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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb a d W. d. 4ten Jan. 98.
Daß ich Ihnen diesmal lieber Neveu etwas lange nicht geantwortet werden Sie mit dem Feste bestens entschuldigen[.] Gern hätte ich schon eher für die Pains d’epices und den Almanac françois die sehr gut hier angekomen sind und ungefährdet, gedanket; Ihr dazu gehöriger Brief der kurze – kam in Begleitung zweyer andern a) von Obrist von Münchow und b.) von Herrn Arend mit 7 rth Collecten, die mir denn keine gar besondere Weynachtsfreude machten Auch Ihren ausführlichem mit der reitenden Post habe richtig erhalten und danke Ihnen so wie für die ausführlichen Anweisungen unsern Doniges betreffend, so auch insbesondre für die mancherley Nachrichten und Anecdoten[.] Da ich den EhrenMann Genz nur aus einem Ihrer vorigen Briefe dem Namen nach kannte so werden Sie es mir nicht verüblen daß ich denselben mit dem Namen Ihres Freundes beehret, den er wie ich nun ex post sehe, freilich gar nicht verdienet. Sie vermuthen in Ihrem Brief an Emilien ganz recht, daß das uns überschikte sehr wohl und richtig angekomen – weiß also nicht, was für ein besonderes Schiksal gewaltet über jener Puppe habe auch alles Nachforschens ungeachtet nicht erfahren können wo selbige sich während ihres Außenbleibens aufgehalten, nur vermuthe ich daß sie – durch eine Nachläßigkeit des Post-Officianten – nach Driesen oder noch etwas weiter herauf gerathen seyn müße[.] Nur muß ich betreffend die Einpackerin noch bemerken, daß unsere Pfefferkuchen sich mit dem Almanach und den andern Schriftchen ganz wohl vertragen – jene Puppe aber, weil es an Baumwolle gefehlet, sich das Näschen und die Knie wacker zerstoßen habe – doch das hat die Benike vermuthlich auch schon in einem klagenden Tone angezeiget |
Das Gepoltere pp hat meine Neugier keineswegs befriedigt es ist doch gar sonderbar, daß in unserm, seiner mehreren Cultur wegen, so gerühmten ZeitAlter unsere Gelehrten sich ärger wie die Fischweiber heruntermachen[.] Zwar scheint Herr Kosmann ein gar sonderbares Kräutlein das in alle Sachen sich mengt. Ihnen ist vielleicht das ganze nächtliche Gepolter – das freilich wohl an sich nicht wichtig, gar nicht so interessant gewesen, daß Sie Sich um die endliche Auflösung bekümmert haben; Allein in unsern Tagen, wo durch die vielen Feen- und GeisterErzählungen es in so manchen Köpfen treflich spukt, dürfte es doch wohl der Mühe werth seyn, solche GepolterGeschichten ganz aufs reine zu bringen
den 5ten
Da lese ich eben in der hamburgischen Zeitung, daß an des verstorbenen Pauli Stelle Herr Scheifler aus Schwedt nach Hamburg kommt. Die Stelle in Schwedt ist sonst immer, da Schwedt die Apanage eines brandenburgischen MarkGrafen gewesen, von solchem besetzt worden. Wird nun die Wittwe des verstorbnen Prinzen Ludwig noch gleiche Rechte üben? oder wissen Sie etwa sonst wer diese Stelle erhalten wird?
Mit der von Ihnen übersetzten Predigt haben Sie mir ein sehr angenehmes Geschenk – aber auch um desto begieriger nach der ganzen Samlung gemacht In Tellers Predigt ist mir der Ausdruck „Gott habe beschloßen die Völker Europas durcheinander zu rütteln“ stark aufgefallen. Nun wünschte ich auch wohl unseres Saks Gedächtnißpredigt dagegenzulesen |
Die von unserem Könige eigenhändig aufgesetzte Ordre an die Departements Chefs und Praesidenten von der Sie lezt schrieben, ist doch vermuthlich eben diejenige die vor etwa 8 Tagen in der hamburgerischen Zeitung und hoffentlich wird sie doch auch den UnterGerichten – um sich für Schaden zu hüten – communicirt werden.
Eben ruft mir Mama zu, daß ich doch ja auch in ihrem Namen für gütige Besorgung der Pains d’epices die sich recht gut hat schmecken laßen – und des Almanac françois den sie schon recht fleißig studiert und dicht an ihrem Bette aufgehängt hat, danken solle, welches denn hiedurch beßtens befolgt wird Der Emilie haben Sie eine recht große Freude mit der brandenburgischen Geschichte gemacht ich laße solche jetzt hier von den Kleinen gemeinschaftlich lesen und mir selbst ist es lieb, daß ich den Hartung dadurch von seiner schriftstellerischen Seite kennen lerne
Wenn Sie Genz Brief an den König – nicht wieder vergessen, so schicken Sie ihn mir doch mit der Sackschen Predigt die ich gewiß erwarte. So eben da ich Ihren Brief noch einmal durchlese und auf das sonderbare Benehmen des Woellner treffe, fällt mir durch eine gar sonderbare IdeenAssociation das Gedicht von D. Friedrich Gedicke welches ich diesen Morgen in den Zeitungen las, ein – da mir die Thüren und Thore von Erz „die nun nicht mehr den Bürger zurükhalten“ auch etwas auffielen |
Bey Ihrem neuen Hausgenoßen haben Sie vergessen zu schreiben welchem Fache er sich widme[.] Nur Schade, daß Sie diesen so angenehmen Gesellschafter so bald wieder verlieren sollen
Daß Sie in Weynachten 5mal gepredigt, ist doch etwas zu arg. Vermuthlich auch im Dom – denn Herr Conrad der ältere soll ja sehr anbrüchig seyn Daß unser guter lieber Vetter Reinhardt seinen 80ten GeburtsTag glüklich gefeiert freuet uns allen herzlich[.] Sie vergessen doch nicht, wenn – und so oft – Sie ihn sehen, ihm und auch der guten Cousine Charlotte, die doch wohl noch bey ihm seyn wird recht viele herzliche Empfehlungen und die aufrichtigste Theilnahme zu versichern
den 6ten
Haben Sie denn dort auch solche sonderbare veränderiche Witterung[?] Hier wissen sich die ältesten Leute dergleichen schnelle Abwechslung von Frost auf Thauwetter und umgekehrt – nicht zu erinnern. Wir sind gottlob ziemlich gesund – bis auf ein wenig Husten und Schnupfen, welches jetzt hier die Mode so mit sich bringt, und wir müssen ja doch immer alle neue Moden mitmachen
Thun Sie das doch ja nicht, bleiben Sie hübsch gesund, und stets heiter und vergnügt[.] Dies ist ja wohl das beßte was wir Ihnen zum Neuen Jahr wünschen können[.] Ich bin jederzeit
Ihr aufrichtig Sie liebender Oheim
Stubenrauch.
Metadata Concerning Header
  • Date: 4. bis 6. Januar 1798
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 244‒249.

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