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Friedrich Schleiermacher to Alexander von Dohna

Berlin d 20t. Junius
Sehr erfreulich ist es mir gewesen Sie, liebster Graf, so unerwartet schnell in Schlobitten in dem schönen Kreise der Ihrigen zu wissen. Dies ist ein so gutes Augurium für Ihre Reise, daß ich nicht zweifle, Sie werden auch dem erfreulichen Feste in Königsberg beiwohnen können. Hoffentlich wird dort nicht Einer von den Ihrigen fehlen, und noch manche entfernt theilnehmende werden in alle frohen Empfindungen mit einstimmen. Wenn es mir nicht gelingt noch bis dahin an Graf Wilhelm zu schreiben denn heute ist es mir leider wieder unmöglich so versichern Sie ihn doch gelegentlich meiner lebhaftesten und herzlichsten Theilnahme.
Sie können aus diesem Umstande abnehmen daß auch mir, ohnerachtet ich nicht reise, und der weltlichen Geschäfte so gar keine habe, die Stunden recht sehr besezt sind[;] ein unglükseligeres Gedränge von Arbeiten hat noch nicht auf mir gelegen. Bei unserer Freundin bringe ich mehrere Male in der Woche die Mittagstunden zu, welche dort die ruhigsten, und mir die bequemsten sind, aber auch so knapp zugeschnitten als möglich; und auch wenn das Wetter besser gewesen wäre hätte ich es noch nicht ein einziges Mal zu einer Morgenpromenade mit ihr bringen können. Von dem schönen Frühjahr, welches Gräfin Friederike rühmt haben wir hier kaum noch eine dunkle Erinnerung, und leben so sehr im Winter daß man seit mehreren Tagen einheizt. |
Es ist vortreflich daß Sie mit dem D. [Walter] zufrieden sind; aber warum finden Sie es so unwahrscheinlich daß die lezten Spuren von Schwächlichkeit in diesem Sommer, wenn anders noch Sommer wird, gänzlich verschwinden können? Ich lebe sehr dieser Hofnung, und wenn Sie mir nicht von dem sehr kränkeln noch etwas näheres zu sagen wißen, so will ich mich auch nicht von Ihrem Unglauben ansteken lassen. Bitten Sie nur die Gräfin um Gottes willen, daß sie nicht in Königsberg wieder die lasterhafte Bescheidenheit ausübt, sich zu sehr zu geniren um Andere nicht zu geniren, und sich dann den schreklichsten Erkältungen auszusezen. Das könnte freilich die schönsten Hofnungen verderben. Was Sie uns übrigens mit dem Briefe dieser liebenswürdigen Schwester für ein angenehmes Geschenk gemacht haben, darüber darf ich Ihnen nichts weiter sagen. Das schöne Gemüth und der reine moralische Sinn offenbart sich überall darin, und was kann man lieberes, und fast auch seltneres sehen? Wie gern möchte unser einer, der seine Gesundheit zum Ueberfluß hat ein ansehnliches davon auf sie übertragen, die auch dies so ganz aus dem höheren Gesichtspunkt des geistigen Interesse ansieht.
Den Graf Louis grüßen Sie mir doch schönstens und bitten Sie ihn mir gelegentlich wenn er Zeit hat etwas von Kriegsschiffen zu schreiben. Er weiß wie weit sich meine Anschauungen von dieser Sache erstreken nemlich auf das was wir zusammen in Danzig gesehn haben, und wird | mich über Manches, worüber man durch Bücher nur zu unrichtigen Vorstellungen veranlaßt wird eines Besseren belehren können. Es wäre ein recht gutes Werk von ihm. Von hier sind mehrere Leute der Flotte wegen nach Rostock gereist, und ich habe ihnen sehr recht gegeben.
Von Herz habe ich Sie schon lange grüßen, auch danken sollen und mit Mylius habe ich mich bereits in Rapport gesezt, auch schon viele Bücher erhalten. Mit dem Hefte will ich wenn Sie es erlauben Ihre Aufwärterin die in Ihrer Wohnung selten anzutreffen ist zu Beschleunigung der Sache verschonen. Erschroken bin ich aber über die Menge von fehlenden einzelnen Theilen! Gewiß hat der größte Theil davon Schlobitten gar nicht gesehn, sondern sich bei Ihnen oder durch Ihr generöses Verleihen verkrümelt. Ließe sichs doch irgend machen so würde ich gar zu gern Ihr Bibliothekar aber schon der Umweg die Sachen durch mich besorgen zu lassen würde Ihrer Ungeduld unerträglich sein.
Vor zwei Jahren hörten Sie in Königsberg sehr unerwartet von meinen Reden sprechen; ich wollte Sie hörten diesmal auf eine günstige Art, und an Orten wo es mir nuzen könnte von den Predigten reden. Denn angenehmeres könnte mir nichts begegnen als wenn man dort beim Abgang irgend eines alten Hofpredigers das Augenmerk auf mich richtete; denn außer Berlin, und Sie wissen wie wenig ich thun kann, um hier zu bleiben, möchte ich nirgends so gern sein als am schiefen Berge, besonders da Graf Wilhelm dort auf lange Zeit wenigstens angesiedelt ist, und von andern Brüdern auch wol immer etwas da sein wird, anderer Menschen deren Wolwollen ich mir zu erwerben hoffte nicht zu gedenken. Doch, was unterhalte ich Sie da mit meinen leeren Wünschen!
Vielen Dank, daß Sie Sich so bald nach Wedeke erkundigt | haben. Ich weiß noch gar nicht, ob ich mich freuen soll daß er gesund ist, da er mir gar nicht schreibt.
Adieu lieber Freund, laßen Sie Sichs recht wohl sein, quälen Sie Sich nicht zu sehr, empfehlen Sie mich allen den Ihrigen so sehr Sie nur immer können, und fahren Sie fort bisweilen an mich zu denken.
Schleiermacher
Von Ihrem erwarteten Gast habe ich noch nichts gehört. Einen nach Marienwerder adressirten Brief werden Sie doch wohl erhalten haben
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 20. Juni 1798
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Alexander von Dohna ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 333‒335.

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