Landsb. d. 11ten Septb 97
Nun geht es, lieber Neveu, ja einmal wieder recht rasch in unserer Correspondenz. Ich hatte es zwar wohl erwartet, daß Sie mir von der Wahl und wie dieselbe ausgefallen, Nachricht geben würden, und in dieser Voraussetzung auch in meinem gestern abgelaßenen nicht einmal daran erinnert, aber daß Sie es sogleich thun würden, das hatte ich – in der That nicht erwartet, und um desto mehr bin ich Ihnen verbunden, daß Sie durch ihr heute erhaltenes Schreiben – besonders die Neugier der Mama – so schnell befriediget haben[.] Da ich Herrn Gillet wegen seines mir noch in Halle bekannt gewordenen guten moralischen Charakters hochschätze, und die beyden andren Competenten mir als Sohn und Schwiegersohn meines verstorbenen Freundes werth sind, so wußte ich selbst nicht, wem von diesen dreyen ich die Stelle am liebsten wünschen sollte[.] Daß indeßen sowohl vor der Wahl in Berlin die Aufmerksamkeit sehr gespannt gewesen als nachher des Redens darüber sehr viel gewesen – und auch noch wohl eine gute Zeit hin – seyn werde, glaube ich sehr gern – ob aber der Herr Pischon durch das allerdings sehr schmeichelhafte Compliment unsres Chefs – wegen fehlgeschlagener Hoffnung – hinlänglich entschädiget seyn dürfte, stehet dahin
Unser lieber Herr Sack hat also seinen Vorsatz richtig ausgeführt wie gern hätte ich da Zuhörer seyn mögen – aber möchten Sie mir doch nun auch bald wegen seines Schwindels einige beruhigende Nachrichten schreiben können. |
Nun muß ich Ihnen doch auch etwas von meiner Lecture schreiben, ich habe hier jetzt ein Buch geliehen, woraus ich der Mama auch manches vorlese[.] Ich weiß nicht ob es Ihnen auch vielleicht zu Gesicht gekommen[.] Der Titel ist etwas sonderbar „Sammlung erbaulicher Gedichte pp mitunter ein Zuchtspiegel für die politischen Vampyre, wie auch ein Noth- und Hülfsbüchlein für alle, welche von ihnen widerrechtlich geplagt werden, gesammelt und herausgegeben von dem Verfasser der Briefe eines preußischen Augenzeugen über die Feldzüge des Herzogs von Braunschweig Altona 796“. Die Gedichte sind theils von Pfeffel, Schubart u a. theils aus den Horen, Terpsichore und mehreren der neuesten Zeitschriften. Was aber dem Verfasser eigen, ist die über 100 Seiten lange Vorrede indem er sich als Feind aller Despotie von welcher Art sie immer seyn möge – ziemlich stark charakterisirt. Mir ists als hätte ich vormals schon gewußt, wer jener Verfasser der Briefe sey, von denen ich verschiedne Recensionen – auch von der von einem andern widerrechtlich herausgegebenen Fortsetzung derselben – gelesen zu haben mich erinnere. Ich rechne darauf, daß Sie vielleicht werden meinem, besonders in Namen – etwas schwaches Gedächtniß werden zu Hülfe komen, wenn Ihnen anders bekannt ist, wer der Verfasser jener Briefe
An meinem GeburtsTage hatte ich einen gar besondren Besuch[.] Es komt ein Mann, der mir ein ziemlich jüdisches Ansehen hatte, mit vielen Complimenten von Herrn Obristen von Münchow, er käme von | Crossen, nach weiteren Erkundigungen war es ein Prof. LL.OO der in Maynz alles eingebüßet, und von unserem Könige die gnädige Versicherung einer weiteren Versorgung erhalten, er nennt sich Fromm aus Stargard gebürtig. Mir ists als ob ich vor vielen Jahren von einem Proselyten dieses Namens gehört und gelesen hätte[.] Nachdem er vieles von seinen Reisen – auf fast allen deutschen Universitäten – und auch nach der Schweitz wo er von dem lieben Lavater liebreich aufgenomen und unterstützet worden – auch von Mademoiselle Rudolphi in Hamburg erzählet, war sein eigentliches Ansuchen – eine Collecte, worauf ich mich gar nicht einlaßen konnte – noch wollte[.] Vielleicht haben Sie auch dort von diesem Manne gehört, denn er will auch vor kurzem da gewesen und durch den lieben H zu Minister von Woellner geführt seyn, der ihm auch bald 200 rth WarteGeld habe anweisen laßen, und aufs neue Hoffnung gemacht, daß er in Francfurt angestellet werden sollte
So weit für diesmal, denn nun fangen meine Augen an wehe zu thun, auch ruft der Wächter – Also Gute Nacht!
den 15ten Da schickt mir eben unsere gute Benike durch ihre Emilie einen Brief den sie von ihrem Schwager Culemann aus Berlin erhalten, worin er das Urtheil über den Coeler meldet. Freilich doch noch glimpflicher, als man es vermuthet hatte – aber ob durch dergleichen Züchtigungen auch wirkliche Beßerung bewirket werde – oder ob nach der gewöhnlichen Beschaffenheit solcher Menschen es auch nur zu vermuthen sey, bleibt mir immer noch sehr unwahrscheinlich – Also bleibt denn wohl die andre Absicht der Strafen – die Abschreckung Anderer – hier wohl nur die einzig denkbare. Ob Sie den Herrn Vetter Culemann gesprochen haben weiß ich nicht, wahrscheinlich werde ich ihn künftigen Monat hier kennen lernen, schade ist es, daß er seine Frau nicht mitbringt; aber freilich bey einer so zahlreichen Familie als sie hat, ging dies wohl nicht gut an. |
den 17ten Mit vieler Theilnehmung habe ich von unserer Benike gehört daß ihre gute Schwester aufs neue kränkle, aber was eigentlich ihre Krankheit sey wußte sie mir nicht zu sagen, so wie sie mir auch den Ort nicht nennen konnte, wohin ihr lieber Bruder gegangen, nur sagte sie daß es sehr weit von hier[.] Ueber beyde Stücke erwarte ich nähere Nachrichten von Ihnen
Nun noch eine Bitte: Sie sind schon einmal so gütig gewesen und haben mir Schillers Lied an die Freude – noch in Drossen – abgeschrieben; dies habe ich verloren, habe es wenigstens nach vierteljährigen Suchen nicht wieder finden können; wollten Sie wohl die Güte haben es mir noch einmal abzuschreiben – Es ist doch von Schiller, wenn Sie sich erinnern, so sangen Sie es vorm Jahr als wir zusamen zum leztenmal in Grahlow waren mit dem Feldprediger der auf dem Clavier es spielte. Der gute Baethge kann sich imer von seiner Krankheit noch nicht erholen wenigstens lange nicht so ganz und so glüklich, als ich mich Gott sey Dank! erholet habe.
Hier hat mein Herr Sohn einen Bok gemacht, und Rechnung von dem Büllchschen Amt darauf geschmiert, weil man Papier nicht genug für ihn hüten kann[.] Er läßt sich Ihnen bestens empfehlen
Leben Sie recht wohl vielmals gegrüßt von Mama und von Ihrem aufrichtig sie liebenden Oheim
St.
Nun geht es, lieber Neveu, ja einmal wieder recht rasch in unserer Correspondenz. Ich hatte es zwar wohl erwartet, daß Sie mir von der Wahl und wie dieselbe ausgefallen, Nachricht geben würden, und in dieser Voraussetzung auch in meinem gestern abgelaßenen nicht einmal daran erinnert, aber daß Sie es sogleich thun würden, das hatte ich – in der That nicht erwartet, und um desto mehr bin ich Ihnen verbunden, daß Sie durch ihr heute erhaltenes Schreiben – besonders die Neugier der Mama – so schnell befriediget haben[.] Da ich Herrn Gillet wegen seines mir noch in Halle bekannt gewordenen guten moralischen Charakters hochschätze, und die beyden andren Competenten mir als Sohn und Schwiegersohn meines verstorbenen Freundes werth sind, so wußte ich selbst nicht, wem von diesen dreyen ich die Stelle am liebsten wünschen sollte[.] Daß indeßen sowohl vor der Wahl in Berlin die Aufmerksamkeit sehr gespannt gewesen als nachher des Redens darüber sehr viel gewesen – und auch noch wohl eine gute Zeit hin – seyn werde, glaube ich sehr gern – ob aber der Herr Pischon durch das allerdings sehr schmeichelhafte Compliment unsres Chefs – wegen fehlgeschlagener Hoffnung – hinlänglich entschädiget seyn dürfte, stehet dahin
Unser lieber Herr Sack hat also seinen Vorsatz richtig ausgeführt wie gern hätte ich da Zuhörer seyn mögen – aber möchten Sie mir doch nun auch bald wegen seines Schwindels einige beruhigende Nachrichten schreiben können. |
Nun muß ich Ihnen doch auch etwas von meiner Lecture schreiben, ich habe hier jetzt ein Buch geliehen, woraus ich der Mama auch manches vorlese[.] Ich weiß nicht ob es Ihnen auch vielleicht zu Gesicht gekommen[.] Der Titel ist etwas sonderbar „Sammlung erbaulicher Gedichte pp mitunter ein Zuchtspiegel für die politischen Vampyre, wie auch ein Noth- und Hülfsbüchlein für alle, welche von ihnen widerrechtlich geplagt werden, gesammelt und herausgegeben von dem Verfasser der Briefe eines preußischen Augenzeugen über die Feldzüge des Herzogs von Braunschweig Altona 796“. Die Gedichte sind theils von Pfeffel, Schubart u a. theils aus den Horen, Terpsichore und mehreren der neuesten Zeitschriften. Was aber dem Verfasser eigen, ist die über 100 Seiten lange Vorrede indem er sich als Feind aller Despotie von welcher Art sie immer seyn möge – ziemlich stark charakterisirt. Mir ists als hätte ich vormals schon gewußt, wer jener Verfasser der Briefe sey, von denen ich verschiedne Recensionen – auch von der von einem andern widerrechtlich herausgegebenen Fortsetzung derselben – gelesen zu haben mich erinnere. Ich rechne darauf, daß Sie vielleicht werden meinem, besonders in Namen – etwas schwaches Gedächtniß werden zu Hülfe komen, wenn Ihnen anders bekannt ist, wer der Verfasser jener Briefe
An meinem GeburtsTage hatte ich einen gar besondren Besuch[.] Es komt ein Mann, der mir ein ziemlich jüdisches Ansehen hatte, mit vielen Complimenten von Herrn Obristen von Münchow, er käme von | Crossen, nach weiteren Erkundigungen war es ein Prof. LL.OO der in Maynz alles eingebüßet, und von unserem Könige die gnädige Versicherung einer weiteren Versorgung erhalten, er nennt sich Fromm aus Stargard gebürtig. Mir ists als ob ich vor vielen Jahren von einem Proselyten dieses Namens gehört und gelesen hätte[.] Nachdem er vieles von seinen Reisen – auf fast allen deutschen Universitäten – und auch nach der Schweitz wo er von dem lieben Lavater liebreich aufgenomen und unterstützet worden – auch von Mademoiselle Rudolphi in Hamburg erzählet, war sein eigentliches Ansuchen – eine Collecte, worauf ich mich gar nicht einlaßen konnte – noch wollte[.] Vielleicht haben Sie auch dort von diesem Manne gehört, denn er will auch vor kurzem da gewesen und durch den lieben H zu Minister von Woellner geführt seyn, der ihm auch bald 200 rth WarteGeld habe anweisen laßen, und aufs neue Hoffnung gemacht, daß er in Francfurt angestellet werden sollte
So weit für diesmal, denn nun fangen meine Augen an wehe zu thun, auch ruft der Wächter – Also Gute Nacht!
den 15ten Da schickt mir eben unsere gute Benike durch ihre Emilie einen Brief den sie von ihrem Schwager Culemann aus Berlin erhalten, worin er das Urtheil über den Coeler meldet. Freilich doch noch glimpflicher, als man es vermuthet hatte – aber ob durch dergleichen Züchtigungen auch wirkliche Beßerung bewirket werde – oder ob nach der gewöhnlichen Beschaffenheit solcher Menschen es auch nur zu vermuthen sey, bleibt mir immer noch sehr unwahrscheinlich – Also bleibt denn wohl die andre Absicht der Strafen – die Abschreckung Anderer – hier wohl nur die einzig denkbare. Ob Sie den Herrn Vetter Culemann gesprochen haben weiß ich nicht, wahrscheinlich werde ich ihn künftigen Monat hier kennen lernen, schade ist es, daß er seine Frau nicht mitbringt; aber freilich bey einer so zahlreichen Familie als sie hat, ging dies wohl nicht gut an. |
den 17ten Mit vieler Theilnehmung habe ich von unserer Benike gehört daß ihre gute Schwester aufs neue kränkle, aber was eigentlich ihre Krankheit sey wußte sie mir nicht zu sagen, so wie sie mir auch den Ort nicht nennen konnte, wohin ihr lieber Bruder gegangen, nur sagte sie daß es sehr weit von hier[.] Ueber beyde Stücke erwarte ich nähere Nachrichten von Ihnen
Nun noch eine Bitte: Sie sind schon einmal so gütig gewesen und haben mir Schillers Lied an die Freude – noch in Drossen – abgeschrieben; dies habe ich verloren, habe es wenigstens nach vierteljährigen Suchen nicht wieder finden können; wollten Sie wohl die Güte haben es mir noch einmal abzuschreiben – Es ist doch von Schiller, wenn Sie sich erinnern, so sangen Sie es vorm Jahr als wir zusamen zum leztenmal in Grahlow waren mit dem Feldprediger der auf dem Clavier es spielte. Der gute Baethge kann sich imer von seiner Krankheit noch nicht erholen wenigstens lange nicht so ganz und so glüklich, als ich mich Gott sey Dank! erholet habe.
Hier hat mein Herr Sohn einen Bok gemacht, und Rechnung von dem Büllchschen Amt darauf geschmiert, weil man Papier nicht genug für ihn hüten kann[.] Er läßt sich Ihnen bestens empfehlen
Leben Sie recht wohl vielmals gegrüßt von Mama und von Ihrem aufrichtig sie liebenden Oheim
St.