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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Dr. den 23ten August 795
Recht vielen schönen großen Dank, mein lieber Neveu, für Ihren lezten Brief den ich am Donnerstag erhalten – und besonders auch für die Nachricht, daß Sie nun endlich doch unserm Sohne, der schon ganz unmuthig zu werden anfieng, ausführliche Antwort und den gütigen Rath unsers lieben Benike mitgetheilet haben. Nun ist er auch ganz beruhiget, wie Sie auch wohl aus beygehendem Schreiben ersehen werden, welches er diesen Morgen hier bey uns geschrieben, denn er kam noch gestern Abend spät herüber, um freudig uns selbst Ihren Brief zu zeigen
Was nun Ihre und die Landsberger Angelegenheit betrift, so erhielt ich in voriger Woche auch von Herrn Lipten die Nachricht, daß die Sache vermuthlich in der nächsten Monaths Session entschieden werden würde. Ich hatte ihm nemlich, als ich ihm vor 14 Tagen unsere Besoldungsquittungen zuschikte, zugleich geschrieben, ob er mir denn nicht einen Aufschluß geben könnte zu dem seltsamen Gerücht, was in dieser Gegend nicht allein – sondern auch bis nach Halle sich verbreitet hatte, als ob ich die Stelle in Landsberg erhalten würde: denn mir und meiner guten Frau ist es in der That recht sehr verdrüßlich, daß jezt fast mit jedem Tage Juden und Judengenoßen kömen und bedauren, daß wir Drossen verlaßen würden – darauf läßt sich nun Herr Lipten, nach seiner Gewohnheit sich in seinen Briefen überaus kurz zu faßen lieber gar nicht ein. Ein wenig weitläuftiger ließ er sich denn aber auch über die bevorstehende Verheirathung seines Sohnes aus, als zu welcher ich ihm gratulirt hatte. Sie wißen es vielleicht wohl noch nicht, daß als der Vater ihm das Patent als KGRath nach Cüstrin zufertigte, die nächste Bitte des Sohnes war, daß der Vater doch sogleich um Wilmsens 4te Tochter für ihn anhalten möchte, welches denn auch sogleich geschah, und wie Sie denken können auch von Wilmsens Seiten gar bald genehmiget ward. |
den 24ten Als ich gestern so weit geschrieben, ward ich abgerufen, weil ein Kindlein zu taufen, welches sonst bey meiner kleinen Gemeine eine Seltenheit, wie Sie wissen – nachher ward mit David noch geplaudert, der noch vor 4 seinen Rükmarsch antrat – aber diesmal, wider seine sonstige Gewohnheit – mit einem sehr beruhigten und vergnügten Herzen – welches ich Ihnen und der ausführlichen Erörterung von Herrn Benikes Meinung, zu der er ein unbegränztes Zutrauen hat, verdanke; es ist nun auch nicht mehr die geringste Spur von jenem Vorhaben
Nachher kam bald diese, bald jene Abhaltung – unter andern auch die Frau Inspektor welche Mama zu besuchen kam, die sich nicht recht wohl befindet – aber auf Sie nun im Geringsten nicht mehr böse ist – Sehen Sie nur, durch ihren Brief an David haben Sie alles – alles wieder gut gemacht.
Ich schicke Ihnen hier noch eine kleine Nachlese von Briefen, die Sie doch gewiß auch interessant finden werden, ich habe mich an manchen in der That recht erbaut und ich möchte herzlich gern über einige derselben mich mit Ihnen unterreden z B. wo der seelige Vater ihr Abends vor seiner Reise die Nachricht vom Schloß mitbringt daß der Fürst ihren künftigen Aufenthalt in Anhalt bestimmt habe – wie beyde Anfangs so gar nicht damit zufrieden – und die Mutter am folgenden Tage sich so völlig beruhiget, und als sie ihre Gedanken ihrem lieben Schleyermacher geschrieben, schon von ihm, ehe er ihren Brief erhalten haben konnte, ganz gleiche Entschließungen erhält – freilich finde auch ich hier gar nichts übernatürlich – aber frappant und rührend war es mir – und so auch der Brief über ihrer kleinen Schwester Caroline Tod. Hätte ich mich daran erinnert, als ich in Landsberg war, so hätte dieser Fall auch vielleicht etwas wirken können zur Beruhigung der lieben Nichte – Ein so munteres, so gutes Kind, und in 3 Tagen gesund und frisch – und todt. – Da muß der Schmerz für eine zärtliche Mutter gewiß sehr groß seyn – und für den Vater, der damals glaub ich, abwesend auf seinen Reisen war – welch’ ein Schlag – ich war so ganz in einer recht theilnehmenden Stimmung und dachte gleich an die guten lieben Benikes. Recht rührend war es mir daher auch, was der Seelige von dem Begräbniß schrieb – und die beyden Lieder fand ich – einige veraltete Ausdrücke – und allzusinnliche Vorstellungen von dem künftigen Leben abgerechnet – so angemessen, daß ich gleich mit Rüksicht auf meine liebe Nichte – mir vornahm solche mit | einigen geringen Veränderungen für unsere liebe Benike abzuschreiben – versteht sich, daß Sie so gut seyn und es ihr vorlesen; denn auch auf Sie hatte ich Rüksicht genomen, um Ihnen die Mühe zu ersparen, die Lieder erst im Gesangbuche aufzusuchen Ich zweifle fast nicht, daß es einen guten Eindruk auf die liebe Benike machen werde, wenn sie irgend zu der Zeit in einer guten Stimung sich befindet – und bin recht begierig darüber Nachrichten von Ihnen und Ihre Meinung zu erfahren.
Von meinem Inspektor Oelrichs habe ich endlich wieder Briefe erhalten – er ist allerdings krank gewesen – schreibt aber gar nicht was er eigentlich für eine Krankheit gehabt – klagt auch noch imer, daß seine Geschäfte ihm bey seinen kränklichen Umständen überaus beschwerlich – aber dergleichen Klagen bin ich von ihm schon gewohnt – und so dürfte Herr Müller noch ein gut Weilchen es mit ansehn können
Uebrigens werden vielleicht wohl die Ferien bey den Collegiis mit Schuld seyn, daß so manche Stellen noch nicht besetzt sind, und so manche noch immer auf die endliche Entscheidung ihres Geschicks warten – So muß es unstreitig auch dem ehrlichen Manowsky gehen – es haben hier seit 6 Wochen zwey von seinen Geschwistern ihm Gevatterbriefe geschikt, ohne bis jezt Antwort darauf zu haben Zwar schreibt mir Herr Wilmsen – wie ich Ihnen, glaube ich, auch lezthin schon angezeiget habe, – daß Manowsky nach Hohenbruch (unter der Oranienburgiscben Inspektion) als eines gelähmten und erblindeten Prediger Schmidts Adjunkt aber cum spe successionis komen sollte. Ich denke aber wenn die Sache völlig gewiß, würde Manowsky es ja wohl hier an seine Verwandten schreiben – und auch an [mir] Nach Aalen ist an Bonsacks Stelle ein alter Rektor aus Halberstadt gekomen – wer aber die 2te Stelle in Brandenburg erhalten weiß ich auch nicht – ich harre jezt wieder mit jedem Posttage auf Briefe von Wilmsen – wenn ihn nicht seine Reise nach Ruppin länger aufhält – denn von dem erfahre ich noch die meisten nova ecclesiastica. Lezthin schrieb er mir auch daß man seinem Schwiegersohn Hanckwitz die doppelte Zulage, die sein Vorgänger Hünefeld gehabt, gestrichen – dann ist aber die Stelle um nichts besser, als meine hier |
Und nun recht viele Complimente an Sie von Mama – in Davids Brief oder Brieflein finden Sie die verlangten Tuchproben eingewickelt. Recht viele herzliche Grüße von uns beyden an Herrn und Frau Benike und an die liebe, gute Emilie, der wir eine recht dauerhafte Gesundheit wünschen [.] An Herrn Benike besonders meinen vielmaligen Dank für den guten Rath und Anweisung die er meinem Sohn gegeben, der sich nächstens auf Michaelis noch selbst dafür ergebenst bedanken wird [.] An meine liebe Nichte einen schönen großen Dank für ihren lieben Brief, den ich gestern vor 8 Tagen erhalten – ich werde nächstens auch selbst an sie schreiben, heute möchte das Pak allzustark werden [.] Noch läßt meine Frau die liebe Nichte bitten, durch Emilien doch gelegentlich die Frau D. Schulzen an die erbetenen Musterchen wieder erinnern zu laßen
Und nun leben Sie recht wohl, und vergessen Sie nicht in Zeiten an Ihre gute Schwester zu schreiben
Ich bin Ihr aufrichtiggetreuer Oheim
St.
Metadata Concerning Header
  • Date: 23. bis 24. August 1795
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Drossen ·
  • Place of Destination: Landsberg (Warthe) · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 385‒389.

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