor 14 Tagen Lottchen schrieb, daß sie auch schon sehr lange nichts von Ihnen gehört hätte, so wurde uns sehr bange, daß Ihnen irgend etwas zugestoßen sein müßte, und so kam mir wenigstens die Nachricht von Ihrer Krankheit nicht ganz unvermuthet; sie war mir sogar eine Erleichterung, da ich dadurch aus einer peinlichen Ungewißheit gerissen wurde, und ich danke Gott herzlich, daß Sie so weit wieder hergestellt sind.
Was mich anbetrifft, so weiß ich nicht, ob ich Ihnen in meinem letzten Briefe von meiner vorhabenden Reise nach Berlin gesagt habe. Ich bin im Monat August 4 Wochen lang dagewesen, theils um zu sehen, was für einen Eindruck meine Entfernung von Schlobitten auf Herrn Sack und Andere gemacht hat, theils um mich auf die Lauer zu legen, ob nicht irgend etwas sich aufthun möchte. Herr Sack war von Anfang an sehr freundschaftlich. Er fragte mich, was ich nun über meine künftige Bestimmung beschlossen hätte, ob ich mich dem Predigt- oder dem Schulfach widmen wollte und was ich jetzt vor der Hand am liebsten wünschte. Was das erste anbetrifft, so sagte ich ihm, daß ich noch gar nicht im Stande wäre mich zu entscheiden, und daß ich es weder für recht noch für vortheilhaft hielte, mir durch einen solchen Ausspruch eine von beiden Carrieren zu verschließen; | was das andere beträfe, so wäre es mir eben deswegen, weil es nur vor der Hand wäre, ziemlich einerlei, nur daß ich eine Condition nicht wünschte, wenn es nicht in der Stadt wäre, damit ich das versäumte Studiren nachholen könnte, und überhaupt nicht, wenn es nicht ausgezeichnete Menschen wären, weil ich sonst doch einen zu großen Abstand gegen Schlobitten merken würde. Ich war öfters bei ihm in dem Cirkel seiner Familie sehr vergnügt, und auch bei dem Kirchenrath Meierotto hab’ ich einen Tag auf dem Lande sehr angenehm zugebracht. Endlich hatte ich die Post schon bestellt und ging zu Herrn Sack, um Abschied von ihm zu nehmen; da meinte er, ich müsse schlechterdings noch 8 Tage dableiben; er hätte gehört, daß ein paar Vacanzen in Herrn Gedike’s Seminarium wären. Wenn ich das annehmen wollte, wollte er gleich an ihn schreiben und er würde mich hernach wohl zu sich bitten lassen; ich sollte auch in der Zwischenzeit einmal predigen, weil er mich noch nicht gehört hätte. Ich predigte in der Woche, weil ich den nächsten Sonntag reisen wollte, und er war mit dem erbaulichen und größtentheils auch mit dem verständlichen Ton recht zufrieden, hat mich auch, wie ich nachher gehört, gegen die andern Hofprediger gelobt. Herr Gedike ließ mich rufen und auch eine doppelte Lection auf dem FriedrichWerderschen Gymnasio halten und versprach mir nähere Nachricht zu geben. Diese ist nun gestern eingelaufen und demzufolge muß ich in diesen Tagen nach Berlin reisen. Man hat bei dieser Stelle wöchentlich 8–10 Stunden zu geben und außerdem alle Vierteljahre ein paar Abhandlungen einzureichen. Es ist eine Anstalt, die eigentlich zur Bildung künftiger Schulmänner eingerichtet ist und unter Gedike’s alleiniger Direction steht. Einnahme ist sehr wenig dabei, nur 120 Rthl., und keine freie Wohnung, aber man hat viele Gelegenheit durch Stunden Geld zu verdienen, und Sack sowohl als Gedike haben versprochen dafür zu sorgen, daß es mir daran nicht fehlen sollte; auch haben sie mich zum schreiben ermuntert, um mich bekannt zu machen, aber das will mir noch gar nicht | weder zu Sinnen noch von der Hand gehn. Bis jetzt habe ich noch keine Wohnung in Berlin und werde solange bei Reinhard logiren, bis ich eine gemiethet habe. Daß es mir anfangs kümmerlich gehn wird und daß ich den letzten Rest meiner kleinen Ersparniß augenblicklich drangeben muß, ist wohl sehr klar; inzwischen sehe ich nicht, was anders zu machen wäre, und hoffe doch, daß auch das zum besten ausschlagen wird. Unterdessen hat sich mir aber eine andre Aussicht eröffnet, die aber noch etwas weiter hinausliegt. Ich bin nach meiner Berliner Reise in Landsberg gewesen, um mich mit meinen guten Freunden, der Schumannschen Tochter und ihrem Mann, zu ergötzen, und da hat mich der alte Schumann versichert, daß er auf’s Frühjahr einen adjunctum annehmen müßte und daß er mich dazu vorschlagen wollte. Nun hat er zwar eigentlich nicht das Recht vorzuschlagen, aber es ist doch möglich, daß seine Bitte durchgeht, und wenn ich diese Adjunctur cum spe succedendi erlange, so sind meine Wünsche befriedigt und ich will gern auf nichts weiter Anspruch machen. Man kann bei der Stelle leben, es ist ein sehr angenehmer Ort, eine herrliche Gegend, und ich habe ein Haus da, für das ich sehr viel Anhänglichkeit habe und wo ich auch sehr geliebt werde. Doch ich denke nicht gern zuviel daran, weil es doch noch etwas sehr ungewisses ist.
Den 22sten September 1793.
Soweit konnte ich gestern nur gedeihn; heute habe ich für den Onkel gepredigt, habe nun noch eine große Abhandlung für Gedike zu mundiren, Abschieds-Visiten zu machen und einzupacken, das alles heute und morgen; übermorgen früh denk’ ich meine Reise anzutreten und dann mein Schicksal so weiter abzuwarten. Was übrigens die Art betrifft, wie ich meine Zeit angewendet habe, so ist das freilich sehr fragmentarisch gewesen: von allem etwas, wie es einem Menschen ziemt, dem seine Bestimmung noch nicht klar ist. Ein Vierteljahr ist es beinah, daß ich aus Preußen | zurück bin, vier Wochen davon habe ich in Berlin zugebracht, 8 Tage in Landsberg; in den 8 Wochen, welche übrig bleiben, könnte man freilich mehr thun als ich gethan habe; aber es ist auch eine Wahrheit, von der ich immer mehr überzeugt werde, daß man ohne Geschäfte gerade nicht mehr studiren kann, als neben bestimmten Geschäften; denn man hält das einsame sich selbst überlassene Grübeln und Graben doch nur wenige Stunden des Tages aus und ich denke in der nämlichen Zeit in Berlin, wenn ich auch vier Stunden des Tages Information habe, doch eben so viel für mich zu thun als hier, ohne daß ich mich eigentlich rühmen will fleißiger zu sein. Von Amtswegen werde ich mich nun auf philologica legen müssen und meine Privatsorge wird sein, im philosophischen und theologischen Studio nicht zurück zu bleiben. Gedike wollte mich zwar auch dahin bringen, mich ausschließlich dem Schulfach zu widmen; aber ich habe mir auch gegen ihn den Rücken frei gelassen und mich mit den wenigen Aussichten, welche man bei unsrer Confession dabei hat, zu entschuldigen gesucht. Ich werde deswegen auch in Berlin öfter predigen und es ist mir in dieser Rücksicht sehr lieb, daß die drei Hofprediger, welche ich gesprochen habe, mir einige Elogen über meine Anlagen gemacht haben. Das ist so mein Plan; ob ich übrigens dazu schreiten werde etwas zu schreiben, daran zweifle ich noch; ich glaube nicht, daß ich jemals weder ein großer noch ein fruchtbarer Schriftsteller werde. – Die Bücher, welche Sie mir empfohlen, sind mir alle nur noch par renommé bekannt; das Garve’sche Werk gehört vornehmlich zu denen, welche ich mir schon lange zu lesen gewünscht habe, da ich diesen Schriftsteller ganz vorzüglich liebe, und da ich es in Brinkmanns Bibliothek in Berlin finde, so werde ich es wohl, sobald es meine Zeit erlaubt, zu mir nehmen können. Sie waren schon in einem Ihrer letzten Briefe wegen meiner Bedenklichkeiten über Brinkmann unzufrieden; ich habe ihn nun in Berlin öfter gesprochen, und obgleich Einiges so, wie ich vermuthete, an ihm verändert ist, indem er beinahe ein vollkommener Skeptiker geworden ist, so hat er doch von seinem Eigenthümlichen mehr an sich behalten, und von dem mir verhaßten Berlinischen Ton und Wesen weniger angenommen als ich glaubte. Uebrigens habe ich während dieser vier Wochen nicht viel neue Bekanntschaften in Berlin gemacht und nicht einmal alle alte Bekannte gefunden. Besonders hat es mir leid gethan den ältesten Sohn aus dem Schlobittenschen Hause nicht gefunden zu haben, der eben mit dem Minister Voß nach Südpreußen gereist war. Von seinem Bruder, der in Königsberg studirt, fand ich einen Brief in einem recht freundschaftlichen Ton, noch später habe ich einen Brief von Herrn Prediger Bornemann erhalten, worin mich der Graf sehr hat grüßen lassen. (Die Gräfin hätte meiner aber gar nicht gegen ihn erwähnt, und das bestätigt die Art wie ich ihre Gesinnungen gegen mich taxirt habe und scheint mir das Verfahren, daß ich ihr keine besonderen Eröffnungen machen wollte, zu rechtfertigen.) Uebrigens haben sie bis jetzt noch keinen Hofmeister wieder, welches mir für die armen Kinder herzlich leid thut. Nähere Nachrichten von der ganzen Familie, wonach mich sehr verlangt, weil ich ihnen wirklich noch herzlich attachirt bin, werde ich wohl in Berlin vorfinden. Von dannen, lieber Vater, werde ich auch an Lottchen schreiben, sobald ich ein wenig eingerichtet bin. Meine Silhouette [. . .]
Ihrem gehorsamsten, Sie herzlich liebenden Sohn
Fr. Schleiermacher.