Anhalt, den 30sten December 1793.
Mein lieber Sohn! Ich habe seit meiner den 4ten November Gott Lob glücklich erfolgten Rückkehr viele Geschäfte gehabt, und nun die Festarbeiten, obgleich nur zur Hälfte, geendigt; jedoch kann ich nicht länger warten auf Dein und des Onkels Briefe, Dir meine Freude und Dankbarkeit gegen den gütigen Gott zu bezeugen, der auch mit Dir alles so wohl gemacht hat. Du wirst wohl auch mit Deiner neuen Einrichtung in Berlin beschäftigt sein und wegen eines Quartiers, welches von Deinem Schul- und Privat-Unterricht nicht zu weit entfernt wäre, nicht ohne Sorgen gewesen sein. Wie weit Du nun mit dem allen gekommen bist, wünsche ich gar sehr bald zu erfahren, vorzüglich aber | die Versicherung, daß Du gesund bist. Daß Du übrigens zu einem Schulamt Dich nicht entschließen willst, verdenke ich Dir gar nicht, wenn nicht ein überwiegender Trieb junge Leute zu bilden Dich belebt; denn nur der allein kann für die Mühseligkeiten dieses Standes Ersatz werden, wenn er befriedigt und mit glücklichem Erfolg begleitet wird. Jedoch scheint es mir, daß Landsberg Dich stärker anzieht. – Meine Maxime war von jeher, abzuwarten, und vor eigener Wahl, deren Folgen doch nie vorauszusehn, mich soviel möglich zu verwahren und ich habe mich dabei wohl befunden. Muß aber gewählt werden, so wähle das wahrscheinlich überwiegend gute im Ganzen, mit der strengsten Unparteilichkeit gegen Dich selbst. [. . .] und damit ich mit diesen Aufträgen, deren Erfüllung ich Deiner Liebe zutraue, zum Ende komme, so wird, wie es heißt, künftigen Monat unser Fürst nach Berlin reisen. Du wirst leicht erfahren können, wo er logirt, und da Du oft als Knabe mit seinem Sohne zusammen warst, der nun schon als braver Held sich im Felde gezeigt hat, so wünschte ich, daß es Deiner Muse gefallen möchte, Dir zu einem kurzen prosaisch-poetischen Aufsatz behülflich zu sein, worin Du, in contrastirender Rücksicht auf jenes jugendliche Verhältniß, ihn, als Held und als würdigen Sohn des wohlthätigsten der Fürsten, der Allmacht deckendem Schilde empföhlest und dieses dem Fürsten offen übergäbest. Das würde dem Herzen des biedern Fürsten wohlthun; kannst Dich auch mit Deinem Selmar darüber berathen. Du siehst, lieber Sohn, daß mein Zutrauen zu Dir groß und stark ist. Ich wollte wohl nicht gern in dem weitläufigen Berlin mit gar zu schwerer Bürde Dich belasten, aber auch nicht gern von jenem was zurücknehmen; wie ist das zu machen?
Du wirst jetzt, lieber Sohn, Gelegenheit haben, manches gute Buch umsonst zu lesen. Vor der Hand freilich wirst Du Dich meist an Dein Fach halten, aber doch auch mitunter manches | allgemein geschätzte Werk kennen lernen und daran wünsche ich denn wohl Theil zu nehmen. Melde mir doch auch, was die besten und weisesten Männer von Kant’s Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft halten. Ich habe dieses Buch gekauft, es aber noch nicht lesen können; jedoch ist mir gegen das Ende desselben in einer Note die Behauptung aufgefallen, daß die Auferstehung, wie sie im neuen Testament vorgestellt wird, zu materiell und außer den Grenzen der Vernunft liege; ich kann mir aber bei einer spirituellen Auffassung, wie sie Kant sich denkt, keine Rechenschaft als möglich vorstellen.
Wir sind Gott Lob alle gesund und die Kinder nach überstandenem Fieber sind munter und machen uns Freude. Sei herzlich gegrüßt von uns allen und im Geist zärtlich umarmt von Deinem Dich treu liebenden Vater.
Mein lieber Sohn! Ich habe seit meiner den 4ten November Gott Lob glücklich erfolgten Rückkehr viele Geschäfte gehabt, und nun die Festarbeiten, obgleich nur zur Hälfte, geendigt; jedoch kann ich nicht länger warten auf Dein und des Onkels Briefe, Dir meine Freude und Dankbarkeit gegen den gütigen Gott zu bezeugen, der auch mit Dir alles so wohl gemacht hat. Du wirst wohl auch mit Deiner neuen Einrichtung in Berlin beschäftigt sein und wegen eines Quartiers, welches von Deinem Schul- und Privat-Unterricht nicht zu weit entfernt wäre, nicht ohne Sorgen gewesen sein. Wie weit Du nun mit dem allen gekommen bist, wünsche ich gar sehr bald zu erfahren, vorzüglich aber | die Versicherung, daß Du gesund bist. Daß Du übrigens zu einem Schulamt Dich nicht entschließen willst, verdenke ich Dir gar nicht, wenn nicht ein überwiegender Trieb junge Leute zu bilden Dich belebt; denn nur der allein kann für die Mühseligkeiten dieses Standes Ersatz werden, wenn er befriedigt und mit glücklichem Erfolg begleitet wird. Jedoch scheint es mir, daß Landsberg Dich stärker anzieht. – Meine Maxime war von jeher, abzuwarten, und vor eigener Wahl, deren Folgen doch nie vorauszusehn, mich soviel möglich zu verwahren und ich habe mich dabei wohl befunden. Muß aber gewählt werden, so wähle das wahrscheinlich überwiegend gute im Ganzen, mit der strengsten Unparteilichkeit gegen Dich selbst. [. . .] und damit ich mit diesen Aufträgen, deren Erfüllung ich Deiner Liebe zutraue, zum Ende komme, so wird, wie es heißt, künftigen Monat unser Fürst nach Berlin reisen. Du wirst leicht erfahren können, wo er logirt, und da Du oft als Knabe mit seinem Sohne zusammen warst, der nun schon als braver Held sich im Felde gezeigt hat, so wünschte ich, daß es Deiner Muse gefallen möchte, Dir zu einem kurzen prosaisch-poetischen Aufsatz behülflich zu sein, worin Du, in contrastirender Rücksicht auf jenes jugendliche Verhältniß, ihn, als Held und als würdigen Sohn des wohlthätigsten der Fürsten, der Allmacht deckendem Schilde empföhlest und dieses dem Fürsten offen übergäbest. Das würde dem Herzen des biedern Fürsten wohlthun; kannst Dich auch mit Deinem Selmar darüber berathen. Du siehst, lieber Sohn, daß mein Zutrauen zu Dir groß und stark ist. Ich wollte wohl nicht gern in dem weitläufigen Berlin mit gar zu schwerer Bürde Dich belasten, aber auch nicht gern von jenem was zurücknehmen; wie ist das zu machen?
Du wirst jetzt, lieber Sohn, Gelegenheit haben, manches gute Buch umsonst zu lesen. Vor der Hand freilich wirst Du Dich meist an Dein Fach halten, aber doch auch mitunter manches | allgemein geschätzte Werk kennen lernen und daran wünsche ich denn wohl Theil zu nehmen. Melde mir doch auch, was die besten und weisesten Männer von Kant’s Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft halten. Ich habe dieses Buch gekauft, es aber noch nicht lesen können; jedoch ist mir gegen das Ende desselben in einer Note die Behauptung aufgefallen, daß die Auferstehung, wie sie im neuen Testament vorgestellt wird, zu materiell und außer den Grenzen der Vernunft liege; ich kann mir aber bei einer spirituellen Auffassung, wie sie Kant sich denkt, keine Rechenschaft als möglich vorstellen.
Wir sind Gott Lob alle gesund und die Kinder nach überstandenem Fieber sind munter und machen uns Freude. Sei herzlich gegrüßt von uns allen und im Geist zärtlich umarmt von Deinem Dich treu liebenden Vater.