G. 19t Nvbr 1796
Da ist nun durch das heutige außenbleiben der Berlinischen Briefe ein großer Wunsch unerfült geblieben, und das litum welches ohnedies um mich herum, und in mir selbst schon ist, noch um ein gut Theil vermehrt worden – ach! mit welcher Sehnsucht sah ich dem Postbothen schon eingemahl entgegen, aber heute mit starker Vermuthung etwas von Euch zu erhalten – welches aber, bey einem leider geblieben – das thut weh – um so mehr – da es mich für den übermorgenden Tag schadlos gehalten hätte – recht viel von Berlin und den dortigen Wesen und Treiben meiner Schleiermachers zu lesen – ach eine recht herzliche Freude hätte mirs gemacht so ein liebes Paquet in diesen Tagen zu erhalten – am Mitwoch hatte ich die Freude durch die in Sachsen verheirateten Tschirskys die zur Strampfschen Hochzeit gekomen – eine recht lange Epistel von der Geisler zu erhalten die mir öfter und mehr schreibt als sie selbst mir versprach – als ichs je bey ihren gehäuften Geschäften und sonstigen Verbindungen geahndet hätte – recht gut, aber es ersezt mir wenig bey unsrer so ganz eignen gemachten Bekantschaft und Verschwisterung unsrer Seelen – sie war durch ein sonderbahres Verhängniß um ihren Mantel gekomen den sie täglich braucht, ich lehnte ihr einen und erhielt ihn nun erst zurük, sie hatte ein Band dran genäht – und wie mir das so eigen war, nun ihn wieder mit dieser ihrer Näthrey umzumachen – und wie mir das alles so lieb, darein wird sich der Prediger aus gewiß neuerlich gemachten ähnlichen Erfahrungen am besten verstehn – ich meine bey der Trenung von Landsberg und dem Wesen mit der Beneke. Daß ich dieser Geisler die Louise geborgt wird wohl leicht zu faßen seyn – die Iflandschen Stüke machten auch ihr viel Vergnügen – so wie der Aulock – die Gute nimt so herzlichen Antheil an meiner Lohrel Krankheit das macht sie mir werther als durch alle Geschenke – die heut vor 8 Tagen | reichlich anlangten – und bestanden – in einer Gans, einigen Würsten – und 3 großen Schachteln mit KärmisKuchen – für, Line, alle meine Kleinen[,] Lotte, Lohrel – und mich – die Köchin nicht zu vergeßen – die Gans war herrlich – und die Kuchen wie sie zu jeder FestZeit erfolgen ganz auserlesen, nur die Würste für mich nicht eßbar – heute erhielt ich einen ganz kläglichen Zettel der mir meldete daß einge Tage sich die CantonRevisionsHerren sich in ihrem Hause aufhalten würden, welches ihr jezt – da sie selten sprechbar ist – sehr beschwerlich – sie bat um mein Andenken und Mitgefühl in ihrer Laage; jezt muß ich aufhören es wird gedekt und der Lärm imer fürchterlicher – wirst Du morgen predigen? und besucht Charles wohl manchmahl des Bruders Predigten ich dachte da thäten der Herr Urian nicht so gar übel dran.
den 21ten Daß ich heute mit meinem Geiste mehr in Berlin als hier bin, darf ich wohl nicht mit vielen Worten erst versichern dabey erinre ich mich sehr lebhaft wie es heut vor 14 Jahren war, wie feierlich mir dieser Tag durch die ausgezeichnete Liebe und Güte unsrer Seeligen Eltern gemacht, und welch ein unauslöschliches Andenken ich daran in meiner Seele herum trage, wie inig mein Dank für die mir gegebne Erlaubniß zur Gemeine zu gehen, durch so ganz besondre LebensPerioden, diese Empfindung so öfters verstärkt, und mein Glaube an die ganz eigne Führung Gottes mit mir, stets vester, und mein Vertrauen zu Ihm immer völliger wird davon könte ich zu Seinem Preiße viel sagen |
O! lieber Friz! mit dem ich heute eigentlich allein spreche, könte ich doch nur eine Stunde mit Dir recht vertraulich, aus dem vollen Herzen heraus reden, so ganz ohne alle Scheu, wie ichs mit mehreren Lieben Leuten schon gethan, nun würdest Du mich ganz verstehn ach wie viel könte man sich über diese Materie noch sagen! und wie manches andre wäre noch abzuhandeln, was wir hier gar nicht berührt haben – was würde das alles noch geben! so manches Mixum, würde in die schönste Harmonie sich auflösen, und so manches Litum so ganz anders erscheinen – o! Du Lieber! was köntest, was würdest Du mir erst dan alles seyn, wenn wir mehr Sujets hier berührt hätten – mehr Vergleiche gemacht – doch! ich will der Gegenwart froh und dankbar genießen – und Dir noch einen recht herzlichen Dank sagen für Alles was Du mir für Freuden durch Deine Briefe und Deinen Besuch gewährtest – Gott laße Dirs auch dafür recht wohl gehen, schenke Dir auch dort, Freunde, und Freuden, die Dich warhaft glüklich machen, die Dich nicht fremde machen, mit Deiner Bestimung als einstigen HimelsBewohner – die Dich nur stärken zu mehrerer Thätigkeit in Deinem Beruf – eine dauernde Gesundheit wünsche ich Dir auch vorzüglich die uns in unsrer Laage sehr nöthig ist – und dann so viel revenües daß Du bald wieder eine Reise unternehmen könest – auf den May reist gewiß die Frau von Schlössel nach Berlin zu ihrer Tochter Strampf die gestern getraut wurde, ach wenn ich Dich bey dieser Gelegenheit wieder sehen könte denn bis auf das große ReiseJahr – das ist zu lange – vielleicht ist die Mutter dann auch mit den Kleinen hier! o! das wäre ja prächtig |
Das war eine rechte Freude! ich brachte jezt nach den Schulen den Kindern einen Gruß von jemanden der sich an seinem GeburtsTag in ihr Andenken empfehlen ließ, sie riethen alsobald den Friz Schleiermacher ich theilte ihnen Bakwaare in Deinem Nahmen aus, und sie laßen sich viel 1000 mahl bedanken, Dich gar herzlich grüßen – und laßen Dich fragen ob Du gestern an Deinem Beschluß gepredigt hast – und ob Du den FestTag mit Bruder Charles gefeyert, den sie gerne kennen möchten, denn in meiner Stube ist niemand der ihn vor 3 Jahren gesehen hat; ich habe auch heute recht verständig mit Lotten gespielt wir dachten dabey an Dich – und wünschten Du möchtest uns einmahl was zu spielen verschaffen das heißt 4händige Stüke – für mich allein hat sie mir recht schwere Sonaten gegeben, die sie behauptet ich bald fertiger werde spielen können als sie – ich lache, Du gewiß auch – Alleweile schreiben sich meine Kleinen allen Deinen GeburtsTag auf ihre Täfelchens oder Souvenir – das ist eine wahre Lust!
den 29ten Das war gestern ein Tag! des inigen Danks und der lautern Freude über die gnädige DurchHülfe unsers guten Herrn, der meiner besten Lisette Pritwiz die Barmherzigkeit wiederfahren ließ daß sie gestern Nacht um 2 uhr einen gesunden Sohn zur Welt brachte – der sie für die ausgestandnen Schmerzen – und ihre beste Mutter und den jungen Mann reichlich für alle gehabte Angst belohnt – noch denselben Nachmittag schikte sie zu mir um mich zu sich holen zu laßen – die Empfindungen sie so inig dankbar und munter da liegen zu sehn – und den starken Jungen in der Wiege – o! das kan ich niemanden beschreiben – die alte Seidliz sagt auch – es kann nächst ihr niemand die Empfindungen dabey haben als ich –
cette enveloppe est à Ma Schlegel – mais elle le fait de hon coeur |
den 30ten November
Das war doch einmahl keine Täuschung sondern Erfüllung meines inigsten Wunsches heute Briefe von Berlin zu erhalten – ich war mit der kleinen Henig bey Seidlizes zu Tische und sahe bey dem schreklichen Schnegestöber mit Sehnsucht dem Postbothen entgegen – er kam – und imer erhielt ich keine Nachricht daß ich etwas bekomen, welches ich doch so sicher bestelt – endlich – kamm meine treue Schlegel und brachte mir das große große Couvert – meldete mir das kleine an in welchem ich nach einigem Besinen die Scheeren vermuthete – Dank!
Euch! meine Lieben für die herrlichen Briefe die noch bey Seidlizes in aller Ruh durchlaß – viel viel Freude habt ihr mir damit gemacht – und ganz besonders stark hat mein guter sonst so saumseeliger Charles sich angegriffen – der imer wie er spricht nichts hervorbringen kann – und doch wie ich merke es recht tief im innern hegt – alles da wie ein Heiligthum verwahrt und dan so tropfenweise daraus mittheilt – o Du guter Herrlicher Junge – den ich so mütterlich so gar herzlich liebe – laß Dich im Geist ans warme Herz drüken, für alles, alles, auch für das was wohl wegbleiben könte – aber denn doch Gutmeinen von Dir ist – Soltet ihr auch einmahl wieder getrent werden welches ich wegen Dir nicht wünsche so schreib ich Dir wie vorhin wieder allein – und Du machst es dann wie diesesmahl hübsch lang – dann solst Du nichts einbüßen ich kann auch nicht bergen wie Ihr auch aus dem vorigen sehen werdet ich hatte schon mehrere Posttage auf berlinische Briefe gewartet – und da sie vorigen Sonabend nicht anlangten – so hoffte ich mein Schreiben zum 21ten würde noch vor Abgang des Eurigen eintreffen welches nun auch zu meiner Freude geschehen ist – hoffentlich wird noch ein Thee den Abend eingenomen worden seyn – der Unsrige hat uns damals herrlich geschmekt und meine herrliche Frize Graff würzte ihn mit ihrer Herzlichkeit und Pudel närschen Einfällen – ach ich wünschte sie Euch zu kennen |
Das war mir heute ein unaussprechlich werther Anblik meine beste Lisette ihren kleinen Jungen freilich unter herben Schmerzen, aber doch auch unter wahren MutterGefühl stillen zu sehn – wie sie so ehrwürdig in ihrem Bette da liegt – und die Alte gute Seidliz so thätig bald für die Tochter und dann wieder mit dem Enkelchen ihr Wesen hat – und wie die liebenswürdige Schwägerin d.h. die junge Seidliz sie auch wenig verläst – und wie Lisette sich unter allen Verhältnißen immer gleich edel und theilnehmend bleibt – wie sie so freundlich als ich sie aus Deinen leztern schon im voraus Deines Theilnehmens versicherte – welcher kumervolle MutterBlik als sie mir sagte – sie hätte vorige Nacht schon für verlohren gegeben – heut aber ist er ganz munter ich sahe ihn zum erstenmahl – denn am Montag den ersten Tag schlief er und seitdem war ich nicht da – seine Nahmen sind – Moriz der Mutter LieblingsNahme – Charles, des Mannes Nahme – Juliuss der Seidlizsche GeschlechtsNahme – Wilhelm – eine Fantasie von Pritwiz – die Pathen waren – derUrgroßVater von der Heide – deßen auch in der TaufRede die Cunow ganz allerliebst machte – namentlich gedacht wurde – Herr von Tschirscky von Schlössel – und Herr von Sauerma [–] Frau von Hermsdorf der alten Seidliz Schwester – und Albertine – der alten Pritwiz Schwester – – ich meine daß Dich dies alles interessiren wird – sonst reute mich meine Arbeit – denn dergleichen NahmenRegister schreib ich nicht mehr gern – heut über 8 Tage soll dieser Brief abgehen um daß Du bald diese Nachricht erhältst – die Geisler wird es heut erfahren, denn ich habe es ihr gleich mit der Post gemeldet. |
den 5ten December 1796
Die Beschreibung von der GeburtsTagsFeyer des ehrwürdigen Spaldings hat mich gar sehr gefreut ich habe mir diese Stelle schon einigemahl gelesen und mich recht dran erbaut – und einen kleinen Stolz gefühlt daß mein Herr Bruder in Geselschaft so lieber ehrwürdiger und auf verschiedne Arten angesehner Männer sich befindet – beneiden kann ich Dich nicht – denn es wäre wunderlich da ich auf so was in meiner Laage als Mädchen nie rechnen darf – aber alles alles das Drama – das ehrwürdige Trio bey Tische und dann die vermischte Geselschaft war mir so lieb und anschaulich – daß ich mich recht lebhaft hin denken – und den Wunsch aufregen sich fühlte – wenn doch mein Bruder gelegentlich auch mich der Hofprediger Sack – so wie der Eichman empfehlen wolte, von denen ehrwürdigen Vätern gekant zu seyn hieße zu viel pretendiren. Die Stelle aus Oberon die mir aus ältern Zeiten bekant, war mir sehr lieb bey dieser Gelegenheit wieder zu lesen – viel Rükerinrungen hatte ich dabey, an jene Zeit als Du mir zum erstenmahl davon schriebst ich den Oberon las und wir uns darüber schrieben – ach wie vieles hätte ich Dir lieber Friz bey Deinem Besuch von diesen Zeiten erzählen mögen – da wäre noch so manches – vorgestern habe ich auch die WochenPredigt beherzigt die mir sehr gut gefiel, Du wirst mir sie doch wohl laßen – ich dächte – und auch die CharfreitagsPredigt von Deiner Hand geschrieben ist mirs doch sehr behaglich bey meinen Scripturen zu haben – bitte bitte, jezt ists bald 2 uhr, und ich muß zur Geographischen Schule in der Lotte Stube gehn – wir sind im Obberrheinischen Creise wenn Dichs interessirt. |
Gestern erst bin ich dazu gekomen – aus Deiner Epistel Lotten etwas mitzutheilen mit unsern Zusamenkünften ist es im Winter gar mißlich – was die Solos betrift die werden sonst in der Kammer gehalten – und dort ist es jezt entsezlich kalt – daher wir auch dieser Tage gar nicht gespielt haben – Abends komt gemeiniglich alles in meiner Stube zusammen, Caroline Graff die jezt aufgeräumter als sonst – die Maaß ihre Gehülfin – und dann die Schlegeln mit ihrer – das heißt gegen 9 uhr wenn die Kinder alle zu Bett sind – daß mann alsdann nicht dergleichen Mittheilungen machen kann versteht sich von selbst – ob es schon nicht an angenehmen Unterhaltungen fehlt – besonders wenn meine Frize dazu komt – je zuweilen giebt es wohl auch litums bey der gegenwärtigen sehr schwachen Gesundheit meiner guten treuen Lohrel, die seit mehreren Wochen sehr viel an Engigkeit und Schwäche gelitten – erstaunend viel hat sie schon gebraucht – auch fängt sie jezt ann auszuwerfen – aber abgenommen hat sie außerordentlich – wenn das so fortgeht – kan es wohl bald alle werden – o Gott! stärke mich den Verlust zu tragen die ganze Anstalt würde dabey viel verliehren, und ich in meinem Theil ganz besonders – seit dem sie so viel leidet bin ich ganz munter. Das Bier trinken – das heißt die Woche anderthalb quart – und 2 mahl Abends Thee – bekomt mir recht gut – unser jeziger Arzt könte unmöglich einen Bericht von meinen GesundheitsUmständen abfaßen – er weiß herzlich wenig davon – weil ich nicht so vertraulich mit ihm sprechen kann – und überhaupt auch Swertner ohne Sprache mich ganz ausstudirt hatte – ach wir haben viel an dem treflichen Mann verlohren. |
Die Lobrede auf Lotten wegen meiner Freundtschaft für die Geisler soll sich doch wohl nur auf ihren damaligen Aufenthalt alhier beziehen – da freilich manches Stündchen ihr gewidmet und Lotte dabey verlohr – wäre sie hier geblieben dann hättest Du Recht unsre Lotte wie Du sprichst zu bewundern und zu bemitleiden aber so da die Herrlichkeit höchstens 4 Wochen währte – ist darüber wenig zu sagen – denn Briefe wechsele ich ja auch mit Euch und andern lieben Leuten ohne daß Lotte dabey zu kurz komt – ihr selbst war das alles gar wunderbar und meint – auch beym Wohnen der Geisler alhier hätte sie mir diese neue gewiß weit über ihr stehende unterhaltende Freundin gerne gegönt – und jezt freue sie sich über jeden Brief den ich von ihr bekomme – kurz sie bittet deshalb um Erläuterung – übrigens wäre über diese Geisler und das Basis unsrer Freundtschaft noch manches zu erörtern, was sich aber nicht mit der Feder thun läst – daß ich aber um dieses unerklärbaren willen desto mehr sie liebe und einen ganz eignen zärtlichen Theil an ihr nehme, und nie aufhören werde an sie zu schreiben wenn sie mir nur treu bleibt – ist wohl gewiß – sie schreibt einen vortreflichen Brief dazu ist auch ihre Hand sehr schön, so daß mein Gesudle freilich gewaltig absticht – es ist fast viel daß ich schon 4 Briefe von ihr habe, da sie wirklich wenig Zeit der ganze Tag mit privat Stunden – und der Abend geschloßne Geselschaften wo sie die Lectrice macht – eine inige Freude würde sie über Deine Epistel haben wenn ich sie ihr mittheilen könte – Lotte war über die Beschreibung der GeburtsTagsFeyer samt der Stelle aus dem Oberon ganz staunend und sprachloos – sie ist doch ein seltsames liebes Geschöpf hier fält mir ein, daß Charles tiefe Gefühle am laboratorium nicht ganz ausgebraten worüber ich schon ganz laut gelacht – wiewohl ich dis nicht – ja niemals befürchtet habe – daß Du ihn aber | heilsamlich schütteln – und gleichsam alles in ihm aufregen – daran habe ich nicht gezweifelt – sonderlich aber wie er spricht hast Du ihm wieder Liebe zum Leben, und Friede mit dem Menschen, und gewiß auch Freude an den schuldloosen Spielewerken beigebracht – wofür ich Dir mein Lieber einen herzlichen Dank sage, und Dich bitte fortzufahren in dem guten Werk – ach ich stelle mir eurer Wesen so gar lieblich und traulich vor – daß es mich stark gelüstet das alles mit anzusehen – aber das beherzigen meiner Briefe – das mag schnell gehn – da mags manches crusimuri geben, und mixum – besonders wenn Nahmen und dergleichen vorkomen – wie mags mit dem leztern gewest seyn wer weiß habt ihr Peterswalde herausgekriegt – auf jenen, und diesen hoffe ich doch gewiß dieses Jahr noch Antwort zu bekomen deshalb ich es künftgen PostTag abschike – bitte recht sehr, laßt mich dis Jahr nicht ohne Nachricht von Euch beschließen – gute Nacht ich führe meine Kinder zu Bett.
den 7ten Da habe ich mir nun die Stellen in Woldemar gelesen lieber Charles und finde darin vieles wobey ich an Dich gedacht habe – nur möchte ich mit Dir zanken daß ich mit Henrietten zu vergleichen bin – vors erste kann eine solche hienieden kaum existiren und ich müste völlig blind an meinem ganzen Wesen seyn wenn ich mir etwas davon zueignen solte – hast Du Alwille gelesen – den ich – nicht ihn – sondern den Inhalt des Buchs Woldemar weit vorziehe, nur Schade daß es nicht weiter ausgeführt ist – wie sehr wünschte ich meinen Auszug daraus mit Dir zu lesen – und noch mehr aus Ewald – den Sin, und | die Sinne – wovon ich in meinem leztern erwähnte – wenn doch der Prediger alles anwendete es in die Hände zu bekommen[;] übrigens bin ich ganz damit verstanden, lieber gar nichts als schlechte Waare, zu lesen, oder doch Dinge die bloß zum Zeitvertreib weder das Herz noch den Geist veredlen – so hoffe ich auch daß Du in keine andre Schauspiele gehen, oder besuchen wirst als solche, worin Dinge dargestelt die uns zur Nachahmung edler Thaten reizen, oder doch so viel moral uns für das SittenVerderb unsrer Zeit einen wahren Abscheu beizubringen – bey Anführung des Dominique – hast Du mir sehr alte liebe Zeiten da ich dis Stük noch in Breslau las ins Gedächtniß zurükgerufen. Die Räuber von Schiller kenn ich nicht – bitte schreib mir doch, ob Du oder Friz Cabale und Liebe kenst – welches ich vor 3 Jahren gelesen und schon öfters gewünscht dis Stük recht gut aufführen zu sehn – o es ist prächtig und gehört unter diejenigen, die ich von allen theatralischen Stüken die ich gelesen – gar sehr vorziehe – – die1 Aulock will mir mit der Zeit Don Charlos verschafen von dem ich durch meine Zimmermann und meine Frühauf so viel schönes gehört – wenn mir doch der Prediger wieder eimahl was von Schillers herrlichen Gedichten abschreiben wolte, das wäre ja prächtig – ach eben fält mir ein daß ichs dem Prediger noch nicht ausgericht – daß die Aulock lezt sagte – wenn doch ihr Bruder bald den Besuch wiederholte und ich ihn dann auch gewiß sähe das wäre ja prächtig – – und meine Lotte sagt öfter ach daß ich nun auch Deinen Charles kennen lernte – die Nacht vorher ehe ich Eure Briefe erhielt hat sie von Euch Beiden geträumt. |
Heut schreibe ich zwar in meiner Stube, aber nicht so wie sonst – bei mir, und hinter mir stehen Betten – indem fast 20 Kindern in den Rötheln liegen und wir 5 von den Unsrigen in der Stube haben, 2 liegen oben in der eigentlichen KrankenStube – und gestern hat sich die Aulock ihre Line geholt um sie dort, theils beßer zu pflegen – und auch immer sehen zu können was sie macht – wir haben uns das gern gefallen laßen – nur war es uns ängstlich indem sie schon völlig im heraus komen waren als sie wegfuhr – doch eben jezt war der Herr hier welcher uns meldete daß sie im schönsten Flor stünden – daß eben jezt da ohnedies die Bescheerungen und Feyertage eintreffen diese Krankheit sich eingestelt hat ist mir recht lieb – denn im gewöhnlichen Schulgange hindert es doch gar sehr – da werde ich denn jezt bald da, bald dort seyn – bald hier heben und tragen – The geben – und dergleichen dan wieder in den andern Stuben Schule halten wie es geht – und mit dem neuen Jahre werden wir hoffentlich dan wieder so in Ordnung seyn daß die Betten nicht mehr in der Stube seyn[;] heute ist Sontag und da will mir freilich die neue Scene nicht recht behagen, auch hat meine liebe Arndt ihren GeburtsTag – da hätte ich gern irgend ein kleines Vergnügen gehabt – oder doch recht viel an Sie geschrieben, welches sich aber hier nicht gut thun läst auch habe ich heftiges Kopfweh – und hiemit will ich schließen – die Vorstehern dankt ergebenst für die Besorgung der Scheeren – die ihr recht sehr gefallen – Lotte grüßt herzlich – Aulock bittet um ihr Blatt – und ich recht herzlich um Nachricht vor Ende dieses Jahres Lotte
1ich habe kein Blätchen für die Aulock gefunden – es wird doch nicht außen bleiben
Da ist nun durch das heutige außenbleiben der Berlinischen Briefe ein großer Wunsch unerfült geblieben, und das litum welches ohnedies um mich herum, und in mir selbst schon ist, noch um ein gut Theil vermehrt worden – ach! mit welcher Sehnsucht sah ich dem Postbothen schon eingemahl entgegen, aber heute mit starker Vermuthung etwas von Euch zu erhalten – welches aber, bey einem leider geblieben – das thut weh – um so mehr – da es mich für den übermorgenden Tag schadlos gehalten hätte – recht viel von Berlin und den dortigen Wesen und Treiben meiner Schleiermachers zu lesen – ach eine recht herzliche Freude hätte mirs gemacht so ein liebes Paquet in diesen Tagen zu erhalten – am Mitwoch hatte ich die Freude durch die in Sachsen verheirateten Tschirskys die zur Strampfschen Hochzeit gekomen – eine recht lange Epistel von der Geisler zu erhalten die mir öfter und mehr schreibt als sie selbst mir versprach – als ichs je bey ihren gehäuften Geschäften und sonstigen Verbindungen geahndet hätte – recht gut, aber es ersezt mir wenig bey unsrer so ganz eignen gemachten Bekantschaft und Verschwisterung unsrer Seelen – sie war durch ein sonderbahres Verhängniß um ihren Mantel gekomen den sie täglich braucht, ich lehnte ihr einen und erhielt ihn nun erst zurük, sie hatte ein Band dran genäht – und wie mir das so eigen war, nun ihn wieder mit dieser ihrer Näthrey umzumachen – und wie mir das alles so lieb, darein wird sich der Prediger aus gewiß neuerlich gemachten ähnlichen Erfahrungen am besten verstehn – ich meine bey der Trenung von Landsberg und dem Wesen mit der Beneke. Daß ich dieser Geisler die Louise geborgt wird wohl leicht zu faßen seyn – die Iflandschen Stüke machten auch ihr viel Vergnügen – so wie der Aulock – die Gute nimt so herzlichen Antheil an meiner Lohrel Krankheit das macht sie mir werther als durch alle Geschenke – die heut vor 8 Tagen | reichlich anlangten – und bestanden – in einer Gans, einigen Würsten – und 3 großen Schachteln mit KärmisKuchen – für, Line, alle meine Kleinen[,] Lotte, Lohrel – und mich – die Köchin nicht zu vergeßen – die Gans war herrlich – und die Kuchen wie sie zu jeder FestZeit erfolgen ganz auserlesen, nur die Würste für mich nicht eßbar – heute erhielt ich einen ganz kläglichen Zettel der mir meldete daß einge Tage sich die CantonRevisionsHerren sich in ihrem Hause aufhalten würden, welches ihr jezt – da sie selten sprechbar ist – sehr beschwerlich – sie bat um mein Andenken und Mitgefühl in ihrer Laage; jezt muß ich aufhören es wird gedekt und der Lärm imer fürchterlicher – wirst Du morgen predigen? und besucht Charles wohl manchmahl des Bruders Predigten ich dachte da thäten der Herr Urian nicht so gar übel dran.
den 21ten Daß ich heute mit meinem Geiste mehr in Berlin als hier bin, darf ich wohl nicht mit vielen Worten erst versichern dabey erinre ich mich sehr lebhaft wie es heut vor 14 Jahren war, wie feierlich mir dieser Tag durch die ausgezeichnete Liebe und Güte unsrer Seeligen Eltern gemacht, und welch ein unauslöschliches Andenken ich daran in meiner Seele herum trage, wie inig mein Dank für die mir gegebne Erlaubniß zur Gemeine zu gehen, durch so ganz besondre LebensPerioden, diese Empfindung so öfters verstärkt, und mein Glaube an die ganz eigne Führung Gottes mit mir, stets vester, und mein Vertrauen zu Ihm immer völliger wird davon könte ich zu Seinem Preiße viel sagen |
O! lieber Friz! mit dem ich heute eigentlich allein spreche, könte ich doch nur eine Stunde mit Dir recht vertraulich, aus dem vollen Herzen heraus reden, so ganz ohne alle Scheu, wie ichs mit mehreren Lieben Leuten schon gethan, nun würdest Du mich ganz verstehn ach wie viel könte man sich über diese Materie noch sagen! und wie manches andre wäre noch abzuhandeln, was wir hier gar nicht berührt haben – was würde das alles noch geben! so manches Mixum, würde in die schönste Harmonie sich auflösen, und so manches Litum so ganz anders erscheinen – o! Du Lieber! was köntest, was würdest Du mir erst dan alles seyn, wenn wir mehr Sujets hier berührt hätten – mehr Vergleiche gemacht – doch! ich will der Gegenwart froh und dankbar genießen – und Dir noch einen recht herzlichen Dank sagen für Alles was Du mir für Freuden durch Deine Briefe und Deinen Besuch gewährtest – Gott laße Dirs auch dafür recht wohl gehen, schenke Dir auch dort, Freunde, und Freuden, die Dich warhaft glüklich machen, die Dich nicht fremde machen, mit Deiner Bestimung als einstigen HimelsBewohner – die Dich nur stärken zu mehrerer Thätigkeit in Deinem Beruf – eine dauernde Gesundheit wünsche ich Dir auch vorzüglich die uns in unsrer Laage sehr nöthig ist – und dann so viel revenües daß Du bald wieder eine Reise unternehmen könest – auf den May reist gewiß die Frau von Schlössel nach Berlin zu ihrer Tochter Strampf die gestern getraut wurde, ach wenn ich Dich bey dieser Gelegenheit wieder sehen könte denn bis auf das große ReiseJahr – das ist zu lange – vielleicht ist die Mutter dann auch mit den Kleinen hier! o! das wäre ja prächtig |
Das war eine rechte Freude! ich brachte jezt nach den Schulen den Kindern einen Gruß von jemanden der sich an seinem GeburtsTag in ihr Andenken empfehlen ließ, sie riethen alsobald den Friz Schleiermacher ich theilte ihnen Bakwaare in Deinem Nahmen aus, und sie laßen sich viel 1000 mahl bedanken, Dich gar herzlich grüßen – und laßen Dich fragen ob Du gestern an Deinem Beschluß gepredigt hast – und ob Du den FestTag mit Bruder Charles gefeyert, den sie gerne kennen möchten, denn in meiner Stube ist niemand der ihn vor 3 Jahren gesehen hat; ich habe auch heute recht verständig mit Lotten gespielt wir dachten dabey an Dich – und wünschten Du möchtest uns einmahl was zu spielen verschaffen das heißt 4händige Stüke – für mich allein hat sie mir recht schwere Sonaten gegeben, die sie behauptet ich bald fertiger werde spielen können als sie – ich lache, Du gewiß auch – Alleweile schreiben sich meine Kleinen allen Deinen GeburtsTag auf ihre Täfelchens oder Souvenir – das ist eine wahre Lust!
den 29ten Das war gestern ein Tag! des inigen Danks und der lautern Freude über die gnädige DurchHülfe unsers guten Herrn, der meiner besten Lisette Pritwiz die Barmherzigkeit wiederfahren ließ daß sie gestern Nacht um 2 uhr einen gesunden Sohn zur Welt brachte – der sie für die ausgestandnen Schmerzen – und ihre beste Mutter und den jungen Mann reichlich für alle gehabte Angst belohnt – noch denselben Nachmittag schikte sie zu mir um mich zu sich holen zu laßen – die Empfindungen sie so inig dankbar und munter da liegen zu sehn – und den starken Jungen in der Wiege – o! das kan ich niemanden beschreiben – die alte Seidliz sagt auch – es kann nächst ihr niemand die Empfindungen dabey haben als ich –
cette enveloppe est à Ma Schlegel – mais elle le fait de hon coeur |
den 30ten November
Das war doch einmahl keine Täuschung sondern Erfüllung meines inigsten Wunsches heute Briefe von Berlin zu erhalten – ich war mit der kleinen Henig bey Seidlizes zu Tische und sahe bey dem schreklichen Schnegestöber mit Sehnsucht dem Postbothen entgegen – er kam – und imer erhielt ich keine Nachricht daß ich etwas bekomen, welches ich doch so sicher bestelt – endlich – kamm meine treue Schlegel und brachte mir das große große Couvert – meldete mir das kleine an in welchem ich nach einigem Besinen die Scheeren vermuthete – Dank!
Euch! meine Lieben für die herrlichen Briefe die noch bey Seidlizes in aller Ruh durchlaß – viel viel Freude habt ihr mir damit gemacht – und ganz besonders stark hat mein guter sonst so saumseeliger Charles sich angegriffen – der imer wie er spricht nichts hervorbringen kann – und doch wie ich merke es recht tief im innern hegt – alles da wie ein Heiligthum verwahrt und dan so tropfenweise daraus mittheilt – o Du guter Herrlicher Junge – den ich so mütterlich so gar herzlich liebe – laß Dich im Geist ans warme Herz drüken, für alles, alles, auch für das was wohl wegbleiben könte – aber denn doch Gutmeinen von Dir ist – Soltet ihr auch einmahl wieder getrent werden welches ich wegen Dir nicht wünsche so schreib ich Dir wie vorhin wieder allein – und Du machst es dann wie diesesmahl hübsch lang – dann solst Du nichts einbüßen ich kann auch nicht bergen wie Ihr auch aus dem vorigen sehen werdet ich hatte schon mehrere Posttage auf berlinische Briefe gewartet – und da sie vorigen Sonabend nicht anlangten – so hoffte ich mein Schreiben zum 21ten würde noch vor Abgang des Eurigen eintreffen welches nun auch zu meiner Freude geschehen ist – hoffentlich wird noch ein Thee den Abend eingenomen worden seyn – der Unsrige hat uns damals herrlich geschmekt und meine herrliche Frize Graff würzte ihn mit ihrer Herzlichkeit und Pudel närschen Einfällen – ach ich wünschte sie Euch zu kennen |
Das war mir heute ein unaussprechlich werther Anblik meine beste Lisette ihren kleinen Jungen freilich unter herben Schmerzen, aber doch auch unter wahren MutterGefühl stillen zu sehn – wie sie so ehrwürdig in ihrem Bette da liegt – und die Alte gute Seidliz so thätig bald für die Tochter und dann wieder mit dem Enkelchen ihr Wesen hat – und wie die liebenswürdige Schwägerin d.h. die junge Seidliz sie auch wenig verläst – und wie Lisette sich unter allen Verhältnißen immer gleich edel und theilnehmend bleibt – wie sie so freundlich als ich sie aus Deinen leztern schon im voraus Deines Theilnehmens versicherte – welcher kumervolle MutterBlik als sie mir sagte – sie hätte vorige Nacht schon für verlohren gegeben – heut aber ist er ganz munter ich sahe ihn zum erstenmahl – denn am Montag den ersten Tag schlief er und seitdem war ich nicht da – seine Nahmen sind – Moriz der Mutter LieblingsNahme – Charles, des Mannes Nahme – Juliuss der Seidlizsche GeschlechtsNahme – Wilhelm – eine Fantasie von Pritwiz – die Pathen waren – derUrgroßVater von der Heide – deßen auch in der TaufRede die Cunow ganz allerliebst machte – namentlich gedacht wurde – Herr von Tschirscky von Schlössel – und Herr von Sauerma [–] Frau von Hermsdorf der alten Seidliz Schwester – und Albertine – der alten Pritwiz Schwester – – ich meine daß Dich dies alles interessiren wird – sonst reute mich meine Arbeit – denn dergleichen NahmenRegister schreib ich nicht mehr gern – heut über 8 Tage soll dieser Brief abgehen um daß Du bald diese Nachricht erhältst – die Geisler wird es heut erfahren, denn ich habe es ihr gleich mit der Post gemeldet. |
den 5ten December 1796
Die Beschreibung von der GeburtsTagsFeyer des ehrwürdigen Spaldings hat mich gar sehr gefreut ich habe mir diese Stelle schon einigemahl gelesen und mich recht dran erbaut – und einen kleinen Stolz gefühlt daß mein Herr Bruder in Geselschaft so lieber ehrwürdiger und auf verschiedne Arten angesehner Männer sich befindet – beneiden kann ich Dich nicht – denn es wäre wunderlich da ich auf so was in meiner Laage als Mädchen nie rechnen darf – aber alles alles das Drama – das ehrwürdige Trio bey Tische und dann die vermischte Geselschaft war mir so lieb und anschaulich – daß ich mich recht lebhaft hin denken – und den Wunsch aufregen sich fühlte – wenn doch mein Bruder gelegentlich auch mich der Hofprediger Sack – so wie der Eichman empfehlen wolte, von denen ehrwürdigen Vätern gekant zu seyn hieße zu viel pretendiren. Die Stelle aus Oberon die mir aus ältern Zeiten bekant, war mir sehr lieb bey dieser Gelegenheit wieder zu lesen – viel Rükerinrungen hatte ich dabey, an jene Zeit als Du mir zum erstenmahl davon schriebst ich den Oberon las und wir uns darüber schrieben – ach wie vieles hätte ich Dir lieber Friz bey Deinem Besuch von diesen Zeiten erzählen mögen – da wäre noch so manches – vorgestern habe ich auch die WochenPredigt beherzigt die mir sehr gut gefiel, Du wirst mir sie doch wohl laßen – ich dächte – und auch die CharfreitagsPredigt von Deiner Hand geschrieben ist mirs doch sehr behaglich bey meinen Scripturen zu haben – bitte bitte, jezt ists bald 2 uhr, und ich muß zur Geographischen Schule in der Lotte Stube gehn – wir sind im Obberrheinischen Creise wenn Dichs interessirt. |
Gestern erst bin ich dazu gekomen – aus Deiner Epistel Lotten etwas mitzutheilen mit unsern Zusamenkünften ist es im Winter gar mißlich – was die Solos betrift die werden sonst in der Kammer gehalten – und dort ist es jezt entsezlich kalt – daher wir auch dieser Tage gar nicht gespielt haben – Abends komt gemeiniglich alles in meiner Stube zusammen, Caroline Graff die jezt aufgeräumter als sonst – die Maaß ihre Gehülfin – und dann die Schlegeln mit ihrer – das heißt gegen 9 uhr wenn die Kinder alle zu Bett sind – daß mann alsdann nicht dergleichen Mittheilungen machen kann versteht sich von selbst – ob es schon nicht an angenehmen Unterhaltungen fehlt – besonders wenn meine Frize dazu komt – je zuweilen giebt es wohl auch litums bey der gegenwärtigen sehr schwachen Gesundheit meiner guten treuen Lohrel, die seit mehreren Wochen sehr viel an Engigkeit und Schwäche gelitten – erstaunend viel hat sie schon gebraucht – auch fängt sie jezt ann auszuwerfen – aber abgenommen hat sie außerordentlich – wenn das so fortgeht – kan es wohl bald alle werden – o Gott! stärke mich den Verlust zu tragen die ganze Anstalt würde dabey viel verliehren, und ich in meinem Theil ganz besonders – seit dem sie so viel leidet bin ich ganz munter. Das Bier trinken – das heißt die Woche anderthalb quart – und 2 mahl Abends Thee – bekomt mir recht gut – unser jeziger Arzt könte unmöglich einen Bericht von meinen GesundheitsUmständen abfaßen – er weiß herzlich wenig davon – weil ich nicht so vertraulich mit ihm sprechen kann – und überhaupt auch Swertner ohne Sprache mich ganz ausstudirt hatte – ach wir haben viel an dem treflichen Mann verlohren. |
Die Lobrede auf Lotten wegen meiner Freundtschaft für die Geisler soll sich doch wohl nur auf ihren damaligen Aufenthalt alhier beziehen – da freilich manches Stündchen ihr gewidmet und Lotte dabey verlohr – wäre sie hier geblieben dann hättest Du Recht unsre Lotte wie Du sprichst zu bewundern und zu bemitleiden aber so da die Herrlichkeit höchstens 4 Wochen währte – ist darüber wenig zu sagen – denn Briefe wechsele ich ja auch mit Euch und andern lieben Leuten ohne daß Lotte dabey zu kurz komt – ihr selbst war das alles gar wunderbar und meint – auch beym Wohnen der Geisler alhier hätte sie mir diese neue gewiß weit über ihr stehende unterhaltende Freundin gerne gegönt – und jezt freue sie sich über jeden Brief den ich von ihr bekomme – kurz sie bittet deshalb um Erläuterung – übrigens wäre über diese Geisler und das Basis unsrer Freundtschaft noch manches zu erörtern, was sich aber nicht mit der Feder thun läst – daß ich aber um dieses unerklärbaren willen desto mehr sie liebe und einen ganz eignen zärtlichen Theil an ihr nehme, und nie aufhören werde an sie zu schreiben wenn sie mir nur treu bleibt – ist wohl gewiß – sie schreibt einen vortreflichen Brief dazu ist auch ihre Hand sehr schön, so daß mein Gesudle freilich gewaltig absticht – es ist fast viel daß ich schon 4 Briefe von ihr habe, da sie wirklich wenig Zeit der ganze Tag mit privat Stunden – und der Abend geschloßne Geselschaften wo sie die Lectrice macht – eine inige Freude würde sie über Deine Epistel haben wenn ich sie ihr mittheilen könte – Lotte war über die Beschreibung der GeburtsTagsFeyer samt der Stelle aus dem Oberon ganz staunend und sprachloos – sie ist doch ein seltsames liebes Geschöpf hier fält mir ein, daß Charles tiefe Gefühle am laboratorium nicht ganz ausgebraten worüber ich schon ganz laut gelacht – wiewohl ich dis nicht – ja niemals befürchtet habe – daß Du ihn aber | heilsamlich schütteln – und gleichsam alles in ihm aufregen – daran habe ich nicht gezweifelt – sonderlich aber wie er spricht hast Du ihm wieder Liebe zum Leben, und Friede mit dem Menschen, und gewiß auch Freude an den schuldloosen Spielewerken beigebracht – wofür ich Dir mein Lieber einen herzlichen Dank sage, und Dich bitte fortzufahren in dem guten Werk – ach ich stelle mir eurer Wesen so gar lieblich und traulich vor – daß es mich stark gelüstet das alles mit anzusehen – aber das beherzigen meiner Briefe – das mag schnell gehn – da mags manches crusimuri geben, und mixum – besonders wenn Nahmen und dergleichen vorkomen – wie mags mit dem leztern gewest seyn wer weiß habt ihr Peterswalde herausgekriegt – auf jenen, und diesen hoffe ich doch gewiß dieses Jahr noch Antwort zu bekomen deshalb ich es künftgen PostTag abschike – bitte recht sehr, laßt mich dis Jahr nicht ohne Nachricht von Euch beschließen – gute Nacht ich führe meine Kinder zu Bett.
den 7ten Da habe ich mir nun die Stellen in Woldemar gelesen lieber Charles und finde darin vieles wobey ich an Dich gedacht habe – nur möchte ich mit Dir zanken daß ich mit Henrietten zu vergleichen bin – vors erste kann eine solche hienieden kaum existiren und ich müste völlig blind an meinem ganzen Wesen seyn wenn ich mir etwas davon zueignen solte – hast Du Alwille gelesen – den ich – nicht ihn – sondern den Inhalt des Buchs Woldemar weit vorziehe, nur Schade daß es nicht weiter ausgeführt ist – wie sehr wünschte ich meinen Auszug daraus mit Dir zu lesen – und noch mehr aus Ewald – den Sin, und | die Sinne – wovon ich in meinem leztern erwähnte – wenn doch der Prediger alles anwendete es in die Hände zu bekommen[;] übrigens bin ich ganz damit verstanden, lieber gar nichts als schlechte Waare, zu lesen, oder doch Dinge die bloß zum Zeitvertreib weder das Herz noch den Geist veredlen – so hoffe ich auch daß Du in keine andre Schauspiele gehen, oder besuchen wirst als solche, worin Dinge dargestelt die uns zur Nachahmung edler Thaten reizen, oder doch so viel moral uns für das SittenVerderb unsrer Zeit einen wahren Abscheu beizubringen – bey Anführung des Dominique – hast Du mir sehr alte liebe Zeiten da ich dis Stük noch in Breslau las ins Gedächtniß zurükgerufen. Die Räuber von Schiller kenn ich nicht – bitte schreib mir doch, ob Du oder Friz Cabale und Liebe kenst – welches ich vor 3 Jahren gelesen und schon öfters gewünscht dis Stük recht gut aufführen zu sehn – o es ist prächtig und gehört unter diejenigen, die ich von allen theatralischen Stüken die ich gelesen – gar sehr vorziehe – – die1 Aulock will mir mit der Zeit Don Charlos verschafen von dem ich durch meine Zimmermann und meine Frühauf so viel schönes gehört – wenn mir doch der Prediger wieder eimahl was von Schillers herrlichen Gedichten abschreiben wolte, das wäre ja prächtig – ach eben fält mir ein daß ichs dem Prediger noch nicht ausgericht – daß die Aulock lezt sagte – wenn doch ihr Bruder bald den Besuch wiederholte und ich ihn dann auch gewiß sähe das wäre ja prächtig – – und meine Lotte sagt öfter ach daß ich nun auch Deinen Charles kennen lernte – die Nacht vorher ehe ich Eure Briefe erhielt hat sie von Euch Beiden geträumt. |
Heut schreibe ich zwar in meiner Stube, aber nicht so wie sonst – bei mir, und hinter mir stehen Betten – indem fast 20 Kindern in den Rötheln liegen und wir 5 von den Unsrigen in der Stube haben, 2 liegen oben in der eigentlichen KrankenStube – und gestern hat sich die Aulock ihre Line geholt um sie dort, theils beßer zu pflegen – und auch immer sehen zu können was sie macht – wir haben uns das gern gefallen laßen – nur war es uns ängstlich indem sie schon völlig im heraus komen waren als sie wegfuhr – doch eben jezt war der Herr hier welcher uns meldete daß sie im schönsten Flor stünden – daß eben jezt da ohnedies die Bescheerungen und Feyertage eintreffen diese Krankheit sich eingestelt hat ist mir recht lieb – denn im gewöhnlichen Schulgange hindert es doch gar sehr – da werde ich denn jezt bald da, bald dort seyn – bald hier heben und tragen – The geben – und dergleichen dan wieder in den andern Stuben Schule halten wie es geht – und mit dem neuen Jahre werden wir hoffentlich dan wieder so in Ordnung seyn daß die Betten nicht mehr in der Stube seyn[;] heute ist Sontag und da will mir freilich die neue Scene nicht recht behagen, auch hat meine liebe Arndt ihren GeburtsTag – da hätte ich gern irgend ein kleines Vergnügen gehabt – oder doch recht viel an Sie geschrieben, welches sich aber hier nicht gut thun läst auch habe ich heftiges Kopfweh – und hiemit will ich schließen – die Vorstehern dankt ergebenst für die Besorgung der Scheeren – die ihr recht sehr gefallen – Lotte grüßt herzlich – Aulock bittet um ihr Blatt – und ich recht herzlich um Nachricht vor Ende dieses Jahres Lotte
1ich habe kein Blätchen für die Aulock gefunden – es wird doch nicht außen bleiben