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Friedrich Samuel Gottfried Sack to Friedrich Schleiermacher

Mein theurer Herr Bruder.
Ich bin 14 Tage hindurch an alten hypochondrischen Übeln so elend gewesen, daß auch eine Zeile zu schreiben, mir schon eine Riesen Arbeit zu seyn schien. Das ist die Ursache, warum ich Ihnen nicht eher meine aufrichtige Theilnehmung an dem Absterben Ihres würdigen Herrn Vaters bezeugt habe. Ich kann es lebhaft mit empfinden, welch einen Eindruck eine Trennung dieser Art auf das Herz eines guten dankbaren Sohnes macht. Die Vorsehung laße Sie viele Ursachen aufheiternder Gefühle in Ihrer jetzigen Lage und in allen Umständen Ihres Lebens finden. Es erfreut mich, daß es Ihnen noch in Landsberg gefällt und wohl gehet. Daß Sie Sich dort viele Achtung und Beyfall erworben, weiß ich und hat mich nicht befremdet. Von einem kleinen Mißvergnügen mit dem Herrn Oncle war auch etwas bekannt geworden. Ohne Zweifel hat dieses gänzlich aufgehört; und ich bin versichert, daß Sie Ihrer Seits es theils nicht an liebreicher Geduld mit den etwanigen Alter-Schwachheiten des würdigen Mannes; noch an kluger Behutsamkeit in Ihrem ganzen Verhalten als Prediger, als adjunctus und als Gesellschafter werden fehlen laßen. Wider die Meinung und Einstimmung des Herrn Oncles würde ich rathen nichts | zu verändern; und in der Prüfung weniger Gutes zu bewirken, als es in andern Umständen wohl geschehen könte, Geduld zu behalten. Auch bey der Schule werden Ew. Hochehrwürdesten nicht allen von Ihnen gewünschten Nutzen schaffen können, da bey einem alten verwöhnten Schullehrer wenig zu ändern ist. Aber schon Ihre fortgesetzte Aufmerksamkeit auf den Unterricht, und einige Mitarbeit, wenn es Ihre Zeit erlaubt, wird doch nicht ohne sehr merklichen und aufmunternden Erfolg bleiben.
Ob für des seligen Herrn Vaters Hinterlaßene noch außer dem Sterbe Quartal und dem Gnaden Jahr, das vermuthlich in Ansehung der combinirten Stelle zu Anhalt Pless Statt finden wird, noch etwas zu erwarten sey, weiß ich nicht, zweifle aber daran. Wie eingeschränkt mons pietatis in seinem Vermögen zu helfen sey, wißen Sie; indeßen wird gewiß alles geschehen, was geschehen kann.
Herr Candidat Wunster hat sich um die Staabsprediger Stelle gemeldet, und wird dieserhalb nächstens geprüft. Die Cur zu Anhalt dürfte wohl nicht ferner damit verbunden bleiben, weil die Umstände es nöthig machen, daß der | neue Staabsprediger wieder, wie ehmals, zu Brieg oder Breslau wohne.
Wie es mit dem 4ten Theile des Blairs stehe, und ob etwa die Ausgabe verzögert worden, weiß ich nicht. Noch ist er nicht angekommen, obgleich Dr. Blair mir schon Anfangs des Jahres schrieb, daß ein Exemplar für mich bey seinem Londonschen Buchhändler im May abgesendet werden könnte. Der Weidmannschen Handlung habe ich das Geschäft übertragen, aber noch biß jetzt keine weitre Nachricht. Indeßen ist die Übersetzung im MeßCatalog angekündigt. Es bleibt allerdings dabey daß ich Ihnen den größeren Theil des Werkes übersende, so bald es mir nur zu Händen kömmt.
Leben Sie wohl theuerster Herr Bruder und bleiben ein Freund
Ihres aufrichtig ergebenen Dieners
Sack
Berlin d. 11ten Oct 1794.
Ein Theil unsrer Garnison wird Ihre Stadt und Gegend nun bald sehr lebhaft machen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 11. Oktober 1794
  • Sender: Friedrich Samuel Gottfried Sack ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Landsberg (Warthe) · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 361‒363.

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