Landsb a. d. W. d. 7ten May 97
Mein lieber Neveu
Wie baufällig man doch wird, wenn man alt wird! Kaum daß ich am vorigen Sonntag die Communion hatte halten können, wobey ich doch nur etlich und 60 Communicanten gehabt – so fand sich NachMittags ein neues Uebel an dem rechten Fuß – die Rose, weshalb ich am Montage – zwar außer Bette, aber doch – den Stuhl nicht verlaßen konnte. Doch war mir der Unterricht unsrer Frauenzimmer eine willkommne Zerstreuung. Dienstag konnte ich, nach dem Gebrauch der Mittel, die mir unser guter Schwarzenberger zu dem ich und meine Frau von Tage zu Tage immer mehr Zutrauen fassen, – verordnet hatte, wieder herum – und sogar in den Garten – gehen. Indeß will ich mich doch ein wenig ausruhen, zumal da nachher Bußtag, Himelfahrt pp[,] und künftigen Sonntag nicht selbst predigen
Bey so bewandten Umständen, da ich noch wenig aus dem Hause gekommen bin, werden Sie von mir eben nicht interessante Neuigkeiten erwarten[.] Daß die [Lion].sche Gesellschaft hier gewesen, und unsere Damen an ihren schönen Luftsprüngen und Pferdekünsten we[id]lich sich ergötzet und einige – namentlich die T[ ]manns keinen Tag auf der Reitbahn gefehlt haben, wird unsre gute Benike Ihnen vielleicht schon geschrieben haben, Vetter Benike hat jetzt bey seinem neuen Posten gar sehr viel zu thun. Ich habe bey dem Herrn Präsidenten von Poser für unseren Sohn einen Urlaub auf ein Jahr ausgewirkt, um während der Zeit bey den hiesigen Stadtgerichten arbeiten zu können, welches wie Herr Benike mir versichert, ihm sehr nüzlich seyn kann |
Sie schrieben mir in ihrem vorletzten daß Becker in Halberstadt cassiret sey – ich wäre doch aber auch wohl begierig den Grund zu wißen vermuthlich wird es wohl moralische Ketzerey, schlechte Aufführung [seyn] Daß Klingebeil und Küster ihre Stellen verwechseln, haben Sie vermuthlich eher gewußt, als ich
In Ansehung der beyliegenden Besoldungsquittungen die Sie zu seiner Zeit wohl gütig besorgen werden, habe ich eine Bedenklichkeit: Wenn nemlich der jetzige Rendant die vorjährigen Quittungen vergleicht, so würde er finden, daß sie gar nicht untereinander stimmen, weil auf das erste Quartal noch von den Schumannschen Erben die 7 rth 12 gr wegen der 30 rth Zulage gehoben worden sind[.] Diese Schwierigkeit habe ich durch ein kleines beygelegtes ProMemoria zu heben gesucht, Sie werden aber wohl mündlich es ihm noch deutlicher machen können
Abends um 6 So eben schickt mir die Benike ihren Brief. David ist voller Freuden, daß Sie doch endlich einmal auch an ihn geschrieben – und will auch gleich ihn beantworten
Herzlich sehr bedaure ich, daß ich – ohne meine Schuld habe die Veranlaßung seyn müßen, daß meine geliebten Freunde sich so alterirt haben und dadurch aufs neue krank geworden sind. So sehr ich dadurch von deren Liebe gegen mich gerührt worden, so nahe geht es mir daß ihre Krankheit dadurch verschlimert, und so herzlich wünsche ich, recht bald Nachricht von ihrer völligen Wiederherstellung zu erhalten |
den 8ten Nur die erste Seite Ihres lieben Briefes habe ich bisher durchlesen können: denn ihre jetzige Dinte ist zwar sehr gut – aber die Schrift sehr eng und klein und meine Augen noch schwach, muß also die fernere Beantwortung bis auf ein andermal versparen. Sie werden vielleicht sagen, daß auch ich auf den vorigen Seiten ziemlich eng geschrieben. Ist wohl wahr – aber ich weiß nicht ob es bey andren schwachen Augen auch – oder den meinigen eigenthümlich ist: daß das Schreiben – auch bey Lichte – mir nicht die geringste Mühe – hingegen gedruckt oder geschriebenes lesen mir sehr viel Anstrengung kostet
Viele herzliche Grüße an ihren lieben Bruder und die beßten Empfehlungen an alle dortigen Gönner und Freunde von
Ihrem aufrichtig getreuen Oheim
Stubenrauch
Mein lieber Neveu
Wie baufällig man doch wird, wenn man alt wird! Kaum daß ich am vorigen Sonntag die Communion hatte halten können, wobey ich doch nur etlich und 60 Communicanten gehabt – so fand sich NachMittags ein neues Uebel an dem rechten Fuß – die Rose, weshalb ich am Montage – zwar außer Bette, aber doch – den Stuhl nicht verlaßen konnte. Doch war mir der Unterricht unsrer Frauenzimmer eine willkommne Zerstreuung. Dienstag konnte ich, nach dem Gebrauch der Mittel, die mir unser guter Schwarzenberger zu dem ich und meine Frau von Tage zu Tage immer mehr Zutrauen fassen, – verordnet hatte, wieder herum – und sogar in den Garten – gehen. Indeß will ich mich doch ein wenig ausruhen, zumal da nachher Bußtag, Himelfahrt pp[,] und künftigen Sonntag nicht selbst predigen
Bey so bewandten Umständen, da ich noch wenig aus dem Hause gekommen bin, werden Sie von mir eben nicht interessante Neuigkeiten erwarten[.] Daß die [Lion].sche Gesellschaft hier gewesen, und unsere Damen an ihren schönen Luftsprüngen und Pferdekünsten we[id]lich sich ergötzet und einige – namentlich die T[ ]manns keinen Tag auf der Reitbahn gefehlt haben, wird unsre gute Benike Ihnen vielleicht schon geschrieben haben, Vetter Benike hat jetzt bey seinem neuen Posten gar sehr viel zu thun. Ich habe bey dem Herrn Präsidenten von Poser für unseren Sohn einen Urlaub auf ein Jahr ausgewirkt, um während der Zeit bey den hiesigen Stadtgerichten arbeiten zu können, welches wie Herr Benike mir versichert, ihm sehr nüzlich seyn kann |
Sie schrieben mir in ihrem vorletzten daß Becker in Halberstadt cassiret sey – ich wäre doch aber auch wohl begierig den Grund zu wißen vermuthlich wird es wohl moralische Ketzerey, schlechte Aufführung [seyn] Daß Klingebeil und Küster ihre Stellen verwechseln, haben Sie vermuthlich eher gewußt, als ich
In Ansehung der beyliegenden Besoldungsquittungen die Sie zu seiner Zeit wohl gütig besorgen werden, habe ich eine Bedenklichkeit: Wenn nemlich der jetzige Rendant die vorjährigen Quittungen vergleicht, so würde er finden, daß sie gar nicht untereinander stimmen, weil auf das erste Quartal noch von den Schumannschen Erben die 7 rth 12 gr wegen der 30 rth Zulage gehoben worden sind[.] Diese Schwierigkeit habe ich durch ein kleines beygelegtes ProMemoria zu heben gesucht, Sie werden aber wohl mündlich es ihm noch deutlicher machen können
Abends um 6 So eben schickt mir die Benike ihren Brief. David ist voller Freuden, daß Sie doch endlich einmal auch an ihn geschrieben – und will auch gleich ihn beantworten
Herzlich sehr bedaure ich, daß ich – ohne meine Schuld habe die Veranlaßung seyn müßen, daß meine geliebten Freunde sich so alterirt haben und dadurch aufs neue krank geworden sind. So sehr ich dadurch von deren Liebe gegen mich gerührt worden, so nahe geht es mir daß ihre Krankheit dadurch verschlimert, und so herzlich wünsche ich, recht bald Nachricht von ihrer völligen Wiederherstellung zu erhalten |
den 8ten Nur die erste Seite Ihres lieben Briefes habe ich bisher durchlesen können: denn ihre jetzige Dinte ist zwar sehr gut – aber die Schrift sehr eng und klein und meine Augen noch schwach, muß also die fernere Beantwortung bis auf ein andermal versparen. Sie werden vielleicht sagen, daß auch ich auf den vorigen Seiten ziemlich eng geschrieben. Ist wohl wahr – aber ich weiß nicht ob es bey andren schwachen Augen auch – oder den meinigen eigenthümlich ist: daß das Schreiben – auch bey Lichte – mir nicht die geringste Mühe – hingegen gedruckt oder geschriebenes lesen mir sehr viel Anstrengung kostet
Viele herzliche Grüße an ihren lieben Bruder und die beßten Empfehlungen an alle dortigen Gönner und Freunde von
Ihrem aufrichtig getreuen Oheim
Stubenrauch