Gnadfrey d 28ten May 1797
Ohngeachtet alles Schweigens um mich her, und eines noch tiefern Schweigens in mir selbst kan ich doch über das außenbleiben der berlinischen Briefe nicht ganz stille seyn – schon seit 2 Posttagen habe ich vergeblich auf das Komen des Postbothens gewartet – heute ist er gar nicht in unserm Hause gewesen; ich glaubte in meinem lezten so viel interressantes gesagt zu haben daß man sich zu einer baldigen Antwort würde aufgeregt fühlen – aber nein – man beschweigt alle diese Nachrichten
Auch heute als den 3ten Juny haben die Berliner noch keine Nachrichten hergesandt – bis heute hatte den lezten Termin gesezt da es morgen ein Jahr da ich nach Stein gieng und mir der Prediger Tages darauf nachkam werden Dieselben etwa diese Feyertage zum Briefschreiben anwenden oder werde ich künftgen Posttag den 2ten Feiertag einen erhalten dan sind es 8 Wochen daß der lezte ankam – wenn eins von Euch Beiden krank wäre so hätte doch wohl der Andre geschrieben – ach! es ist was armseeliges so eine saumseelige Correspondenz – von meiner Seite habt Ihr zwar nicht zu klagen – und fleißiger wäre ich auch an diesem Blatt schon gewesen wenn ich mir nicht so fest vorgenommen hätte – erst eine berlinische Epistel abzuwarten; Siehe das oberste Datum noch an demselben Tage gieng ich nach Kuchendorf – woselbst ich 2 Tage recht angenehm mit den lieben Besizern dieses Dörfchens verlebt. | So ganz nach meinem Wunsche, weder von Seinen noch ihren Verwandten jemand da – schon das Hinfahren mit Lisetten und ihrem herrlichen Moriz war mir äußerst angenehm – ihre zärtliche Besorgniß um den allerliebsten Kleinen unterwegens – und ihre Emsigkeit ihn bey unsrer Ankunft erst wieder ganz in Ordnung zu wißen ehe wir uns unserm Vergnügen überließen – Unser einfaches AbendBrodt unter dem Schatten bejahrter Linden im Hofe, dicht bey dem Garten – der zwar kunstloos aber doch einen fleißigen Gärtner verräth, und einige dunkle Lauben nebst einem schönen Berceau hat – das trauliche nicht einmahl völlig ausgebaute Schlafgemach – aber doch ganz nahe an Lisettens ihrem das zugleich KinderStube ist – und das ganze Wesen morgens und Abends das mir noch gar nicht fremd aus alten Zeiten – o! das war mir recht behaglich! – Den andern Morgen um 8, machten wir Pritwiz mit seinem Weibe und, ich, einen ziemlich langen Spaziergang wobey wir die Gersten und WeizenFelder – den TeichSchlamFang – und Lisettens Flachsfelder in Augenschein nahmen mir alles sehr interressant der neuen Landwirthin wegen die alles das, nicht nur aus Pflicht sondern wirklich mit | Gefühl und Geschmack für das nüzliche und ihrem Wirkungscreise Vortheil bringende, die dabei obliegenden Geschäfte treu verrichtet – mit einer ihr eignen Pünktlichkeit – die mir am folgenden Tage beim Buttermachen, waschen – meßen, und verteufen, welches beides lezteres sie selbst – und nachmals in ihre saubern Bücher wo sich unendliche Rubriquen befinden – alles besonders eintrug – außerordentlich anschaulich wurde.
Den lezten Tag gieng sie – ob es gleich die Nacht vorher und den Tag geregnet doch gegen Abend aufs Feld – um das pflanzen ihres Krautes mit abzuwarten – Pritwiz begleitete sie, und ich blieb da mein Magen mit der Kühlung nicht zufrieden war in der Stube, las zuerst etwas aus den Darstellungen in Rom – die mir vortreflich gefielen – und dan spielte ich mit Moriz von dem ich mich gar nicht trennen konte – gegen 9 aß man erst – und dan verstrich bis 11 uhr der Abend unter ernsten und traulichen Gesprächen recht angenehm; die Guten Lieben – fühlten es wie wohl mir bey ihnen war wie herzlich ich mich ihres Glüks freute – obschon ich öfters ganz laut ausrief ist das meine Lisette! die vorher weder Neigung zur Landwirtschaft noch zu Pritwiz selbst hatte – und nun sich für ihn, und | Er für sie geschaffen zu seyn glaubt – sie leben recht zufrieden gehen recht ungezwungen aber auch äußerst zärtlich mit einander um – so daß, die kleine Hast die sie je zuweilen ergreift sich bald in herzliche Umarmungen und Versicherungen reiner Liebe verwandelt – wie lange habe ich mich bey diesem Besuche aufgehalten – viel habe ich dort an Euch Beide gedacht – und hie und da Euch zu mir gewünscht – – den Montag als ich dort war machten meine Kleinen nächst der 3ten Stube ihre Spaziehrfart nach Peterswalde woselbst sie sehr vergnügt gewesen – es that mir leid dis versäumen zu müßen da ich noch nie mit ihnen gefahren – – vorm Jahre begleitete ich meinen Prediger nach Reichenbach – vor 2 Jahren war ich Tages vorher die Treppe herunter gefallen so, daß ich mich wegen der erlitnen Schmerzen keinesweges auf den LeiterWagen begeben konte – und vor 3 Jahren hatte ich eben das Hinscheiden unsers Seeligen erfahren, daß ich wohl keine Lust zu dieser lärmenden Spaziehrfart empfand – daß ich erst 3 Jahre ganz in der Anstalt bin, ist mir oft unfaßlich denn mir scheints schon sehr lange!
den 10ten Juny 1797
Sehr oft und viel habe die Tage her an die vorm Jahre so angenehm verfloßnen Stunden gedacht – und – vielleicht weil ich gar so viel im Geist mit Euch Beiden gesprochen, meine Feder ganz ruhen laßen auch machte einen die entsezliche schwere Gewitterluft – die sich seit 8 Tagen öfters ihrer incredienzen entlastet, und doch noch nicht ganz geläutert ist – zu allem lesen und schreiben recht untüchtig – das schlimste ist – daß die Gewitter imer Abends kommen, und wir dan mit den Kindern bis tief in die Nacht aufsizen müßen – welches mir äußerst unbehaglich ist – um desto mehr – da ich gar nicht furchtsam und mir es entsezliche Strafe däucht ihr jamern und wunderliches Betragen anzusehen – doch genug hievon – jezt einen recht herzlichen warmen Dank für die schöne Epistel – samt dem alten Briefe von Charles und dem lieblichen kleinen Fragment – daß ich heute endlich berlinische Nachrichten erhalten würde – war mir wohl so gewiß, als der Besuch meiner guten aber doch noch schwachen Aulock – die ich theils deshalb – als auch wegen der Kürze der Zeit nicht recht nach Wunsch genießen konte; sie nahm eben Abschied als ich mit dem lesen derselben beschäftigt war – weswegen ich ihr weiter nichts als die glükliche Ankunft derselben berichten konte – ich hoffe lieber Prediger! Du wirst noch weiter in der Beantwortung meiner Briefe fortfahren | An meiner schnellen Erscheinung in Stein scheinst Du keinen Antheil zu nehmen – desto mehr wird wohl mein Besuch in Kuchendorf interressant seyn – der lange Auffenthalt bey meiner Stegman wird noch sehr weit hinausgeschoben vielleicht gar erst im Herbst je nachdem, meiner guten Lohrel Stelle die nun täglich schwächer wird völlig besezt ist. Diese Woche haben meine guten Pritwizens sich beständig hier aufgehalten ich aber habe sie nur von ferne gesehen – – die Anverwandten Seinerseits aus dem Glogauischen waren zu den Feyertagen hier, wolten gleich nachher nach Kuchendorf – und siehe da – sie blieben noch – da am 2ten Feyertage der alte von der Heide nach etlich wenigen kranken Tagen sanft entschlief, und gestern begraben wurde – heute hatte die OrtsGemeine und Verwandte noch ein GedächtnißLiebesmahl – es war alles recht feierlich – so wohl gestern als Heute – sein Lebenslauf war mir äußerst merkwürdig und erbaulich – ich werde ihn suchen habhaft zu werden – meine gute edle Lisette war gar sehr gerührt – obschon dieser Todesfall wegen der zunehmenden AlterSchwäche längst zu vermuthen war – o! die Herrliche! und ihr prächtiger Junge – den ich leider auch nicht zu sehen bekam so sehr ich darum bat. Ihr wißt doch daß der ehrwürdige Greis Lisettens GroßVater ist? Seidliz war eben in Landek – kam aber mit seinem allerliebsten Weibchen schnell zurük um denen Feyerlichkeiten beizuwohnen |
den 16ten
Wenn Dich lieber Prediger! Dein Gedächtniß nicht ganz verlaßen hat so siehst Du, aus dem, Datum, daß heute Lottens GeburtsTag an dem Du vorm Jahre da Du so neu erst ihre Bekantschaft gemacht lebhaften Theil nahmst — und gewiß auch heute ihr von ganzer Seele alles Gute wünschest – von großen Feyerlichkeiten kan ich Dir nichts melden – heut Nachmittag wird sie mit einem Liebesmahl ihre Kinder und andre gute liebe Menschen erfreuen. Wir Lehrerinen aber – nebst Frize Graff werden erst künftgen Mitwoch, wil’s Gott, eine Nachfeyer haben – also den ganzen Tag, nichts, mit Deiner Lotte? nein – gar nichts als einen herzlichen Händedruk – kein Spiel – kein Lied wozu man singen kann – keinen The – in aller früh erschien ein Bothe – aus Pangel mit einem schönen Brief und eingen Arien von Mathison zum Geschenk; vorigen Mitwoch trank ich bey Lotte solo und machten nachher einen angenehmen Spaziergang – und nach der Stunde – noch einen der nicht absichtlich zu Zimmermann geschah aber doch ganz herrlich ablief und eine unvergeßliche Stunde da zubrachten. Viel habe ich Dir von dem Tage zu sagen; Nachmittags war die Aulock hier um sich mit ihrer Schwester Rosenschanz1 | ein Rendevous zu geben – deshalb wir sie auch nur einen Augenblick genoßen – und sie mir den herzlichsten Dank für die Mittheilung Deiner Briefe sagte – die ich ihr gleich mit dem ersten Boten schikte – die Erzählung von denen berlinischen Schulanstalten haben sie, so wie mich und Lotte unendlich interressirt — und sie wünscht noch mehr davon zu hören – so wie sie eine herzliche Freude über Deinem Beyfall wegen Linens retour, hat, sie wünscht Du möchtest in allen ihren Handlungen wenn sie so offen vor Dir da lägen solchen richtigen Tact finden – es scheint ihr viel daran zu liegen – überhaupt war ihr der ganze Inhalt des Briefes sehr zuträglich so wie auch Lotten und mir – Die veränderte Wohnung scheint uns aber nach Deiner Beschreibung nicht sehr entfernt von der vorigen – und daher Charles nicht so gar näher befriedige doch aber nächstens meine Neugierde! ist jene Lotte – eine Waise? wer waren ihre Eltern? ist ihr Bruder Theologe – und wie alt sind diese inseparables? das FrauenZimer beschäftigt mich oft – ich weis nicht warum – – Sonderbar! daß Du in Lichtenstein oder wies heist mit ihr sein mußtest und noch sonderbahrer daß ich erst in den Feyertagen jene Briefe durchlas – ich habe mich weidlich an jenen Zeilen ergözt |
Hierauf noch etwas von der einzigen herlichen Zimmermann die ich an dem schon erwähnten 14 Juny da ich Abends noch einen Spaziergang mit Lotten machte – die noch nie ausführlich bei ihr gewesen ganz außerordentlich heiter fand – ohngeachtet sie seit 8 Tagen wieder das erstemahl auf war ich habe schon öfters erwähnt daß ich sie dieses Jahr sehr sparsam sehe – und noch nicht so weit erträglich gefunden daß ich ihr etwas vorlesen konte – ihr sprechbares Wesen aber verleitete mich – ihr etwas weniges von Deinen Vergleichungen mit, ihr, und Wedike zu sagen, die mir sehr paßend – ihr aber höchst lächerlich waren. Sie hat mir aufgetragen Dir zu sagen daß sie sich herzlich freue wenn Du noch je zuweilen an sie dächtest – und gar eine Aehnlichkeit mit ihr ausfändest – dies sey ihr sehr tröstlich in dem sie sich schon selbst von allen | MenschenArten ausgestoßen - und so gar keine Kraft in sich fände – sie versichert Dich – daß an dem Ulmenbaum nur noch ein sehr kleiner Sturz sey – daneben manchmahl kleine Zweiglein aufkomen die aber bald wieder in ihr voriges Nichts zurükkehren – bey dem allen sey sie Dir recht herzlich gut – doch müstest Du ihr das ohne viele Betheurungen schlechtweg glauben denn Worte hätte sie nicht – wenn Du einmahl eine Abhandlung von ihr schreiben woltest die ihr erbaulich und tröstlich seyn könte – so wolte sie solche in einer Stunde da sie Kraft zum lesen hätte beherzigen – Du soltest ihr nur solche Zeilen widmen da eine ländliche partie, oder ein feiner Abend Dir in die Quinte gienge – siehe Alles wie sie es selbst gesagt hat. |
Da ich eben an dem kleinen Blätchen schreibe – trit jemand herein, der mir eine | Empfehlung von Pastor Wunster aus Breslau bringt – Herr Relstab aus Berlin | bitte um Erklärung ob dis ein großer Musicus – oder Chirurgus ist – mir sieht er | mehr nach dem ersten aus – eine unsrer Fräulein kent ihn als leztern |
den 18ten Juny
Eben hat es in die Predigt geläutet – und ich bin kaum mit meinem Anzuge fertig – weil ich ganz ungewöhnlich lange gefrühstükt habe – die bevorstehende Trenung mit dem jungen Geschöpf die ich seit meiner treuen Lohrel Abzug bey mir gehabt – veranlaßte solches – diese junge Person – die Du lieber Friz! bey Deinem Besuche nicht gesehn, giebt mann der Schweizerin Descombes – ich hingegen bekomme ihre Gehülfin, die Du oben geschaut hast indem sie eben den Kindern NähSchule hielt – zu der Graf zieht eine Herrenhutern die wohl nach Johany erscheinen wird – und damit dis alles vor ihrer Ankunft en train seyn möge geschieht der Auszug schon morgen, Gott gebe Weisheit und Gnade zu dieser abermahligen neuen Einrichtung. Hier fält mir ich weis selbst nicht warum Mahler ein – der nunmehr von aller seiner großen Activitaet völlig ausruht – er bekam etwa 14 Tage vorher heftiges Seitenstechen – und alle Anzeige einer hizigen Krankheit biß ihn den Tag vor Himelfahrt ein Schlagfluß zu seiner Vollendung reif machte – er selbst hat bald zu Anfang gesagt daß er mit der Schaar der Vollendeten Himelfahrt feiern würde – sein Verlust als SchulMann wird algemein bedauert – der trefliche August der es seinen Aeltern schrieb – wird ihn lange noch als Freund vermißen | Vielleicht habt Ihr schon etwas von diesem TodesFall gehört Er der so manchen heiratslustigen Plan, vielleicht in der Stille entworfen – und sich schon im Anschaun des Eheglükes und der Vorstellung als Vater so glüklich fühlte, wird sich nicht so nahe an der Vernichtung dieser irdischen Wone geglaubt haben. Der Chambellan Tschirsky – hat auch wieder einen jungen Sohn, a propos Herr Prediger! kenst Du einen gewißen Herrn Krautwadel der als FeldPrediger in Oppeln steht – er besuchte lezt mit einem andern Herrn der seine Tochter auf meine Stube giebt Herrn Juske ein Bekanter des Seeligen Vaters der mir mit seiner ihm eignen angenehmen Beredsamkeit sehr wohl behagte – hingegen jener der übrigens stum wie ein Fisch – mir mit seiner höchst satirischen Miene eben so wenig als der Aulock gefiel, mit der beide Herren als ich im Gemeinlogis bey ihr war Bekantschaft machten – also jener unbeweibter Satyriker der von einer unendlichen Höhe herab zu sehen schien – erkundigte sich, ob Du noch in Landsberg stündest – dies war aber alles bitte beantworte mir die Frage – und schreibe hübsch bald Lotte Schade – wird Dich gewiß dazu aufmuntern – was macht die Comtesse Caroline? es grüßt Euch
Lotte
1es gab nehmlich der von Hirsch 4 Schwestern – die 1 heißt noch so – 2te ist die Stuterheim 3te ist die Aulock – 4te ist in der beßern Welt.
Ohngeachtet alles Schweigens um mich her, und eines noch tiefern Schweigens in mir selbst kan ich doch über das außenbleiben der berlinischen Briefe nicht ganz stille seyn – schon seit 2 Posttagen habe ich vergeblich auf das Komen des Postbothens gewartet – heute ist er gar nicht in unserm Hause gewesen; ich glaubte in meinem lezten so viel interressantes gesagt zu haben daß man sich zu einer baldigen Antwort würde aufgeregt fühlen – aber nein – man beschweigt alle diese Nachrichten
Auch heute als den 3ten Juny haben die Berliner noch keine Nachrichten hergesandt – bis heute hatte den lezten Termin gesezt da es morgen ein Jahr da ich nach Stein gieng und mir der Prediger Tages darauf nachkam werden Dieselben etwa diese Feyertage zum Briefschreiben anwenden oder werde ich künftgen Posttag den 2ten Feiertag einen erhalten dan sind es 8 Wochen daß der lezte ankam – wenn eins von Euch Beiden krank wäre so hätte doch wohl der Andre geschrieben – ach! es ist was armseeliges so eine saumseelige Correspondenz – von meiner Seite habt Ihr zwar nicht zu klagen – und fleißiger wäre ich auch an diesem Blatt schon gewesen wenn ich mir nicht so fest vorgenommen hätte – erst eine berlinische Epistel abzuwarten; Siehe das oberste Datum noch an demselben Tage gieng ich nach Kuchendorf – woselbst ich 2 Tage recht angenehm mit den lieben Besizern dieses Dörfchens verlebt. | So ganz nach meinem Wunsche, weder von Seinen noch ihren Verwandten jemand da – schon das Hinfahren mit Lisetten und ihrem herrlichen Moriz war mir äußerst angenehm – ihre zärtliche Besorgniß um den allerliebsten Kleinen unterwegens – und ihre Emsigkeit ihn bey unsrer Ankunft erst wieder ganz in Ordnung zu wißen ehe wir uns unserm Vergnügen überließen – Unser einfaches AbendBrodt unter dem Schatten bejahrter Linden im Hofe, dicht bey dem Garten – der zwar kunstloos aber doch einen fleißigen Gärtner verräth, und einige dunkle Lauben nebst einem schönen Berceau hat – das trauliche nicht einmahl völlig ausgebaute Schlafgemach – aber doch ganz nahe an Lisettens ihrem das zugleich KinderStube ist – und das ganze Wesen morgens und Abends das mir noch gar nicht fremd aus alten Zeiten – o! das war mir recht behaglich! – Den andern Morgen um 8, machten wir Pritwiz mit seinem Weibe und, ich, einen ziemlich langen Spaziergang wobey wir die Gersten und WeizenFelder – den TeichSchlamFang – und Lisettens Flachsfelder in Augenschein nahmen mir alles sehr interressant der neuen Landwirthin wegen die alles das, nicht nur aus Pflicht sondern wirklich mit | Gefühl und Geschmack für das nüzliche und ihrem Wirkungscreise Vortheil bringende, die dabei obliegenden Geschäfte treu verrichtet – mit einer ihr eignen Pünktlichkeit – die mir am folgenden Tage beim Buttermachen, waschen – meßen, und verteufen, welches beides lezteres sie selbst – und nachmals in ihre saubern Bücher wo sich unendliche Rubriquen befinden – alles besonders eintrug – außerordentlich anschaulich wurde.
Den lezten Tag gieng sie – ob es gleich die Nacht vorher und den Tag geregnet doch gegen Abend aufs Feld – um das pflanzen ihres Krautes mit abzuwarten – Pritwiz begleitete sie, und ich blieb da mein Magen mit der Kühlung nicht zufrieden war in der Stube, las zuerst etwas aus den Darstellungen in Rom – die mir vortreflich gefielen – und dan spielte ich mit Moriz von dem ich mich gar nicht trennen konte – gegen 9 aß man erst – und dan verstrich bis 11 uhr der Abend unter ernsten und traulichen Gesprächen recht angenehm; die Guten Lieben – fühlten es wie wohl mir bey ihnen war wie herzlich ich mich ihres Glüks freute – obschon ich öfters ganz laut ausrief ist das meine Lisette! die vorher weder Neigung zur Landwirtschaft noch zu Pritwiz selbst hatte – und nun sich für ihn, und | Er für sie geschaffen zu seyn glaubt – sie leben recht zufrieden gehen recht ungezwungen aber auch äußerst zärtlich mit einander um – so daß, die kleine Hast die sie je zuweilen ergreift sich bald in herzliche Umarmungen und Versicherungen reiner Liebe verwandelt – wie lange habe ich mich bey diesem Besuche aufgehalten – viel habe ich dort an Euch Beide gedacht – und hie und da Euch zu mir gewünscht – – den Montag als ich dort war machten meine Kleinen nächst der 3ten Stube ihre Spaziehrfart nach Peterswalde woselbst sie sehr vergnügt gewesen – es that mir leid dis versäumen zu müßen da ich noch nie mit ihnen gefahren – – vorm Jahre begleitete ich meinen Prediger nach Reichenbach – vor 2 Jahren war ich Tages vorher die Treppe herunter gefallen so, daß ich mich wegen der erlitnen Schmerzen keinesweges auf den LeiterWagen begeben konte – und vor 3 Jahren hatte ich eben das Hinscheiden unsers Seeligen erfahren, daß ich wohl keine Lust zu dieser lärmenden Spaziehrfart empfand – daß ich erst 3 Jahre ganz in der Anstalt bin, ist mir oft unfaßlich denn mir scheints schon sehr lange!
den 10ten Juny 1797
Sehr oft und viel habe die Tage her an die vorm Jahre so angenehm verfloßnen Stunden gedacht – und – vielleicht weil ich gar so viel im Geist mit Euch Beiden gesprochen, meine Feder ganz ruhen laßen auch machte einen die entsezliche schwere Gewitterluft – die sich seit 8 Tagen öfters ihrer incredienzen entlastet, und doch noch nicht ganz geläutert ist – zu allem lesen und schreiben recht untüchtig – das schlimste ist – daß die Gewitter imer Abends kommen, und wir dan mit den Kindern bis tief in die Nacht aufsizen müßen – welches mir äußerst unbehaglich ist – um desto mehr – da ich gar nicht furchtsam und mir es entsezliche Strafe däucht ihr jamern und wunderliches Betragen anzusehen – doch genug hievon – jezt einen recht herzlichen warmen Dank für die schöne Epistel – samt dem alten Briefe von Charles und dem lieblichen kleinen Fragment – daß ich heute endlich berlinische Nachrichten erhalten würde – war mir wohl so gewiß, als der Besuch meiner guten aber doch noch schwachen Aulock – die ich theils deshalb – als auch wegen der Kürze der Zeit nicht recht nach Wunsch genießen konte; sie nahm eben Abschied als ich mit dem lesen derselben beschäftigt war – weswegen ich ihr weiter nichts als die glükliche Ankunft derselben berichten konte – ich hoffe lieber Prediger! Du wirst noch weiter in der Beantwortung meiner Briefe fortfahren | An meiner schnellen Erscheinung in Stein scheinst Du keinen Antheil zu nehmen – desto mehr wird wohl mein Besuch in Kuchendorf interressant seyn – der lange Auffenthalt bey meiner Stegman wird noch sehr weit hinausgeschoben vielleicht gar erst im Herbst je nachdem, meiner guten Lohrel Stelle die nun täglich schwächer wird völlig besezt ist. Diese Woche haben meine guten Pritwizens sich beständig hier aufgehalten ich aber habe sie nur von ferne gesehen – – die Anverwandten Seinerseits aus dem Glogauischen waren zu den Feyertagen hier, wolten gleich nachher nach Kuchendorf – und siehe da – sie blieben noch – da am 2ten Feyertage der alte von der Heide nach etlich wenigen kranken Tagen sanft entschlief, und gestern begraben wurde – heute hatte die OrtsGemeine und Verwandte noch ein GedächtnißLiebesmahl – es war alles recht feierlich – so wohl gestern als Heute – sein Lebenslauf war mir äußerst merkwürdig und erbaulich – ich werde ihn suchen habhaft zu werden – meine gute edle Lisette war gar sehr gerührt – obschon dieser Todesfall wegen der zunehmenden AlterSchwäche längst zu vermuthen war – o! die Herrliche! und ihr prächtiger Junge – den ich leider auch nicht zu sehen bekam so sehr ich darum bat. Ihr wißt doch daß der ehrwürdige Greis Lisettens GroßVater ist? Seidliz war eben in Landek – kam aber mit seinem allerliebsten Weibchen schnell zurük um denen Feyerlichkeiten beizuwohnen |
den 16ten
Wenn Dich lieber Prediger! Dein Gedächtniß nicht ganz verlaßen hat so siehst Du, aus dem, Datum, daß heute Lottens GeburtsTag an dem Du vorm Jahre da Du so neu erst ihre Bekantschaft gemacht lebhaften Theil nahmst — und gewiß auch heute ihr von ganzer Seele alles Gute wünschest – von großen Feyerlichkeiten kan ich Dir nichts melden – heut Nachmittag wird sie mit einem Liebesmahl ihre Kinder und andre gute liebe Menschen erfreuen. Wir Lehrerinen aber – nebst Frize Graff werden erst künftgen Mitwoch, wil’s Gott, eine Nachfeyer haben – also den ganzen Tag, nichts, mit Deiner Lotte? nein – gar nichts als einen herzlichen Händedruk – kein Spiel – kein Lied wozu man singen kann – keinen The – in aller früh erschien ein Bothe – aus Pangel mit einem schönen Brief und eingen Arien von Mathison zum Geschenk; vorigen Mitwoch trank ich bey Lotte solo und machten nachher einen angenehmen Spaziergang – und nach der Stunde – noch einen der nicht absichtlich zu Zimmermann geschah aber doch ganz herrlich ablief und eine unvergeßliche Stunde da zubrachten. Viel habe ich Dir von dem Tage zu sagen; Nachmittags war die Aulock hier um sich mit ihrer Schwester Rosenschanz1 | ein Rendevous zu geben – deshalb wir sie auch nur einen Augenblick genoßen – und sie mir den herzlichsten Dank für die Mittheilung Deiner Briefe sagte – die ich ihr gleich mit dem ersten Boten schikte – die Erzählung von denen berlinischen Schulanstalten haben sie, so wie mich und Lotte unendlich interressirt — und sie wünscht noch mehr davon zu hören – so wie sie eine herzliche Freude über Deinem Beyfall wegen Linens retour, hat, sie wünscht Du möchtest in allen ihren Handlungen wenn sie so offen vor Dir da lägen solchen richtigen Tact finden – es scheint ihr viel daran zu liegen – überhaupt war ihr der ganze Inhalt des Briefes sehr zuträglich so wie auch Lotten und mir – Die veränderte Wohnung scheint uns aber nach Deiner Beschreibung nicht sehr entfernt von der vorigen – und daher Charles nicht so gar näher befriedige doch aber nächstens meine Neugierde! ist jene Lotte – eine Waise? wer waren ihre Eltern? ist ihr Bruder Theologe – und wie alt sind diese inseparables? das FrauenZimer beschäftigt mich oft – ich weis nicht warum – – Sonderbar! daß Du in Lichtenstein oder wies heist mit ihr sein mußtest und noch sonderbahrer daß ich erst in den Feyertagen jene Briefe durchlas – ich habe mich weidlich an jenen Zeilen ergözt |
Hierauf noch etwas von der einzigen herlichen Zimmermann die ich an dem schon erwähnten 14 Juny da ich Abends noch einen Spaziergang mit Lotten machte – die noch nie ausführlich bei ihr gewesen ganz außerordentlich heiter fand – ohngeachtet sie seit 8 Tagen wieder das erstemahl auf war ich habe schon öfters erwähnt daß ich sie dieses Jahr sehr sparsam sehe – und noch nicht so weit erträglich gefunden daß ich ihr etwas vorlesen konte – ihr sprechbares Wesen aber verleitete mich – ihr etwas weniges von Deinen Vergleichungen mit, ihr, und Wedike zu sagen, die mir sehr paßend – ihr aber höchst lächerlich waren. Sie hat mir aufgetragen Dir zu sagen daß sie sich herzlich freue wenn Du noch je zuweilen an sie dächtest – und gar eine Aehnlichkeit mit ihr ausfändest – dies sey ihr sehr tröstlich in dem sie sich schon selbst von allen | MenschenArten ausgestoßen - und so gar keine Kraft in sich fände – sie versichert Dich – daß an dem Ulmenbaum nur noch ein sehr kleiner Sturz sey – daneben manchmahl kleine Zweiglein aufkomen die aber bald wieder in ihr voriges Nichts zurükkehren – bey dem allen sey sie Dir recht herzlich gut – doch müstest Du ihr das ohne viele Betheurungen schlechtweg glauben denn Worte hätte sie nicht – wenn Du einmahl eine Abhandlung von ihr schreiben woltest die ihr erbaulich und tröstlich seyn könte – so wolte sie solche in einer Stunde da sie Kraft zum lesen hätte beherzigen – Du soltest ihr nur solche Zeilen widmen da eine ländliche partie, oder ein feiner Abend Dir in die Quinte gienge – siehe Alles wie sie es selbst gesagt hat. |
Da ich eben an dem kleinen Blätchen schreibe – trit jemand herein, der mir eine | Empfehlung von Pastor Wunster aus Breslau bringt – Herr Relstab aus Berlin | bitte um Erklärung ob dis ein großer Musicus – oder Chirurgus ist – mir sieht er | mehr nach dem ersten aus – eine unsrer Fräulein kent ihn als leztern |
den 18ten Juny
Eben hat es in die Predigt geläutet – und ich bin kaum mit meinem Anzuge fertig – weil ich ganz ungewöhnlich lange gefrühstükt habe – die bevorstehende Trenung mit dem jungen Geschöpf die ich seit meiner treuen Lohrel Abzug bey mir gehabt – veranlaßte solches – diese junge Person – die Du lieber Friz! bey Deinem Besuche nicht gesehn, giebt mann der Schweizerin Descombes – ich hingegen bekomme ihre Gehülfin, die Du oben geschaut hast indem sie eben den Kindern NähSchule hielt – zu der Graf zieht eine Herrenhutern die wohl nach Johany erscheinen wird – und damit dis alles vor ihrer Ankunft en train seyn möge geschieht der Auszug schon morgen, Gott gebe Weisheit und Gnade zu dieser abermahligen neuen Einrichtung. Hier fält mir ich weis selbst nicht warum Mahler ein – der nunmehr von aller seiner großen Activitaet völlig ausruht – er bekam etwa 14 Tage vorher heftiges Seitenstechen – und alle Anzeige einer hizigen Krankheit biß ihn den Tag vor Himelfahrt ein Schlagfluß zu seiner Vollendung reif machte – er selbst hat bald zu Anfang gesagt daß er mit der Schaar der Vollendeten Himelfahrt feiern würde – sein Verlust als SchulMann wird algemein bedauert – der trefliche August der es seinen Aeltern schrieb – wird ihn lange noch als Freund vermißen | Vielleicht habt Ihr schon etwas von diesem TodesFall gehört Er der so manchen heiratslustigen Plan, vielleicht in der Stille entworfen – und sich schon im Anschaun des Eheglükes und der Vorstellung als Vater so glüklich fühlte, wird sich nicht so nahe an der Vernichtung dieser irdischen Wone geglaubt haben. Der Chambellan Tschirsky – hat auch wieder einen jungen Sohn, a propos Herr Prediger! kenst Du einen gewißen Herrn Krautwadel der als FeldPrediger in Oppeln steht – er besuchte lezt mit einem andern Herrn der seine Tochter auf meine Stube giebt Herrn Juske ein Bekanter des Seeligen Vaters der mir mit seiner ihm eignen angenehmen Beredsamkeit sehr wohl behagte – hingegen jener der übrigens stum wie ein Fisch – mir mit seiner höchst satirischen Miene eben so wenig als der Aulock gefiel, mit der beide Herren als ich im Gemeinlogis bey ihr war Bekantschaft machten – also jener unbeweibter Satyriker der von einer unendlichen Höhe herab zu sehen schien – erkundigte sich, ob Du noch in Landsberg stündest – dies war aber alles bitte beantworte mir die Frage – und schreibe hübsch bald Lotte Schade – wird Dich gewiß dazu aufmuntern – was macht die Comtesse Caroline? es grüßt Euch
Lotte
1es gab nehmlich der von Hirsch 4 Schwestern – die 1 heißt noch so – 2te ist die Stuterheim 3te ist die Aulock – 4te ist in der beßern Welt.