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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb. a. d. W d. 18ten Juli 98
Sie haben wohl Recht, mein lieber Neveu, daß eine solche Schlafsucht einer der fatalesten Zufälle ist, der einem vernünftigen Menschen begegnen kann, und Sie werden gewiß recht froh seyn daß Sie endlich zum Aderlaßen sich entschloßen, nur war der schlime Arm abermals ein widriger Zufall, um so mehr, da Sie mit dadurch sind abgehalten worden, die Predigt zu hören, die ich mit so vieler Rührung gelesen habe. Wollte doch Gott, daß das was zu den Ständen von Aufrechthaltung der Religiosität und Moralität gesagt worden recht tiefe Eindrücke möge gemacht haben! Aber ich fürchte sehr, daß es – leider bey einem großen Theil – wohl tauben Ohren gepredigt seyn dürfte Ich las heute in der hamburgischen Zeitung einen herrlichen Zug von Ifland, da jetzt von dessen Veteran, woraus durch eine fehlerhafte Aussprache Wetterhahn geworden, soviel geredet und geschrieben wird, so wünschte ich wohl ihn zu lesen, und ersuche Sie daher, wenn er, wie zu vermuthen, einzeln zu haben ist, ihn gefälligst mir mitzubringen Was unsere gute Benike betrifft, so haben Sie ganz recht errathen, daß D. Stisser das Bad angera- then; da sie heute bey uns war, und natürlich auch von Ihnen und ihrem Briefe gesprochen ward, so habe ich mir eine kleine Lüge erlaubt, ich sagte ihr nemlich, daß Sie mir geschrieben, Sie glaubten, daß ein Bad vielleicht gegen ihre Krämpfe sehr heilsam seyn dürfte, und so könnten Sie ja in ihrem nächsten Schreiben ja wohl darauf ferner insistiren, daß wenn ihr der Arzt ein Bad anrathen sollte, sie ja solchen Rath befolgen möchte |
Meine gute Frau, die Sie, sowie unser David vielmals grüßen läßt, ist Montag vor 8 Tagen, sehr zufrieden von ihrer kleinen Reise, munter und gesund wieder zurückgekomen. Sie hat bei Inspektors logirt, ist auch in Stenzig gewesen, von Herrn Kriege hat sie dort gar sonderbare Nachrichten gehört, er schaltet da ziemlich eigenmächtig, die Gemeinglieder sind sehr unzufrieden, die KirchenAeltesten hat er wie Nullen betrachtet, darum haben beyde sich zurückgezogen. Inspektor Stosch ist da gewesen, hat sich aber etwas sonderbar genomen, die Gemeine vermuthete, er würde sie nach der Predigt vernehmen, aber er ist lieber mit Herrn Kriege bey Schulzens zu Gaste gegangen, und hat Lachmann gebeten, daß er doch Kriege mit gutem Rath unterstützen möchte. Da Kriege gern viel Einnahme haben will, so hat er denn auch, nicht allein dem armen Manowsky das wenige Opfer, was etwa bey Taufen ins Becken geworfen wird, entzogen, sondern auch von jeder Taufe von jedem Kirchenschein gleich im voraus die Gebühren verlangt da kam aber ein Auswärtiger mit seinem Kinde, verlangte daß er es taufen sollte, und hätte vielleicht – wenn nicht Lachman geschwind zu ihm gelaufen und ihm gerathen hätte, das Kind zu taufen. Die Amtswiese, welche Schulze in Pacht der schon von mir verlangte, daß ich sie ihm käuflich überlaßen möchte – hat Herr Kriege ihm für 150 rth verkauft, ob er dazu Consens gehabt, weiß niemand, was er mit diesem Gelde angefangen, auch nicht; nur ist es aufgefallen, daß er zu der Zeit gerade einige Schulden bezahlt und sich gerühmt er habe nun seinen Proceß mit dem ArmenDirectorio gewonnen, welches ihm nun alle seine Forderungen hätte bezahlen müssen. Da werden Sie nun wohl dort am beßten wissen oder erfahren können, inwiefern dies Grund habe oder nicht – so wie auch ob es gegründet, daß er von Berlin vom KirchenDirectorio eine Zulage erhalten so daß seine Stelle sich jetzt an 600 rth belaufe |
Inspectors hatten sehr darauf gehoffet, daß ich Maman abholen würde, ich hatte es auch halb und halb versprochen, es wollte sich aber nicht thun laßen und nun ist es mir hintennach recht sehr lieb, daß ich nicht da gewesen denn in welcher unangenehmen Lage würde ich mich nicht befunden haben. Auch Herr Stosch hat gemeint, daß es am beßten seyn würde, wenn Herr Kriege recht bald in eine andre Stelle versetzt werden könnte, und er soll sich um die in Schwed beworben haben – ich weiß aber nicht, ob diese nicht schon besetzt A propos Wer hat denn Ulrichs Stelle am Werder? Nun muß ich wohl für heute gute Nacht wünschen
den 28ten Schon über 8 Tage hat dieser Brief hier gelegen, und in einer Rüksicht ist es mir ganz lieb, indem ich Ihnen nun doch schreiben kann, daß die gute Benike von ihren Krämpfen nun so ziemlich frey, daher jetzt vom Bade nicht mehr die Rede ist
Da Sie unsere Besoldungen uns mitbringen wollen, so erfolgen anjetzt die Quittungen, und wir hoffen Sie vielleicht in 14 Tagen hier zu sehen, Sie schreiben ja – erst in der letzten Hälfte des Augusts aber warum wollen Sie denn so lange warten, jetzt ist ja noch die angenehme Zeit und wer bürgt uns dafür, daß wir nicht etwa früh Herbstwetter bekomen? Sollten Sie aber wirklich erst in der letzten Hälfte August herkomen, so habe ich wohl Hoffnung noch vorher ein Brieflein von Ihnen zu erhalten
Hoffentlich wird Ihre Strohwittwerschaft doch auch nicht lange gedauert und Sie bey ihrer Rükkunft aus Freyenwalde ihren Freund schon wieder gefunden haben; denn es ist, wenigstens nach meiner Erfahrung und meinem Geschmack doch [nun] nichts mit dem Strohwittwerstande Das Gedicht was wir in dem July der Jahrbücher hatten, war vermuthlich vom Bruder ihres Freundes | aber wer ist der Herr Novalis, der unter der Ueberschrift Glaube und Liebe uns so schnakisch zu unterhalten wußte?
Nun aber ist es Zeit, daß ich diesen Bnef schließe, da zumal heute Sonnabend ist Vielen herzlichen Dank an Freund Sack und Vetter Reinhardt für ihr freundschaftliches Andenken nebst den aufrichtigsten Empfehlungen Vielleicht bringen Sie mir von der Huldigungsrede ein 2tes Exemplar damit ich jenes erste an Herrn Baethe, der noch immer kränkelt [geben kann]
Noch eins, was ich von Kriege und auch von Inspektor Stosch geschrieben habe, bleibt ganz unter uns beyden Leben Sie recht gesund und glüklich[.] Viele herzliche Grüße von Mama und David.
Ihr aufrichtig treuer Oheim Stubenrauch
Daß Obern eine so schnakische Heirath trifft mit der geschiedenen Garagnon habe ich doch wohl nicht in meinem letzteren vergessen Ihnen zu schreiben. Sollte dies seyn, so lege ich jetzt die Carte bey, die er ausdrüklich für Sie mitgeschickt hat.
Metadata Concerning Header
  • Date: 18. bis 28. Juli 1798
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 352‒356.

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