Berlin d 23t. May 1798.
Das heißt freilich nicht noch im Monat Merz schreiben; aber für diesmal bin ich was jenes Versprechen betrift und überhaupt über diesen langen Aufschub gar sehr zu entschuldigen. Wo ich nicht sehr irre habe ich Dir schon in meinem lezten Briefe von den Gräfinnen Finckensteins geschrieben, den Cousinen der Dohna’s, die ich im Winter hier kennen lernte. Eltern und Kinder baten mich sehr freundschaftlich daß ich sie doch im Sommer auf ihrem Gute besuchen möchte; aber es hat nicht bis zum Sommer gewährt. Wilhelm Dohna den Liebe zur zweiten Gräfin – die ihn aber nicht erhört hat – gewaltig antrieb, reiste schon in der lezten Hälfte des Merz hin, und ließ mir keine Ruhe, ich mußte die Reise mit ihm machen. Wir hatten hier schon schöne Frühlingstage gehabt; aber als wir am 19ten Merz nach Madliz reisten brachten wir den ganzen Winter wieder mit, und er dauerte auch so lange wir dort waren, d. h. bis zum 28ten. Von dem schönen englischen Garten der da ist habe ich also wenig genießen können, desto mehr aber habe ich mich an dem freundlichen Umgang der Familie und an der göttlichen Musik ergözt. Zwei von den Gräfinnen singen den Diskant und die dritte den Alt, der eine Bruder den Tenor und einer den Baß und so können sie also – da sie auch sämtlich gut Klavier spielen, die schönsten Sachen ganz vollständig aufführen. Sie haben mir nicht nur viel alte sehr sublime italienische Kirchenmusik zum Besten gegeben sondern mir Stükweise die ganze Gluksche Alceste vorgesungen und an meinem Sinn für das was ihnen das liebste ist große Freude gehabt. Ich habe ihnen versprochen im Sommer wiederzukommen, und nun die Akazien blühen, deren sie in ihrem Garten so viele haben thut es mir sehr leid daß ich mein Wort nicht halten kann. Die große Entfernung aller adlichen Grillen, das griechische Studium des Vaters die natürliche Freundlichkeit der Mädchen, das interessante Gemüth der zweiten und die himmlische Kunst haben mir diese Familie sehr werth gemacht. Ich erwartete daß schon während meines Aufenthalts in Madliz Karl aus Westfalen ankommen würde, und hatte Anstalten getroffen daß mir auf diesen Fall sogleich ein Wagen geschikt würde – er kam aber erst am Abend Deines Geburtstages, und ich hatte den Schmerz daß vorher noch hier die gute Veit an einer innern Entzündung tödtlich krank wurde. Wir haben alle viel Noth gehabt, denn auch nachdem sie außer aller Gefahr war, welches freilich | Dank sei es Herzens medicinischer Kunst in wenig Tagen der Fall war hatte sie mehrere Wochen lang die heftigsten Schmerzen und mußte besonders des Nachts sehr sorgfältig gewartet werden. Wir haben abwechselnd bei ihr gewacht und sie gepflegt. Daß Karl grade in der übelsten Periode dieser Krankheit herkam hat meine Freude an ihm etwas gestört. Seine Erzählungen noch mehr als seine Briefe machten mich herzlich dankbar dafür daß ich ihn aus Arensberg glüklich heraus hatte; denn er wäre dort nur in unthätige Entfernung von den wissenschaftlichen Kenntnißen seines Fachs und vielleicht in lokere Gesellschaften hineingerathen – er selbst war darüber sehr einverstanden und freute sich auf seine neue Lage. Sein hier geschriebenes Briefchen bekommst Du nun endlich auch. Aus Stettin, wo er am ersten Osterfeiertag angekommen ist, hat er vor wenigen Tagen zum erstenmal geschrieben, über seine Lage außer allgemeinen zufriedenen Aeußerungen nichts merkwürdiges oder bestimmtes. Er ist dort mit mehreren neuen Gehülfen zugleich angekommen, sie müßen nun Alle zur Probe alles durchmachen und er weiß noch nicht einmal was für ein Geschäft ihm aufgetragen werden wird. Nachdem Karl weg und die Veit leidlich beßer war wurde mir Schlegel krank. Es war dabei freilich gar nichts gefährliches, aber da er ohnedies etwas ängstlich ist mußte ich ihm doch viel Zeit und Sorgfalt widmen. Dabei bekam ich um diese Zeit posttäglich sehr üble Nachrichten aus Landsberg. Die kleine Emilie lag an einem bösartigen Fieber auf den Tod, die Mutter war abwechselnd auch krank ich wurde sehr gequält hinzukommen und es gelang mir nicht mich hier von meinen Arbeiten loszumachen – dem Fieber folgte bei der Kleinen ein Friesel dem Friesel ein bösartiger Husten, der noch nicht ganz gehoben ist, und dabei hatte die gute Frau noch Kummer anderer Art, der ihr Herz sehr schwer drükte – da gabs zu trösten und Muth einzusprechen. Du kannst denken was ich auf die Art seit zwei Monaten von allen Seiten gelitten habe – dann noch die Klagen des guten Dohna über den Refus der Gräfin, die herzliche Sorge um seine Schwester Friederike, die ebenfalls eine schwere Krankheit überstanden hat, und mancherlei Vorfälle hier bei denen ich auf Veränderungen meiner Lage zu denken veranlaßt wurde und allerlei Ueberlegungen anstellen mußte die mir sehr verdrießlich sind, und dann die höchst unangenehme mechanische Beschäftigung des Corrigirens bei dem Druk der Predigten die ich aus dem englischen übersezt habe – es war eine Zeit von der ich nicht wünschte daß sie noch länger hätte dauern können. Laß mich abbrechen, ich komme sonst nicht aus dem Klagen heraus, wer weiß ohnedies was für Briefe ich heute aus Landsberg bekomme. |
den 30ten May. Du mußt Dich nicht wundern liebe, daß es mit meinem Schreiben so auffallend schlecht geht, es stekt nichts dahinter als das lautere Wolbefinden und Lebensgenuß. Der Sommer hält mich an tausend Striken gefangen und läßt mich nicht los; ich komme kaum dazu die Hälfte von alle dem zu thun was ich mir vorseze, und doch kann ich eigentlich nicht unzufrieden mit mir seyn: ich lebe, ich mache Andern angenehme Stunden, ich bin ihnen nüzlich beiher – was kann man denn auf dieser Welt mehr thun. Am meisten lebe ich jezt mit der Herz sie wohnt den Sommer über in einem niedlichen kleinen Hause am Thiergarten wo sie wenig Menschen sieht und ich sie also recht genießen kann. Ich pflege jede Woche wenigstens einmal einen ganzen Tag bei ihr zuzubringen. Ich könnte das bei wenig Menschen, aber in einer Abwechselung von Beschäftigungen und Vergnügungen geht mir dieser Tag sehr angenehm mit ihr hin. Sie hat mich italienisch gelehrt, oder thut es vielmehr noch, wir lesen den Shakspeare zusammen, wir beschäftigen uns mit Physik, ich theile ihr etwas von meiner Naturkenntniß mit, wir lesen bald dies bald jenes aus einem guten deutschen Buch, dazwischen gehn wir in den schönsten Stunden spazieren und reden recht aus dem innersten des Gemüthes mit einander über die wichtigsten Dinge. So haben wir es seit dem Anfang des Frühlings getrieben und Niemand hat uns gestört. Herz schäzt mich und liebt mich so sehr wir auch von einander unterschieden sind, der Herz ihre Schwestern ein paar liebe Mädchen freuen sich so oft ich komme, und sogar ihre Mutter eine verdrießliche und strenge Frau hat mich in Affektion genommen. Kannst Du nach diesen wol denken daß uns von Seiten unserer besten Freunde ein paar unangenehme Tage gekommen sind. Schlegel und die Veit haben zusammen Besorgniße gebrütet, daß ich gegen jenen und die Herz gegen diese – ihre älteste und unzertrennliche Freundin – kälter würden, die Veit machte mir Vorwürfe daß ich Schlegeln nicht wäre was ich ihm seyn könnte, daß ich über sein Thun und seine Werke nicht offen gegen ihn wäre, daß ich sein Gemüth nicht schonte – zu ihr käme ich auch nicht, man müßte am Tode seyn um meine Theilnahme zu erregen, ich wäre alles nur par charité, und wenn die Leute wieder auf den Beinen und glüklich wären ließe ich sie gehn. | Schlegel bekannte mir aufrichtig er wäre eifersüchtig auf die Herz, meine Freundschaft mit ihr wäre so schnell und so weit gediehen als er es mit mir nicht hätte bringen können, er sei fast nur auf meinen Verstand und meine Philosophie eingeschränkt, und sie habe mein Gemüth. Was hatte ich da ins klare zu bringen, und wie stach ich ab gegen die andern mit meiner Ruhe und Sicherheit. Beim Licht besehn war dann neben dem allem noch etwas andres: beide nemlich sowol Schlegel als die Veit hatten einige Besorgniß daß ich mich über mich selbst täuschte, daß Leidenschaft bei meiner Freundschaft gegen die Herz zum Grunde läge, daß ich das früher oder später entdeken, und daß es mich unglüklich machen würde. Das war mir denn zu arg und ich habe ausgelaßen darüber stundenlang gelacht. Daß gewöhnliche Menschen von gewöhnlichen Menschen glauben Mann und Frau könnten nicht vertraut seyn ohne leidenschaftlich und verliebt zu werden, das ist ganz in der Ordnung, aber die Beiden von uns beiden. So wunderbar war es mir daß ich mich gar nicht darauf einlaßen konnte, sondern nur ganz kurz Schlegeln auf mein Wort versicherte: es wäre nicht so, und würde auch nie so werden. Die arme Herz aber war ein paar Tage ganz zerrüttet über diesem Mißverständniß. Dem Himmel sei Dank ist aber alles wieder im Gleichen, und wir gehn ungestört unsres Weges fort. Von Schlegel habe ich aber jezt wenig Genuß. Seit einigen Tagen ist sein Bruder aus Jena hier, der als Dichter und als neuer Uebersezer des Shakespeare bekannt ist, er wohnt in der Stadt in einem Hause wo ich nur wenig seyn kann und Schlegel ist fast immer da. Dieser Bruder hat weder die Tiefe noch die Innigkeit des hiesigen, er ist ein feiner, eleganter Mann, hat sehr viel Kenntniße und künstlerisches Geschik, und sprudelt von Wiz – das ist aber auch alles. Ich habe Schlegeln geweissagt daß sein Bruder keinen Sinn für mich haben würde, und wie es scheint habe ich sehr recht. Vor einigen Tagen habe ich mit ihnen beiden bei Ifland gegeßen – den ich sonst schon ein Paarmal gesehen habe – und mich da gar sehr gut amüsirt. Das komische Talent dieses Mannes ist ganz einzig; er ist voll lustiger und ergözender Anekdoten, und die agirt er gleich so köstlich daß man so seiner Kunst weit mehr froh wird als auf dem Theater. Dabei ist er höchst gutmüthig, was Leute mit dieser Gabe so selten sind, und das Bewußtseyn daß er seiner Gesinnungen wegen, mit denen er aber nicht prahlt, Achtung verdient läßt es einem recht wohl bei ihm seyn. |
den 8ten Juni. Da bin ich von Montag bis Mittwoch mit Sacks in Potsdam gewesen. Es war eine lang abgeredete Partie, die denn wie es zu gehen pflegt nicht so geworden ist wie sie eigentlich seyn sollte – viele gute Bekannte hatten sich mit dazu verbunden, und sind hernach nicht erschienen, die Zeit ist zu knapp gewesen, und was solcher Umstände mehr sind; doch habe ich mich recht gut amüsirt, und fast am besten da, wo ich gar nicht darauf gerechnet hatte. Ich fuhr am Montag Mittag mit Sacks beiden Knaben und ihrem Hofmeister – einer ganz neuen Erscheinung im Sackschen Hause – auf der Journaliere hin, und wir verfügten uns nach einer angenehmen Fahrt auf der ich viel theologische Gespräche mit dem jungen Mann führte, und den Kindern Kirschen und Apfelsinen zum Besten gab, zu Madam Bamberger die Du als die Mutter der Eichmann, als eine Freundin unserer seligen Mutter, und als des Hofprediger Sacks Schwester aus früheren Nachrichten schon kennst. Die Kinder sollten da logiren und ich wollte wenigstens eine Tasse Thee trinken und mich in mein Quartier hinzeigen laßen. Wir fanden sie auf dem Sofa liegend mit der ganzen Ausstaffirung einer Kranken, vielen Medizingläsern einigen Kopfkissen, noch mehr Lamentationen und quittengelb. Mich kannte sie gar nicht mehr ohnerachtet sie mich mehrmals hier gesehen hat, sobald ich mich ihr aber präsentirt hatte provocirte sie auf unsre alte Bekanntschaft und ernannte mich dazu die honneurs des Hauses zu machen, nachdem sie die tröstliche Nachricht vernommen hatte, daß ich nicht gesonnen sei sie mit meinem Nachtlager zu incommodiren. Ich mußte nun Thee machen und sie erzählte unterdeß mit gewohnter Geläufigkeit die Geschichte ihres Elendes. Indem kamen Professor Spaldings an, 5 Mann hoch. Der Bruder der Professorin ein lieber junger Mann hatte sich eben in Halle mit einem nicht schönen aber lieblichen jungen Mädchen verheirathet und von da her kamen sie nun nebst der Schwester der jungen Frau, einer Madame Lombard aus Potsdam; mein Amt wurde nun ziemlich beschwerlich und die Patientin war gewiß froh mich zu ihrer Unterstüzung zu haben. Wir machten nun zusammen eine Spaziergang auf den Brauhausberg eine Anhöhe hinter der Stadt die wegen der herrlichen Aussicht bekannt ist: ich ergözte mich an den jungen Eheleuten, Spalding erzählte gelehrte Merkwürdigkeiten von der hallischen Reise, es wurde gescherzt und gelacht, und sich des köstlichen Abends gefreut; ich aber mußte mit den Sackschen Kindern zeitig aufbrechen weil wir um 1/2 8 Uhr zum Abendessen kommandirt waren. Da erleichterte nun Madam Bamberger bei Tisch ihr Herz über den gegenwärtigen | Zustand der reformirten Kirche, über die Arroganz der jungen Geistlichen über die böse Sitte durch Connexionen Beförderung zu suchen, und über die Thorheiten des Berliner Publicums dem sie in Masse feind ist. Dabei ließ sie sich immer klagend über ihre Schwäche und vom nahen Tode redend das Essen sehr gut schmeken. Ich verließ sie gegen 9 Uhr um bei Madame Lombard noch einmal zu soupiren, und da brachte ich mit der hallischen Gesellschaft noch ein paar recht angenehme Stunden zu. Des folgenden Morgens gingen wir alle nach dem Garten von Sans soucis, einem schönen Park, Friedrich des zweiten wol würdig; an ihn erinnerte uns alles und keine Statue wurde angesehen ohne seiner dabei zu denken. Unter dem Schatten der hehren Kastanienbäume am neuen Palais nahmen wir ein Frühstük ein, welches uns von den Invaliden der Garde, denen der große König dicht neben seinem Palais ein schönes Haus gebaut hat servirt wurde. Auf dem Rükweg trennten Spalding und ich uns von den Frauen um den Garten noch weiter zu durchstreichen, und je länger wir uns schon nicht gesehen hatten desto interessanter war diese Promenade, und die schöne Aussicht von den Terrassen von Sanssoucis, und der Gang herunter zwischen der größten Orangerie die ich je sah und den Meisterstüken der Italienischen Bildhauerei war ein würdiger Schluß derselben. Sacks waren unterdeß angekommen, sie beide mit allen Töchtern in der Journalière, und 5 Fräulein von Kottwiz, die sich hier mit einer Gouvernante aufhalten und des Hofpredigers Oberaufsicht anvertraut sind in einem eignen Wagen. Unser Mittagsmahl wurde vor unserm Hotel welches außer der Stadt lag und schlecht genug war im Freien eingenommen, und die näheren Plane verabredet wozu von Seiten Spaldings der junge Ehemann abgeordnet war. Der Hofprediger aber ist, so sehr ich ihn sonst liebe gar nicht der Mann mit dem man reisen muß: er verwarf alle beßeren Vorschläge und beharrte eigensinnig auf seinen übel arrangirten Ideen. Wir mußten nun nach Tisch unsere Fahrt nach der Pfauenlnsel ohne Spaldings antreten, drei Wagen waren voll, und Dein Herr Bruder der galant genug war um den Damen keinen zu engen Siz zu bereiten ergrif die Partie hinten auf zu stehn was denn auch recht gut ging und mir viel Vergnügen machte weil es drollig genug war und mir den vollen Genuß der Aussicht nach allen Seiten verschaffte. Die PfauenInsel ist eine Insel auf der Havel, zu Lande eine starke Meile von Potsdam, die der verstorbene König erst in den lezten Jahren in einen schönen englischen Garten verwandelt hat. Ein kleines Haus am vordern Ende derselben in Gestalt einer Ruine ist sehr elegant angelegt und meublirt und auf den Thürmen desselben hat man eine herrliche obgleich etwas öde Aussicht über die ganze Insel, über die Havel und den See den sie hier bildet, auf die Berge welche ihn umgeben bis im Hintergrunde an das Marmorpalais im neuen Garten. Die schönen Gartenpartieen | der Insel, und die reizende Meierei am entgegengesezten Ende derselben haben wir aber auch nur vom Thurme herab gesehn. Der Hofprediger hatte das Treiben Jehu, und fand daß wir eilen müßten um zur rechten Zeit am neuen Garten anzukommen wo Spaldings uns treffen wollten. Nachdem die Hofpredigern hinter deren Wagen ich stand mich durch ihre Aengstlichkeit zu Wasser und zu Lande genug geängstigt hatte kamen wir dann am neuen Garten eine halbe Stunde früher an als das Rendezvous mit Spaldings bestimmt war. Neue Ungeduld und Eile vom Hofprediger der verdrießlich wartend uns noch dazu abhielt unterdeß den Garten zu durchstreichen. Endlich kamen Spaldings und das Marmorhaus wurde besehn. Es liegt dicht am Ufer des heiligen Sees, die beiden Flügel mit einer doppelten herrlichen Colonnade sind noch nicht fertig und wer weiß ob der jezige König sie ausbauen läßt. Das Corps de Logis ist völlig ausgebaut und erstaunlich schön. Das ganze Fundament, das ganze Portal, alle Fensterbekleidungen, das Gesims, die ganze Kuppel und der Balcon nach dem Wasser hinaus; inwendig Wände und Fußboden des Vestibules, und die Treppe sind vom mannigfaltigsten sehr schönen Marmor, Schlesien und Dalmatien, Italien und wenn mich meine geringe Kenntniß in diesem Fach nicht trügt auch Egypten haben ihn hergeben müßen. Die Zimmer sind sehr elegant aber ohne schwere Pracht mit vielem Geschmak meublirt, und eine Menge von antiken Statuen Büsten und Vasen, und von an Ort und Stelle verfertigten Kopien sind eine köstliche unschäzbare Zierde dieses Königshauses, und ein Denkmal davon wie gut die sonst so verächtliche Gräfin Lichtenau ihre Reise nach Italien zu benuzen gewußt hat. Ich habe noch wenig Denkmäler von der bildenden Kunst des Alterthums gesehn, und hier so viele derselben aus allen Gattungen und Perioden theils im Original theils in den treflichsten Nachbildungen zu sehen das machte einen großen Eindruk auf mich, und es wurde mir ein ganz neuer Sinn geöfnet, den mir die Poesien des Alterthums nicht hatten aufschließen können. Endlich rißen wir uns los von diesen Schönheiten um die Kuppel zu besteigen, und was für einen andern Genuß gewährt doch die Natur als alle Kunst selbst des Alterthums. Hier ist ein Flek den man in dieser Gegend von Deutschland vergeblich zum zweiten mal sucht, und der – wenn man auf Gebirge renoncirt – nicht schöner gefunden werden kann. Denke Dir auf der einen Seite den heiligen See, dahinter eine herrliche Allee mit vielen Mühlen und ländlichen Häusern umgeben, dann die Stadt mit ihren Thürmen, zur Seite den Ruinenberg von Sanssouci, waldig und ehrwürdig, und hinter der Stadt eine Reihe Weinberge und Waldhügel. Nun wende Dich auf die andere Seite und sieh die Havel durch einzelne Schiffe verschönert, in Krümungen dahin fließend, dann einen andern See bildend von Bergen umgeben mit Landhäusern mancher Art an ihrem Fuß, und über drei Gewäßer hinüber im Hintergründe die einsame Pfauenlnsel. Eine Beschreibung kann und soll das freilich nicht seyn; es sind nur die einzelnen Ingredienzen aus denen Du Dir das ganze nicht zusammensezen sollst, sondern nur denken daß es nicht anders als | schön und reizend seyn kann. Der Garten selbst ist noch wenig. Er ist erst seit 6 Jahren angelegt und man hat deswegen fast lauter schnellwachsende Hölzer hineingesezt die eben nicht die schönsten sind, er kann aber der Anlage nach sehr schön werden. Ein paar kostbare Grotten und Eremitagen die noch darin sind schenkst Du mir wol. Sacks eilten gegen 8 Uhr nach Hause, und wir gingen noch, um auf unserm geliebten Pläzchen am neuen Palais ein kaltes Abendbrodt einzunehmen. Das war freilich eine gute halbe Meile zu gehn, Männer und Frauen waren müde, es wurde spät und dunkel, aber die gute Laune verließ uns nicht und wir waren noch bis eilf Uhr recht vergnügt. Dies schöne Pläzchen sollten denn Sacks am folgenden Morgen auch sehn. Die Mädchen schliefen dicht neben meinem Zimmer und da sie um 4 Uhr schon munter waren so wekte mich ihr Getöse auch. Um 5 Uhr tranken wir schon alle Kaffee, und um 6 Uhr führte ich das junge Volk voran nach dem Garten von Sanssoucis. Unter 10 jungen Mädchen – 5 Sack und 5 Cottwiz – war ich recht in meinem Esse wie Du denken kannst. Die Terrassen hinauf und hinabgestiegen, die Aussicht aus dieser und aus jener Eke gesehn, unter der Orangerie gelustwandelt, im Rasen gelagert, genekt, gespielt, Sträußer gepflükt EichenGuirlanden gewunden – und so wurde der Garten nach allen Richtungen durchstrichen. Das Japanische Haus und den Tempel der Freundschaft hatte ich in den vorigen Tagen auch noch nicht gesehn. Ersteres besteht aus einem runden Saal der von 2 ofnen Colonnaden und 3 kleinen Kabinetten umgeben ist; es war der liebste einsame Aufenthalt Friedrich des Großen und verdiente es zu seyn. Hier feierte er den Frühling, und in dem einen Kabinet sieht man noch seinen Schreibtisch und 2 sehr zerseßene Fauteuils; in dem andern Kabinet stand sein Feldbett und das dritte bewohnten 2 Laquaien – so verlebte er die ganze Nachtigallenzeit. Das SchreibKabinet ist mit den Tapeten ausgeschlagen die ihm der chinesische Kaiser selbst geschenkt hatte. Im mittleren Saal, der eine rotonda ist hat der Zufall ein architektonisches Kunststük zu Stande gebracht, welches einen wunderbaren Eindruk macht. Wenn man nemlich grade im Mittelpunkt steht und gegen die Wölbung der Kuppel spricht, so wiederholt ein höchst deutliches Echo die Worte; es fällt aber so grade auf die Lippen des sprechenden zurük daß sogar seine nächsten Nachbarn den Wiederhall nicht hören. Auf eine schauderhafte Art befindet man sich also hier mit einem Geist allein, deßen Rede sonst Niemand vernimmt, die Mädchen fuhren schrekhaft zusammen. Stellt man auf diesen Mittelpunkt einen von den ledernen Stühlen des Saals und schlägt mit einem Stok darauf, so gleicht der Schall dem stärksten Kanonenschuß und hallt lange wieder wie ein Donner in Gebirgen. Am bestimten Plaz fanden wir schon den Hofprediger und seine Frau; die waren wieder eine Stunde früher gekommen als Madame Lombard, die uns hier mit Chokolade bewirthen wollte [die] sie bestellt hatte, und waren wieder eilig und ungeduldig, krakelten als diese mit Spaldings kam und fuhren weg als sie kaum die Chokolade hinunter hatten. Ich aber blieb mit Spaldings noch da, wir lagen noch eine Stunde wolbehaglich im Grase, durchstrichen noch einmal den Garten, und kamen gegen eins zurük. Die Hofpredigerin mit ihren Töchtern waren schon weggefahren, ich fuhr mit ihm und den Fräulein um 2 Uhr ab, Spaldings blieben noch da. Um 5 Uhr waren wir an den Thoren von Berlin; ich stieg bei der Herz ab, wo wir vorbeifahren mußten, und sah den Abend noch viel Menschen bei ihr: eine baronisirte Wiener Jüdin eine deutsche Gräfin, einen französischen Chevalier und einen englischen Kaufmann. |
den 12ten Juni. Ich soll diesen Sommer wie es scheint aus dem Unglük nicht herauskommen; nun ist mir die Herz krank geworden, und leidet viel. Sie hat ein dreitägiges Fieber wobei sie aber statt des Frostes allemal die heftigsten Magenkrämpfe bekommt. In welcher Angst wir waren als sie diesen Zufall zuerst bekam kannst Du Dir denken: ihr Mann war in der Stadt, zum Glük war es so früh des Morgens daß er noch nicht ausgefahren war, aber doch dauerte es ein paar Stunden ehe er kam. Unterdeß standen ihre Schwester und ich und Dohna und wußten nicht was wir machen sollten, und als Herz kam währte es wieder ewig ehe Medicin kam, kurz die Arme mußte viele Stunden leiden ehe sie einige Erleichterung erhielt. Sie wollte eben in diesen Tagen eine kleine Reise zu einer Freundin aufs Land machen worauf sie sich sehr gefreut hatte, das ist ihr nun auch wahrscheinlich auf lange verdorben. Daß sie draußen im Garten wohnt ist höchst unbequem in jeder Rüksicht und besonders für ihren Mann, der so unmöglich sie und zugleich auch seine Patienten gehörig besorgen kann, und dennoch fürchten wir uns ihr den Vorschlag zu thun daß sie in die Stadt ziehn soll; sie möchte daraus schließen daß Herz eine langwierige Krankheit vermuthe. Mein schönes Sommerleben wird nun auch gar sehr unterbrochen. Zu Hause habe ich keinen Tag rechte Ruhe weil ich wegen der großen Entfernung keine Nachricht haben kann als die ich selbst hole, und mit meinen Arbeiten, deren ich eben nach der Rükkunft von Potsdam so mancherlei unternommen hatte geht es schlecht; unsre gemeinschaftlichen Beschäftigungen, die uns beiden sehr werth waren, der liebliche Tasso und der herrliche Shakspeare sind ganz unterbrochen, und die liebe Freundin so leiden zu sehn ist um so mehr quälend da sie nicht einmal den Vortheil genießt sich an ihrem guten Tage wohl zu befinden. Ihr Magen ist dann von den heftigen Krämpfen so angegriffen, daß sie mit beständigen Uebligkeiten zu kämpfen hat. Herz, der sonst unter die ersten Aerzte Berlins in jeder Rüksicht gehört, verliert den Kopf gleich wenn seine Frau krank ist, und wird peinlich und unentschloßen ganz gegen seinen Charakter. Er will ihr Morgen seinen Freund Selle schiken, der ist aber wieder so sehr entfernt und wird sie schwerlich oft besuchen können – kurz es ist ein großes Elend. In Landsberg geht dagegen alles gut, so gut daß der Doktor die Reise ins Bad, die er Emilien verordnet hatte wieder contremandirte; das ist denn doch etwas. Die Benike quält mich ich soll meinen Besuch beschleunigen ehe sich etwa neues Unglük ereignet aber der Himmel weiß ob und wann ich dies Jahr werde hinkommen können.
Allerlei Neuigkeiten habe ich Dir noch zu erzählen aber sie sind mir unter den Händen ziemlich alt geworden. Ich habe Briefe von der Mutter gehabt und bin ihr noch Antwort schuldig; die Kleinen haben die Masern gehabt und sind glüklich hergestellt; die Schneidern hat sich jezt bei ihr in die Kost gegeben, was den Kleinen auch noch nüzlich seyn kann, und mit dem jungen Fürsten, der sich allgemein sehr beliebt macht, scheint sie auch recht zufrieden zu seyn. Dann ist auch Herr Bahr aus Pless hier gewesen, der mir diesen Brief und die Gelder gebracht hat; ich habe ihn aber nicht gesehn. Er ließ da er mich nicht fand eine Charte mit seinem Namen | und Logis hier, da ich aber ein paar Tage darauf in seinem Logis anfragte war er ausgezogen, und die Leute wußten nicht zu sagen wohin. Das hat mir sehr leid gethan. Eben so ist Madame Mullendorf aus Breslau hier gewesen ohne daß ich sie gesehn hätte, und hierüber mache ich mir einige Vorwürfe da ich ihr Logis wohl gewußt habe. Sie wohnte zwar in einer Gegend die ich fast nie im Sommer betrete aber ich hätte es mir doch nicht sollen gereuen laßen um die vertraute Freundin unserer seligen Mutter zu sehn. Zu der unglüklichen Zeit in der es grade war gehört eben auch dies. Was für Erinnerungen würden in mir lebendig geworden seyn wenn ich diese beiden lieben Leute gesehn hätte.
den 16ten. Heimlich habe ich immer gedacht es würde vor Absendung dieser Epistel mit der es so sehr lange währt noch eine von Dir ankommen. Nun es aber bis jezt nicht geschehen ist sollst Du mir auch gewiß nicht zuvorkommen und er soll Uebermorgen auf die Post. Ich kann ihn mit ziemlich guten Nachrichten schließen. Ich habe von Karl nun einen zweiten ziemlich ausführlichen Brief aus Stettin. Er gefällt sich sehr und es scheint als ob es bei seiner Anstellung im Comtoir bleiben würde, welches eine große Auszeichnung und für ihn auch der nüzlichste Plaz ist. Die Lage gefällt ihm, sein Principal gefällt ihm und er hat auch unter seinen Kameraden schon einen gefunden der sich an ihn attachirt. Es freut mich um so mehr, da ich die Veranlaßung gewesen bin ihn dahin zu bringen. Die Herz ist auch sehr auf dem Wege der Beßerung und ich denke sie soll in acht Tagen ganz wiederhergestellt seyn. Als dann geht auch der ältere Schlegel wieder ab, und ich bekomme den meinigen wenigstens zum Theil wieder und hoffe ganz in mein gewohntes Leben zurükzukehren. Dann wird es auch wol mit meiner Gesundheit wieder gehn die seit einigen Tagen nicht sonderlich gewesen ist. Wir haben hier solches Wetter bei dem es, wenn man an die Luft geht fast unmöglich ist sich nicht zu erkälten und ich habe einige Tage viel an jenen Koliken gelitten die mich als Kind so quälten. Wäre der Weg nicht so weit und die Post nicht so theuer, und meine Verlegerin zu Hause so hätte ich Dir mit dem Briefe ein Exemplar von den englischen Predigten geschikt, die ich ins Deutsche übersezt habe und die nun endlich erschienen sind. Sie würden Dir zwar schwerlich sehr gefallen als Predigten wol gar nicht, als schöne Reden vielleicht[,] als ein Werk meines Fleißes und als eine Probe wieviel Mühe ich mir mit so etwas geben kann würden sie Dir aber doch wol interessant seyn. Mir haben sie – sonst würde ich sie gewiß nicht übersezt haben – sehr behagt, nicht nur als Produkte eines originellen Kopfs und als Meisterstüke einer gewißen Art von Beredtsamkeit, sondern mehr noch als Beweise wieviel man leisten, und um wie viel eindringlicher und gewichtiger man reden kann wenn man vor einer gleichartigen nicht allzu gemischten Versamlung redet, und gewiß weiß, daß jeder der da ist gewiß nur deswegen da ist weil er an der Sache Geschmak findet, und von den persönlichen Vorzügen des vortragenden überzeugt ist. (Ehe ich von Predigten abkomme frage ich Dich noch ob Du nicht noch eine von mir hast, die nemlich über den Werth des öffent-|lichen Gottesdienstes. Ich kann sie unter meinen Papieren nicht finden, und da es möglich ist daß ich sie diesen Herbst brauche, so sei so gut und schike sie mir einmal in einem Deiner Briefe zurük) Deinen Wunsch etwas von mir gedrukt zu sehn kannst Du jezt noch auf eine andere Art erfüllen; aber freilich nur sehr im Kleinen[.] Die beiden Schlegels nemlich geben zusammen ein neues Journal heraus unter dem Titel Athenäum. In dem zweiten Stük desselben steht unter der Rubrik Fragmente eine große Menge einzelner Gedanken, von denen freilich viele, welche sich bloß auf die abstrakte Philosophie beziehen, Dich eben nicht intereßiren können; andere aber wirst Du gewiß gern lesen. Unter diesen nun sind mehrere von mir, und ich überlaße Dir, wenn Dir dies Journal zu Gesicht kommt heraus zu finden wo Du etwas von meiner Art witterst; ich dächte es sollte Dir nicht schwer werden mich zu entdeken. Schiken kann ich Dirs nicht weil man einzelne Stüke nicht bekommt; auch wird das zweite Stük nur eben erst gedrukt. So weit hat mich nun Schlegel gebracht, aber daß ich etwas größeres schreiben sollte, daraus wird nun nichts. Ich kann meine Zeit beßer brauchen und überdies macht es mir eine höchst unangenehme Empfindung etwas von mir gedrukt zu sehn. Kaum habe ich es bei diesen paar Gedanken ausgehalten, die zusammen wol schwerlich einen Bogen ausmachen. – Es hat mich gefreut einmal wieder etwas von Deiner Lektüre zu hören. Udolfos Geheimniße kenne ich nicht; aber wol die Dame die es aus dem englischen übersezt hat und die im vorigen Jahre einige Wochen hier gewesen ist. Romane kommen jezt überhaupt nicht vor meine Augen; statt aller andern habe ich vor einiger Zeit mit der Herz den Wilhelm Meister wieder gelesen. Ihre Krankheit hat aber eine Unterbrechung gemacht und wir sind mitten in den Bekentnißen einer schönen Seele stehen geblieben. Daß Goethe hiebei irgend einen Original Aufsaz in Händen gehabt hat ist mir sehr klar, und ich getraue mich sogar mit der größten kritischen Gewißheit ganze Stellen anzugeben die gewiß ächt und bis auf Kleinigkeiten unverändert und andere die gewiß sein Machwerk sind. Im Anfang hat er gewaltig viel theils gemacht theils anders zusammengestellt um die ganze Denkungsart, wie die Leute sagen, psychologisch einzuleiten und verständlich zu machen, und hat dadurch eigentlich nichts verständlich gemacht als daß er nichts davon versteht. Die Anmaßung auch so etwas in einem Buch zu haben welches gewißermaßen die ganze menschliche Natur umfaßen soll hat sich selbst gestraft. – Ich rede als ob Du den Wilhelm Meister gelesen hättest und weiß es doch nicht; ich wollte aber wol Du läsest ihn, der Merkwürdigkeit wegen. – Du hast Stillings Theobald gelesen und ich gebe Dir vollkommen Recht daß es wol gut wäre wenn das Buch bei Euch häufiger gelesen würde, es ist viel daraus zu nehmen. Weißt Du denn aber auch welch ein besonderes Interesse das Buch für uns hat? Da Du gar nichts davon erwähnst so zweifele ich daß Dir der Vater davon gesprochen hat. Der alte Darius nemlich, der eine der Hauptpersonen im Buch ist, ist unser seliger Großvater in Arnheim. Das schrieb mir der Vater einmal nach Halle, und aus diesem Wiedererkennen seines | Vaters in einem Buch von Stilling schreibt sich gewiß der Briefwechsel her, den er eine Zeitlang mit ihm unterhalten hat. Einen andern unserer lieben Schriftsteller Friedrich Richter, den Verfaßer des Hesperus werde ich wahrscheinlich in einigen Wochen sehn; er hält sich jezt in Leipzig auf und will eine Reise nach Berlin machen.
den 17ten. Da habe ich diese Nacht bei der Herz wachen müßen die wieder heftiges Fieber hatte, ihre Nacht ist aber erträglich gewesen weil ich sie scharf zum Trinken angehalten habe. Herz mußte anderer Patienten halber in der Stadt [sein] und wollte sie für diesmal ihren Schwestern allein nicht antraun. Hätte ich es vorher gewußt so hätte ich diese Epistel eingestekt und noch was ehrliches mit Dir geplaudert; so hat es mir den gestrigen Abend und den heutigen Morgen derangirt und ich muß diesen Brief fortschiken ohne so manches berührt zu haben wovon ich gern gesprochen hätte. So geht es mir: das Fertigmachen ist mir so ganz abgesprochen daß ich nicht einmal einen Brief fertig machen kann. Aber bitte Liebe laß nun auch bald etwas von Dir hören, und zwar was Gutes; mich verlangt nach Nachrichten von Dir um so sehnlicher, weil ich fast von lauter Unglük umgeben bin. Und schreibe mir recht viel von allen den Lieben von denen ich in Deinem lezten Briefe nur wenig gehört habe. Wo ich nicht sehr irre ist heute oder Morgen Lotte Schlegels Geburtstag, versichere sie meines herzlichsten Andenkens. Ach wieviel habe ich in dieser Zeit an die schönen Tage vor zwei Jahren gedacht! sie sind noch immer der Pol um den sich ein großer Theil meiner Erinnerungen dreht. Lebe wol und erfülle mir bald meinen Wunsch
Dein treuer Bruder
Fr. S.
Das heißt freilich nicht noch im Monat Merz schreiben; aber für diesmal bin ich was jenes Versprechen betrift und überhaupt über diesen langen Aufschub gar sehr zu entschuldigen. Wo ich nicht sehr irre habe ich Dir schon in meinem lezten Briefe von den Gräfinnen Finckensteins geschrieben, den Cousinen der Dohna’s, die ich im Winter hier kennen lernte. Eltern und Kinder baten mich sehr freundschaftlich daß ich sie doch im Sommer auf ihrem Gute besuchen möchte; aber es hat nicht bis zum Sommer gewährt. Wilhelm Dohna den Liebe zur zweiten Gräfin – die ihn aber nicht erhört hat – gewaltig antrieb, reiste schon in der lezten Hälfte des Merz hin, und ließ mir keine Ruhe, ich mußte die Reise mit ihm machen. Wir hatten hier schon schöne Frühlingstage gehabt; aber als wir am 19ten Merz nach Madliz reisten brachten wir den ganzen Winter wieder mit, und er dauerte auch so lange wir dort waren, d. h. bis zum 28ten. Von dem schönen englischen Garten der da ist habe ich also wenig genießen können, desto mehr aber habe ich mich an dem freundlichen Umgang der Familie und an der göttlichen Musik ergözt. Zwei von den Gräfinnen singen den Diskant und die dritte den Alt, der eine Bruder den Tenor und einer den Baß und so können sie also – da sie auch sämtlich gut Klavier spielen, die schönsten Sachen ganz vollständig aufführen. Sie haben mir nicht nur viel alte sehr sublime italienische Kirchenmusik zum Besten gegeben sondern mir Stükweise die ganze Gluksche Alceste vorgesungen und an meinem Sinn für das was ihnen das liebste ist große Freude gehabt. Ich habe ihnen versprochen im Sommer wiederzukommen, und nun die Akazien blühen, deren sie in ihrem Garten so viele haben thut es mir sehr leid daß ich mein Wort nicht halten kann. Die große Entfernung aller adlichen Grillen, das griechische Studium des Vaters die natürliche Freundlichkeit der Mädchen, das interessante Gemüth der zweiten und die himmlische Kunst haben mir diese Familie sehr werth gemacht. Ich erwartete daß schon während meines Aufenthalts in Madliz Karl aus Westfalen ankommen würde, und hatte Anstalten getroffen daß mir auf diesen Fall sogleich ein Wagen geschikt würde – er kam aber erst am Abend Deines Geburtstages, und ich hatte den Schmerz daß vorher noch hier die gute Veit an einer innern Entzündung tödtlich krank wurde. Wir haben alle viel Noth gehabt, denn auch nachdem sie außer aller Gefahr war, welches freilich | Dank sei es Herzens medicinischer Kunst in wenig Tagen der Fall war hatte sie mehrere Wochen lang die heftigsten Schmerzen und mußte besonders des Nachts sehr sorgfältig gewartet werden. Wir haben abwechselnd bei ihr gewacht und sie gepflegt. Daß Karl grade in der übelsten Periode dieser Krankheit herkam hat meine Freude an ihm etwas gestört. Seine Erzählungen noch mehr als seine Briefe machten mich herzlich dankbar dafür daß ich ihn aus Arensberg glüklich heraus hatte; denn er wäre dort nur in unthätige Entfernung von den wissenschaftlichen Kenntnißen seines Fachs und vielleicht in lokere Gesellschaften hineingerathen – er selbst war darüber sehr einverstanden und freute sich auf seine neue Lage. Sein hier geschriebenes Briefchen bekommst Du nun endlich auch. Aus Stettin, wo er am ersten Osterfeiertag angekommen ist, hat er vor wenigen Tagen zum erstenmal geschrieben, über seine Lage außer allgemeinen zufriedenen Aeußerungen nichts merkwürdiges oder bestimmtes. Er ist dort mit mehreren neuen Gehülfen zugleich angekommen, sie müßen nun Alle zur Probe alles durchmachen und er weiß noch nicht einmal was für ein Geschäft ihm aufgetragen werden wird. Nachdem Karl weg und die Veit leidlich beßer war wurde mir Schlegel krank. Es war dabei freilich gar nichts gefährliches, aber da er ohnedies etwas ängstlich ist mußte ich ihm doch viel Zeit und Sorgfalt widmen. Dabei bekam ich um diese Zeit posttäglich sehr üble Nachrichten aus Landsberg. Die kleine Emilie lag an einem bösartigen Fieber auf den Tod, die Mutter war abwechselnd auch krank ich wurde sehr gequält hinzukommen und es gelang mir nicht mich hier von meinen Arbeiten loszumachen – dem Fieber folgte bei der Kleinen ein Friesel dem Friesel ein bösartiger Husten, der noch nicht ganz gehoben ist, und dabei hatte die gute Frau noch Kummer anderer Art, der ihr Herz sehr schwer drükte – da gabs zu trösten und Muth einzusprechen. Du kannst denken was ich auf die Art seit zwei Monaten von allen Seiten gelitten habe – dann noch die Klagen des guten Dohna über den Refus der Gräfin, die herzliche Sorge um seine Schwester Friederike, die ebenfalls eine schwere Krankheit überstanden hat, und mancherlei Vorfälle hier bei denen ich auf Veränderungen meiner Lage zu denken veranlaßt wurde und allerlei Ueberlegungen anstellen mußte die mir sehr verdrießlich sind, und dann die höchst unangenehme mechanische Beschäftigung des Corrigirens bei dem Druk der Predigten die ich aus dem englischen übersezt habe – es war eine Zeit von der ich nicht wünschte daß sie noch länger hätte dauern können. Laß mich abbrechen, ich komme sonst nicht aus dem Klagen heraus, wer weiß ohnedies was für Briefe ich heute aus Landsberg bekomme. |
den 30ten May. Du mußt Dich nicht wundern liebe, daß es mit meinem Schreiben so auffallend schlecht geht, es stekt nichts dahinter als das lautere Wolbefinden und Lebensgenuß. Der Sommer hält mich an tausend Striken gefangen und läßt mich nicht los; ich komme kaum dazu die Hälfte von alle dem zu thun was ich mir vorseze, und doch kann ich eigentlich nicht unzufrieden mit mir seyn: ich lebe, ich mache Andern angenehme Stunden, ich bin ihnen nüzlich beiher – was kann man denn auf dieser Welt mehr thun. Am meisten lebe ich jezt mit der Herz sie wohnt den Sommer über in einem niedlichen kleinen Hause am Thiergarten wo sie wenig Menschen sieht und ich sie also recht genießen kann. Ich pflege jede Woche wenigstens einmal einen ganzen Tag bei ihr zuzubringen. Ich könnte das bei wenig Menschen, aber in einer Abwechselung von Beschäftigungen und Vergnügungen geht mir dieser Tag sehr angenehm mit ihr hin. Sie hat mich italienisch gelehrt, oder thut es vielmehr noch, wir lesen den Shakspeare zusammen, wir beschäftigen uns mit Physik, ich theile ihr etwas von meiner Naturkenntniß mit, wir lesen bald dies bald jenes aus einem guten deutschen Buch, dazwischen gehn wir in den schönsten Stunden spazieren und reden recht aus dem innersten des Gemüthes mit einander über die wichtigsten Dinge. So haben wir es seit dem Anfang des Frühlings getrieben und Niemand hat uns gestört. Herz schäzt mich und liebt mich so sehr wir auch von einander unterschieden sind, der Herz ihre Schwestern ein paar liebe Mädchen freuen sich so oft ich komme, und sogar ihre Mutter eine verdrießliche und strenge Frau hat mich in Affektion genommen. Kannst Du nach diesen wol denken daß uns von Seiten unserer besten Freunde ein paar unangenehme Tage gekommen sind. Schlegel und die Veit haben zusammen Besorgniße gebrütet, daß ich gegen jenen und die Herz gegen diese – ihre älteste und unzertrennliche Freundin – kälter würden, die Veit machte mir Vorwürfe daß ich Schlegeln nicht wäre was ich ihm seyn könnte, daß ich über sein Thun und seine Werke nicht offen gegen ihn wäre, daß ich sein Gemüth nicht schonte – zu ihr käme ich auch nicht, man müßte am Tode seyn um meine Theilnahme zu erregen, ich wäre alles nur par charité, und wenn die Leute wieder auf den Beinen und glüklich wären ließe ich sie gehn. | Schlegel bekannte mir aufrichtig er wäre eifersüchtig auf die Herz, meine Freundschaft mit ihr wäre so schnell und so weit gediehen als er es mit mir nicht hätte bringen können, er sei fast nur auf meinen Verstand und meine Philosophie eingeschränkt, und sie habe mein Gemüth. Was hatte ich da ins klare zu bringen, und wie stach ich ab gegen die andern mit meiner Ruhe und Sicherheit. Beim Licht besehn war dann neben dem allem noch etwas andres: beide nemlich sowol Schlegel als die Veit hatten einige Besorgniß daß ich mich über mich selbst täuschte, daß Leidenschaft bei meiner Freundschaft gegen die Herz zum Grunde läge, daß ich das früher oder später entdeken, und daß es mich unglüklich machen würde. Das war mir denn zu arg und ich habe ausgelaßen darüber stundenlang gelacht. Daß gewöhnliche Menschen von gewöhnlichen Menschen glauben Mann und Frau könnten nicht vertraut seyn ohne leidenschaftlich und verliebt zu werden, das ist ganz in der Ordnung, aber die Beiden von uns beiden. So wunderbar war es mir daß ich mich gar nicht darauf einlaßen konnte, sondern nur ganz kurz Schlegeln auf mein Wort versicherte: es wäre nicht so, und würde auch nie so werden. Die arme Herz aber war ein paar Tage ganz zerrüttet über diesem Mißverständniß. Dem Himmel sei Dank ist aber alles wieder im Gleichen, und wir gehn ungestört unsres Weges fort. Von Schlegel habe ich aber jezt wenig Genuß. Seit einigen Tagen ist sein Bruder aus Jena hier, der als Dichter und als neuer Uebersezer des Shakespeare bekannt ist, er wohnt in der Stadt in einem Hause wo ich nur wenig seyn kann und Schlegel ist fast immer da. Dieser Bruder hat weder die Tiefe noch die Innigkeit des hiesigen, er ist ein feiner, eleganter Mann, hat sehr viel Kenntniße und künstlerisches Geschik, und sprudelt von Wiz – das ist aber auch alles. Ich habe Schlegeln geweissagt daß sein Bruder keinen Sinn für mich haben würde, und wie es scheint habe ich sehr recht. Vor einigen Tagen habe ich mit ihnen beiden bei Ifland gegeßen – den ich sonst schon ein Paarmal gesehen habe – und mich da gar sehr gut amüsirt. Das komische Talent dieses Mannes ist ganz einzig; er ist voll lustiger und ergözender Anekdoten, und die agirt er gleich so köstlich daß man so seiner Kunst weit mehr froh wird als auf dem Theater. Dabei ist er höchst gutmüthig, was Leute mit dieser Gabe so selten sind, und das Bewußtseyn daß er seiner Gesinnungen wegen, mit denen er aber nicht prahlt, Achtung verdient läßt es einem recht wohl bei ihm seyn. |
den 8ten Juni. Da bin ich von Montag bis Mittwoch mit Sacks in Potsdam gewesen. Es war eine lang abgeredete Partie, die denn wie es zu gehen pflegt nicht so geworden ist wie sie eigentlich seyn sollte – viele gute Bekannte hatten sich mit dazu verbunden, und sind hernach nicht erschienen, die Zeit ist zu knapp gewesen, und was solcher Umstände mehr sind; doch habe ich mich recht gut amüsirt, und fast am besten da, wo ich gar nicht darauf gerechnet hatte. Ich fuhr am Montag Mittag mit Sacks beiden Knaben und ihrem Hofmeister – einer ganz neuen Erscheinung im Sackschen Hause – auf der Journaliere hin, und wir verfügten uns nach einer angenehmen Fahrt auf der ich viel theologische Gespräche mit dem jungen Mann führte, und den Kindern Kirschen und Apfelsinen zum Besten gab, zu Madam Bamberger die Du als die Mutter der Eichmann, als eine Freundin unserer seligen Mutter, und als des Hofprediger Sacks Schwester aus früheren Nachrichten schon kennst. Die Kinder sollten da logiren und ich wollte wenigstens eine Tasse Thee trinken und mich in mein Quartier hinzeigen laßen. Wir fanden sie auf dem Sofa liegend mit der ganzen Ausstaffirung einer Kranken, vielen Medizingläsern einigen Kopfkissen, noch mehr Lamentationen und quittengelb. Mich kannte sie gar nicht mehr ohnerachtet sie mich mehrmals hier gesehen hat, sobald ich mich ihr aber präsentirt hatte provocirte sie auf unsre alte Bekanntschaft und ernannte mich dazu die honneurs des Hauses zu machen, nachdem sie die tröstliche Nachricht vernommen hatte, daß ich nicht gesonnen sei sie mit meinem Nachtlager zu incommodiren. Ich mußte nun Thee machen und sie erzählte unterdeß mit gewohnter Geläufigkeit die Geschichte ihres Elendes. Indem kamen Professor Spaldings an, 5 Mann hoch. Der Bruder der Professorin ein lieber junger Mann hatte sich eben in Halle mit einem nicht schönen aber lieblichen jungen Mädchen verheirathet und von da her kamen sie nun nebst der Schwester der jungen Frau, einer Madame Lombard aus Potsdam; mein Amt wurde nun ziemlich beschwerlich und die Patientin war gewiß froh mich zu ihrer Unterstüzung zu haben. Wir machten nun zusammen eine Spaziergang auf den Brauhausberg eine Anhöhe hinter der Stadt die wegen der herrlichen Aussicht bekannt ist: ich ergözte mich an den jungen Eheleuten, Spalding erzählte gelehrte Merkwürdigkeiten von der hallischen Reise, es wurde gescherzt und gelacht, und sich des köstlichen Abends gefreut; ich aber mußte mit den Sackschen Kindern zeitig aufbrechen weil wir um 1/2 8 Uhr zum Abendessen kommandirt waren. Da erleichterte nun Madam Bamberger bei Tisch ihr Herz über den gegenwärtigen | Zustand der reformirten Kirche, über die Arroganz der jungen Geistlichen über die böse Sitte durch Connexionen Beförderung zu suchen, und über die Thorheiten des Berliner Publicums dem sie in Masse feind ist. Dabei ließ sie sich immer klagend über ihre Schwäche und vom nahen Tode redend das Essen sehr gut schmeken. Ich verließ sie gegen 9 Uhr um bei Madame Lombard noch einmal zu soupiren, und da brachte ich mit der hallischen Gesellschaft noch ein paar recht angenehme Stunden zu. Des folgenden Morgens gingen wir alle nach dem Garten von Sans soucis, einem schönen Park, Friedrich des zweiten wol würdig; an ihn erinnerte uns alles und keine Statue wurde angesehen ohne seiner dabei zu denken. Unter dem Schatten der hehren Kastanienbäume am neuen Palais nahmen wir ein Frühstük ein, welches uns von den Invaliden der Garde, denen der große König dicht neben seinem Palais ein schönes Haus gebaut hat servirt wurde. Auf dem Rükweg trennten Spalding und ich uns von den Frauen um den Garten noch weiter zu durchstreichen, und je länger wir uns schon nicht gesehen hatten desto interessanter war diese Promenade, und die schöne Aussicht von den Terrassen von Sanssoucis, und der Gang herunter zwischen der größten Orangerie die ich je sah und den Meisterstüken der Italienischen Bildhauerei war ein würdiger Schluß derselben. Sacks waren unterdeß angekommen, sie beide mit allen Töchtern in der Journalière, und 5 Fräulein von Kottwiz, die sich hier mit einer Gouvernante aufhalten und des Hofpredigers Oberaufsicht anvertraut sind in einem eignen Wagen. Unser Mittagsmahl wurde vor unserm Hotel welches außer der Stadt lag und schlecht genug war im Freien eingenommen, und die näheren Plane verabredet wozu von Seiten Spaldings der junge Ehemann abgeordnet war. Der Hofprediger aber ist, so sehr ich ihn sonst liebe gar nicht der Mann mit dem man reisen muß: er verwarf alle beßeren Vorschläge und beharrte eigensinnig auf seinen übel arrangirten Ideen. Wir mußten nun nach Tisch unsere Fahrt nach der Pfauenlnsel ohne Spaldings antreten, drei Wagen waren voll, und Dein Herr Bruder der galant genug war um den Damen keinen zu engen Siz zu bereiten ergrif die Partie hinten auf zu stehn was denn auch recht gut ging und mir viel Vergnügen machte weil es drollig genug war und mir den vollen Genuß der Aussicht nach allen Seiten verschaffte. Die PfauenInsel ist eine Insel auf der Havel, zu Lande eine starke Meile von Potsdam, die der verstorbene König erst in den lezten Jahren in einen schönen englischen Garten verwandelt hat. Ein kleines Haus am vordern Ende derselben in Gestalt einer Ruine ist sehr elegant angelegt und meublirt und auf den Thürmen desselben hat man eine herrliche obgleich etwas öde Aussicht über die ganze Insel, über die Havel und den See den sie hier bildet, auf die Berge welche ihn umgeben bis im Hintergrunde an das Marmorpalais im neuen Garten. Die schönen Gartenpartieen | der Insel, und die reizende Meierei am entgegengesezten Ende derselben haben wir aber auch nur vom Thurme herab gesehn. Der Hofprediger hatte das Treiben Jehu, und fand daß wir eilen müßten um zur rechten Zeit am neuen Garten anzukommen wo Spaldings uns treffen wollten. Nachdem die Hofpredigern hinter deren Wagen ich stand mich durch ihre Aengstlichkeit zu Wasser und zu Lande genug geängstigt hatte kamen wir dann am neuen Garten eine halbe Stunde früher an als das Rendezvous mit Spaldings bestimmt war. Neue Ungeduld und Eile vom Hofprediger der verdrießlich wartend uns noch dazu abhielt unterdeß den Garten zu durchstreichen. Endlich kamen Spaldings und das Marmorhaus wurde besehn. Es liegt dicht am Ufer des heiligen Sees, die beiden Flügel mit einer doppelten herrlichen Colonnade sind noch nicht fertig und wer weiß ob der jezige König sie ausbauen läßt. Das Corps de Logis ist völlig ausgebaut und erstaunlich schön. Das ganze Fundament, das ganze Portal, alle Fensterbekleidungen, das Gesims, die ganze Kuppel und der Balcon nach dem Wasser hinaus; inwendig Wände und Fußboden des Vestibules, und die Treppe sind vom mannigfaltigsten sehr schönen Marmor, Schlesien und Dalmatien, Italien und wenn mich meine geringe Kenntniß in diesem Fach nicht trügt auch Egypten haben ihn hergeben müßen. Die Zimmer sind sehr elegant aber ohne schwere Pracht mit vielem Geschmak meublirt, und eine Menge von antiken Statuen Büsten und Vasen, und von an Ort und Stelle verfertigten Kopien sind eine köstliche unschäzbare Zierde dieses Königshauses, und ein Denkmal davon wie gut die sonst so verächtliche Gräfin Lichtenau ihre Reise nach Italien zu benuzen gewußt hat. Ich habe noch wenig Denkmäler von der bildenden Kunst des Alterthums gesehn, und hier so viele derselben aus allen Gattungen und Perioden theils im Original theils in den treflichsten Nachbildungen zu sehen das machte einen großen Eindruk auf mich, und es wurde mir ein ganz neuer Sinn geöfnet, den mir die Poesien des Alterthums nicht hatten aufschließen können. Endlich rißen wir uns los von diesen Schönheiten um die Kuppel zu besteigen, und was für einen andern Genuß gewährt doch die Natur als alle Kunst selbst des Alterthums. Hier ist ein Flek den man in dieser Gegend von Deutschland vergeblich zum zweiten mal sucht, und der – wenn man auf Gebirge renoncirt – nicht schöner gefunden werden kann. Denke Dir auf der einen Seite den heiligen See, dahinter eine herrliche Allee mit vielen Mühlen und ländlichen Häusern umgeben, dann die Stadt mit ihren Thürmen, zur Seite den Ruinenberg von Sanssouci, waldig und ehrwürdig, und hinter der Stadt eine Reihe Weinberge und Waldhügel. Nun wende Dich auf die andere Seite und sieh die Havel durch einzelne Schiffe verschönert, in Krümungen dahin fließend, dann einen andern See bildend von Bergen umgeben mit Landhäusern mancher Art an ihrem Fuß, und über drei Gewäßer hinüber im Hintergründe die einsame Pfauenlnsel. Eine Beschreibung kann und soll das freilich nicht seyn; es sind nur die einzelnen Ingredienzen aus denen Du Dir das ganze nicht zusammensezen sollst, sondern nur denken daß es nicht anders als | schön und reizend seyn kann. Der Garten selbst ist noch wenig. Er ist erst seit 6 Jahren angelegt und man hat deswegen fast lauter schnellwachsende Hölzer hineingesezt die eben nicht die schönsten sind, er kann aber der Anlage nach sehr schön werden. Ein paar kostbare Grotten und Eremitagen die noch darin sind schenkst Du mir wol. Sacks eilten gegen 8 Uhr nach Hause, und wir gingen noch, um auf unserm geliebten Pläzchen am neuen Palais ein kaltes Abendbrodt einzunehmen. Das war freilich eine gute halbe Meile zu gehn, Männer und Frauen waren müde, es wurde spät und dunkel, aber die gute Laune verließ uns nicht und wir waren noch bis eilf Uhr recht vergnügt. Dies schöne Pläzchen sollten denn Sacks am folgenden Morgen auch sehn. Die Mädchen schliefen dicht neben meinem Zimmer und da sie um 4 Uhr schon munter waren so wekte mich ihr Getöse auch. Um 5 Uhr tranken wir schon alle Kaffee, und um 6 Uhr führte ich das junge Volk voran nach dem Garten von Sanssoucis. Unter 10 jungen Mädchen – 5 Sack und 5 Cottwiz – war ich recht in meinem Esse wie Du denken kannst. Die Terrassen hinauf und hinabgestiegen, die Aussicht aus dieser und aus jener Eke gesehn, unter der Orangerie gelustwandelt, im Rasen gelagert, genekt, gespielt, Sträußer gepflükt EichenGuirlanden gewunden – und so wurde der Garten nach allen Richtungen durchstrichen. Das Japanische Haus und den Tempel der Freundschaft hatte ich in den vorigen Tagen auch noch nicht gesehn. Ersteres besteht aus einem runden Saal der von 2 ofnen Colonnaden und 3 kleinen Kabinetten umgeben ist; es war der liebste einsame Aufenthalt Friedrich des Großen und verdiente es zu seyn. Hier feierte er den Frühling, und in dem einen Kabinet sieht man noch seinen Schreibtisch und 2 sehr zerseßene Fauteuils; in dem andern Kabinet stand sein Feldbett und das dritte bewohnten 2 Laquaien – so verlebte er die ganze Nachtigallenzeit. Das SchreibKabinet ist mit den Tapeten ausgeschlagen die ihm der chinesische Kaiser selbst geschenkt hatte. Im mittleren Saal, der eine rotonda ist hat der Zufall ein architektonisches Kunststük zu Stande gebracht, welches einen wunderbaren Eindruk macht. Wenn man nemlich grade im Mittelpunkt steht und gegen die Wölbung der Kuppel spricht, so wiederholt ein höchst deutliches Echo die Worte; es fällt aber so grade auf die Lippen des sprechenden zurük daß sogar seine nächsten Nachbarn den Wiederhall nicht hören. Auf eine schauderhafte Art befindet man sich also hier mit einem Geist allein, deßen Rede sonst Niemand vernimmt, die Mädchen fuhren schrekhaft zusammen. Stellt man auf diesen Mittelpunkt einen von den ledernen Stühlen des Saals und schlägt mit einem Stok darauf, so gleicht der Schall dem stärksten Kanonenschuß und hallt lange wieder wie ein Donner in Gebirgen. Am bestimten Plaz fanden wir schon den Hofprediger und seine Frau; die waren wieder eine Stunde früher gekommen als Madame Lombard, die uns hier mit Chokolade bewirthen wollte [die] sie bestellt hatte, und waren wieder eilig und ungeduldig, krakelten als diese mit Spaldings kam und fuhren weg als sie kaum die Chokolade hinunter hatten. Ich aber blieb mit Spaldings noch da, wir lagen noch eine Stunde wolbehaglich im Grase, durchstrichen noch einmal den Garten, und kamen gegen eins zurük. Die Hofpredigerin mit ihren Töchtern waren schon weggefahren, ich fuhr mit ihm und den Fräulein um 2 Uhr ab, Spaldings blieben noch da. Um 5 Uhr waren wir an den Thoren von Berlin; ich stieg bei der Herz ab, wo wir vorbeifahren mußten, und sah den Abend noch viel Menschen bei ihr: eine baronisirte Wiener Jüdin eine deutsche Gräfin, einen französischen Chevalier und einen englischen Kaufmann. |
den 12ten Juni. Ich soll diesen Sommer wie es scheint aus dem Unglük nicht herauskommen; nun ist mir die Herz krank geworden, und leidet viel. Sie hat ein dreitägiges Fieber wobei sie aber statt des Frostes allemal die heftigsten Magenkrämpfe bekommt. In welcher Angst wir waren als sie diesen Zufall zuerst bekam kannst Du Dir denken: ihr Mann war in der Stadt, zum Glük war es so früh des Morgens daß er noch nicht ausgefahren war, aber doch dauerte es ein paar Stunden ehe er kam. Unterdeß standen ihre Schwester und ich und Dohna und wußten nicht was wir machen sollten, und als Herz kam währte es wieder ewig ehe Medicin kam, kurz die Arme mußte viele Stunden leiden ehe sie einige Erleichterung erhielt. Sie wollte eben in diesen Tagen eine kleine Reise zu einer Freundin aufs Land machen worauf sie sich sehr gefreut hatte, das ist ihr nun auch wahrscheinlich auf lange verdorben. Daß sie draußen im Garten wohnt ist höchst unbequem in jeder Rüksicht und besonders für ihren Mann, der so unmöglich sie und zugleich auch seine Patienten gehörig besorgen kann, und dennoch fürchten wir uns ihr den Vorschlag zu thun daß sie in die Stadt ziehn soll; sie möchte daraus schließen daß Herz eine langwierige Krankheit vermuthe. Mein schönes Sommerleben wird nun auch gar sehr unterbrochen. Zu Hause habe ich keinen Tag rechte Ruhe weil ich wegen der großen Entfernung keine Nachricht haben kann als die ich selbst hole, und mit meinen Arbeiten, deren ich eben nach der Rükkunft von Potsdam so mancherlei unternommen hatte geht es schlecht; unsre gemeinschaftlichen Beschäftigungen, die uns beiden sehr werth waren, der liebliche Tasso und der herrliche Shakspeare sind ganz unterbrochen, und die liebe Freundin so leiden zu sehn ist um so mehr quälend da sie nicht einmal den Vortheil genießt sich an ihrem guten Tage wohl zu befinden. Ihr Magen ist dann von den heftigen Krämpfen so angegriffen, daß sie mit beständigen Uebligkeiten zu kämpfen hat. Herz, der sonst unter die ersten Aerzte Berlins in jeder Rüksicht gehört, verliert den Kopf gleich wenn seine Frau krank ist, und wird peinlich und unentschloßen ganz gegen seinen Charakter. Er will ihr Morgen seinen Freund Selle schiken, der ist aber wieder so sehr entfernt und wird sie schwerlich oft besuchen können – kurz es ist ein großes Elend. In Landsberg geht dagegen alles gut, so gut daß der Doktor die Reise ins Bad, die er Emilien verordnet hatte wieder contremandirte; das ist denn doch etwas. Die Benike quält mich ich soll meinen Besuch beschleunigen ehe sich etwa neues Unglük ereignet aber der Himmel weiß ob und wann ich dies Jahr werde hinkommen können.
Allerlei Neuigkeiten habe ich Dir noch zu erzählen aber sie sind mir unter den Händen ziemlich alt geworden. Ich habe Briefe von der Mutter gehabt und bin ihr noch Antwort schuldig; die Kleinen haben die Masern gehabt und sind glüklich hergestellt; die Schneidern hat sich jezt bei ihr in die Kost gegeben, was den Kleinen auch noch nüzlich seyn kann, und mit dem jungen Fürsten, der sich allgemein sehr beliebt macht, scheint sie auch recht zufrieden zu seyn. Dann ist auch Herr Bahr aus Pless hier gewesen, der mir diesen Brief und die Gelder gebracht hat; ich habe ihn aber nicht gesehn. Er ließ da er mich nicht fand eine Charte mit seinem Namen | und Logis hier, da ich aber ein paar Tage darauf in seinem Logis anfragte war er ausgezogen, und die Leute wußten nicht zu sagen wohin. Das hat mir sehr leid gethan. Eben so ist Madame Mullendorf aus Breslau hier gewesen ohne daß ich sie gesehn hätte, und hierüber mache ich mir einige Vorwürfe da ich ihr Logis wohl gewußt habe. Sie wohnte zwar in einer Gegend die ich fast nie im Sommer betrete aber ich hätte es mir doch nicht sollen gereuen laßen um die vertraute Freundin unserer seligen Mutter zu sehn. Zu der unglüklichen Zeit in der es grade war gehört eben auch dies. Was für Erinnerungen würden in mir lebendig geworden seyn wenn ich diese beiden lieben Leute gesehn hätte.
den 16ten. Heimlich habe ich immer gedacht es würde vor Absendung dieser Epistel mit der es so sehr lange währt noch eine von Dir ankommen. Nun es aber bis jezt nicht geschehen ist sollst Du mir auch gewiß nicht zuvorkommen und er soll Uebermorgen auf die Post. Ich kann ihn mit ziemlich guten Nachrichten schließen. Ich habe von Karl nun einen zweiten ziemlich ausführlichen Brief aus Stettin. Er gefällt sich sehr und es scheint als ob es bei seiner Anstellung im Comtoir bleiben würde, welches eine große Auszeichnung und für ihn auch der nüzlichste Plaz ist. Die Lage gefällt ihm, sein Principal gefällt ihm und er hat auch unter seinen Kameraden schon einen gefunden der sich an ihn attachirt. Es freut mich um so mehr, da ich die Veranlaßung gewesen bin ihn dahin zu bringen. Die Herz ist auch sehr auf dem Wege der Beßerung und ich denke sie soll in acht Tagen ganz wiederhergestellt seyn. Als dann geht auch der ältere Schlegel wieder ab, und ich bekomme den meinigen wenigstens zum Theil wieder und hoffe ganz in mein gewohntes Leben zurükzukehren. Dann wird es auch wol mit meiner Gesundheit wieder gehn die seit einigen Tagen nicht sonderlich gewesen ist. Wir haben hier solches Wetter bei dem es, wenn man an die Luft geht fast unmöglich ist sich nicht zu erkälten und ich habe einige Tage viel an jenen Koliken gelitten die mich als Kind so quälten. Wäre der Weg nicht so weit und die Post nicht so theuer, und meine Verlegerin zu Hause so hätte ich Dir mit dem Briefe ein Exemplar von den englischen Predigten geschikt, die ich ins Deutsche übersezt habe und die nun endlich erschienen sind. Sie würden Dir zwar schwerlich sehr gefallen als Predigten wol gar nicht, als schöne Reden vielleicht[,] als ein Werk meines Fleißes und als eine Probe wieviel Mühe ich mir mit so etwas geben kann würden sie Dir aber doch wol interessant seyn. Mir haben sie – sonst würde ich sie gewiß nicht übersezt haben – sehr behagt, nicht nur als Produkte eines originellen Kopfs und als Meisterstüke einer gewißen Art von Beredtsamkeit, sondern mehr noch als Beweise wieviel man leisten, und um wie viel eindringlicher und gewichtiger man reden kann wenn man vor einer gleichartigen nicht allzu gemischten Versamlung redet, und gewiß weiß, daß jeder der da ist gewiß nur deswegen da ist weil er an der Sache Geschmak findet, und von den persönlichen Vorzügen des vortragenden überzeugt ist. (Ehe ich von Predigten abkomme frage ich Dich noch ob Du nicht noch eine von mir hast, die nemlich über den Werth des öffent-|lichen Gottesdienstes. Ich kann sie unter meinen Papieren nicht finden, und da es möglich ist daß ich sie diesen Herbst brauche, so sei so gut und schike sie mir einmal in einem Deiner Briefe zurük) Deinen Wunsch etwas von mir gedrukt zu sehn kannst Du jezt noch auf eine andere Art erfüllen; aber freilich nur sehr im Kleinen[.] Die beiden Schlegels nemlich geben zusammen ein neues Journal heraus unter dem Titel Athenäum. In dem zweiten Stük desselben steht unter der Rubrik Fragmente eine große Menge einzelner Gedanken, von denen freilich viele, welche sich bloß auf die abstrakte Philosophie beziehen, Dich eben nicht intereßiren können; andere aber wirst Du gewiß gern lesen. Unter diesen nun sind mehrere von mir, und ich überlaße Dir, wenn Dir dies Journal zu Gesicht kommt heraus zu finden wo Du etwas von meiner Art witterst; ich dächte es sollte Dir nicht schwer werden mich zu entdeken. Schiken kann ich Dirs nicht weil man einzelne Stüke nicht bekommt; auch wird das zweite Stük nur eben erst gedrukt. So weit hat mich nun Schlegel gebracht, aber daß ich etwas größeres schreiben sollte, daraus wird nun nichts. Ich kann meine Zeit beßer brauchen und überdies macht es mir eine höchst unangenehme Empfindung etwas von mir gedrukt zu sehn. Kaum habe ich es bei diesen paar Gedanken ausgehalten, die zusammen wol schwerlich einen Bogen ausmachen. – Es hat mich gefreut einmal wieder etwas von Deiner Lektüre zu hören. Udolfos Geheimniße kenne ich nicht; aber wol die Dame die es aus dem englischen übersezt hat und die im vorigen Jahre einige Wochen hier gewesen ist. Romane kommen jezt überhaupt nicht vor meine Augen; statt aller andern habe ich vor einiger Zeit mit der Herz den Wilhelm Meister wieder gelesen. Ihre Krankheit hat aber eine Unterbrechung gemacht und wir sind mitten in den Bekentnißen einer schönen Seele stehen geblieben. Daß Goethe hiebei irgend einen Original Aufsaz in Händen gehabt hat ist mir sehr klar, und ich getraue mich sogar mit der größten kritischen Gewißheit ganze Stellen anzugeben die gewiß ächt und bis auf Kleinigkeiten unverändert und andere die gewiß sein Machwerk sind. Im Anfang hat er gewaltig viel theils gemacht theils anders zusammengestellt um die ganze Denkungsart, wie die Leute sagen, psychologisch einzuleiten und verständlich zu machen, und hat dadurch eigentlich nichts verständlich gemacht als daß er nichts davon versteht. Die Anmaßung auch so etwas in einem Buch zu haben welches gewißermaßen die ganze menschliche Natur umfaßen soll hat sich selbst gestraft. – Ich rede als ob Du den Wilhelm Meister gelesen hättest und weiß es doch nicht; ich wollte aber wol Du läsest ihn, der Merkwürdigkeit wegen. – Du hast Stillings Theobald gelesen und ich gebe Dir vollkommen Recht daß es wol gut wäre wenn das Buch bei Euch häufiger gelesen würde, es ist viel daraus zu nehmen. Weißt Du denn aber auch welch ein besonderes Interesse das Buch für uns hat? Da Du gar nichts davon erwähnst so zweifele ich daß Dir der Vater davon gesprochen hat. Der alte Darius nemlich, der eine der Hauptpersonen im Buch ist, ist unser seliger Großvater in Arnheim. Das schrieb mir der Vater einmal nach Halle, und aus diesem Wiedererkennen seines | Vaters in einem Buch von Stilling schreibt sich gewiß der Briefwechsel her, den er eine Zeitlang mit ihm unterhalten hat. Einen andern unserer lieben Schriftsteller Friedrich Richter, den Verfaßer des Hesperus werde ich wahrscheinlich in einigen Wochen sehn; er hält sich jezt in Leipzig auf und will eine Reise nach Berlin machen.
den 17ten. Da habe ich diese Nacht bei der Herz wachen müßen die wieder heftiges Fieber hatte, ihre Nacht ist aber erträglich gewesen weil ich sie scharf zum Trinken angehalten habe. Herz mußte anderer Patienten halber in der Stadt [sein] und wollte sie für diesmal ihren Schwestern allein nicht antraun. Hätte ich es vorher gewußt so hätte ich diese Epistel eingestekt und noch was ehrliches mit Dir geplaudert; so hat es mir den gestrigen Abend und den heutigen Morgen derangirt und ich muß diesen Brief fortschiken ohne so manches berührt zu haben wovon ich gern gesprochen hätte. So geht es mir: das Fertigmachen ist mir so ganz abgesprochen daß ich nicht einmal einen Brief fertig machen kann. Aber bitte Liebe laß nun auch bald etwas von Dir hören, und zwar was Gutes; mich verlangt nach Nachrichten von Dir um so sehnlicher, weil ich fast von lauter Unglük umgeben bin. Und schreibe mir recht viel von allen den Lieben von denen ich in Deinem lezten Briefe nur wenig gehört habe. Wo ich nicht sehr irre ist heute oder Morgen Lotte Schlegels Geburtstag, versichere sie meines herzlichsten Andenkens. Ach wieviel habe ich in dieser Zeit an die schönen Tage vor zwei Jahren gedacht! sie sind noch immer der Pol um den sich ein großer Theil meiner Erinnerungen dreht. Lebe wol und erfülle mir bald meinen Wunsch
Dein treuer Bruder
Fr. S.