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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Berlin, den 3ten Juli.
Vor der Hand geht mirs wohl genug. Das Unangenehme der Reise habe ich vergessen, und bin eben beschäftigt, mich zur Selbständigkeit zu recht zu setzen. Dabey werde ich viel an Dich denken können und denken müssen, theils weil Du doch auch ein Essayist, ein Rhapsode, ein sophistischer Mystiker bist, theils aber weil es da in den Mittelpunkt der Menschheit geht. Denn das Symmenschen (nicht manschen) werde ich wohl verschieben müssen, bis ich wieder bey Euch bin. Um aber doch etwas zu thun, haben wir Hardenberg zum Sympropheten citirt.
Da ich gestern die eigentlich Dir bestimmte Zeit durch einen Zufall verloren, und jetzt nur noch eine halbe Stunde Zeit habe, so will ich mich bloß an Fakta halten, und die Mysterien auf das nächstemal versparen. Ich werde Dir permanent schreiben wie der Veit, und ich rechne auch darauf, daß Ihr Euch gegenseitig das Gemeinsame mittheilt.
Mit Karolinen habe ich gestern schon in eigenen und öffentlichen Angelegenheiten viel gesprochen, und wir sind in beyden dem Reinen beträchtlich näher gekommen. In dem ersten durch häufige Anerkennung ewiger | Verschiedenheit, Scheidung und Nichtverstehung. In dem zweyten durch bloße Auseinandersetzung, und Wechselwirkung. –
Ueber meinen Uebermeister habe ich hier noch nichts bedeutendes vernommen. Wilhelm hat zu thun, und ist sub rosa Professor geworden, und für Karoline ist das erste Stück zu klein gewesen, um ihr einen recht entschiednen Eindruck zu geben. Sie giebt indessen doch zu, daß Goethe kein ganzer Mensch sey, daß er aber wie ich behaupte theils ein Gott theils ein Marmor ist, will sie nicht zugeben. So stehts mit ihr und ihre Absicht ist auch noch dieselbe.
Ich bin begierig, wie Dir der Uebermeister vorgekommen ist, und hoffe in Deinen Briefen nicht bloß den Aushängebogen für dieses Fach zu finden, obgleich wir auch diesen mit der größten Sehnsucht erwarten.
Der alte Herr hat so gut und schön als billig* über das Athenäum geschrieben, worüber Wilhelms höchlich erfreut sind. Karoline sagte, er würde die Ironie in meinem Aufsatze nicht merken. Das heißt viel sagen. – |
Wilhelms Professur hat sich ihm ärschlings genähert, oder ihm wie Hardenbergs Geist (innrer Mensch) der äußern Erscheinung zuerst den Hintern gezeigt. Er bekam nämlich einige Briefe von Kanzeleisten, die gehorsamst um 4 1/2 ß Gepiren ersuchten, und sich noch zu einem Tussär Hoffnung machten.
Friedrich Richter ist ein vollendeter Narr und hat gesagt, der Meister sey gegen die Regeln des Romans. Auf die Anfrage, ob es denn eine Theorie desselben gäbe, und wo man sie habhaft werden möchte, antwortet die Bestie: Ich kenne eine denn ich habe eine geschrieben.
Schreib mir recht genau über Deine Reise nach Landsberg, was die Herz macht, und was irgend interessant ist. –
Der Wilhelm hat so eine unruhige hastige Art, die ich ihm noch abgewöhnen muß. Sein Arbeiten ist zugleich das Arbeiten des Arbeitens. Aber einige sind doch hier gelassen mit denen ich symfaullenzen d. h. symexistiren kann: meine | Schwester und ihr drolliges Kind.
Körner, bey dem ich gestern den Abend verdorben, weil er doch so freundschaftlich war, ist etwas zurück gekommen, und die Kinder schrecklich gemein geworden.
Hast Du Dir den dritten Theil vom Shakespeare bey Ungers geben lassen?
Dies sind nun also die Fakta, die Mysterien kommen nach. Lebe wohl.
Friedrich S.
Karolinens Empfehlungen an den Herrn Prediger Schleiermacher.
*Er lobt uns über die Maaßen und empfiehlt nur Gerechtigkeit und Mäßigung. Diese sind nun so einmal seine Liebhaberey. –
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 3. Juli 1798
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 336‒339.

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