Gdfr d. 23 July 1798
Nicht wegen eines Einschlußes – der dismahl doch auch erfolgt – sondern weil eben kein ganzer Bogen bei mir zu haben – und ich ganz ohnmöglich in den Laden gehen kann – nehme ich den halben Bogen in diesem Format ich bin eben noch mit keiner neuen Strikerey besorgt – kan also diesen ZwischenRaum meiner Stunden nicht beßer benuzen, als mich mit Dir lieber Bruder zu unterhalten in einigen Tagen muß dieses Blatt fort – ach! schon seit 8 Tagen ruft FreundtschaftPflicht und FreundtschaftsSchmerz mich auf Deinem theilnehmenden Herzen zu sagen daß die Gute – die durch Leiden hier schon bewährte Dulderin – dort schon den reichen Lohn für alles was sie gekränkt in ungetrübter Seeligkeit genießt! ach! Bruder! danke mit mir | dem freundlichen Herrn für die sanfte Vollendung unsrer verewigten Zimerman. In der Nacht vom 15ten – bis 16ten – rührte sie der Schlag – eine halbe Stunde vor des Tages Anbruch da sie vor 36 Jahren getraut wurde; Tages vorher Sontags – ist sie noch sehr munter gewesen – spazieren gegangen und alle Bekanten – Große und Kinder recht freundlich gegrüßt – ich aber habe sie nicht gesehen – sondern Mitwochs vorher – noch einige unvergeßliche Stunden mit ihr verlebt – Heut 8 Tage früh um 8 saß ich im Garten, recht heiter, wolte noch vor der Schule auf den GottesAker gehn – siehe da komt meine edle Frize Graf – bringt nach und nach | mir die betrübte Nachricht bei, ich konte und mochte es nicht faßen – als sie sagte „wenn die gute Zimmermann einmahl plözlich aller Leiden überhoben wäre“ – ich sehe sie an – und die Gute die sich nun nicht länger halten kan, sagt – „o Lotte, sie ist unbeschreiblich glüklicher“ als wir – ach! ja wohl – aber was habe ich verlohren O! Lieber! Du hast sie gesehen, gewiß auch geschäzt – aber – Du weist es so nicht und niemand hier – als ich – was sie mir war – wie schäzbar durch alle ihre Leiden – o Bruder! grade als wie bei dem Verlust unsers unvergeßlichen Vaters – ist mir der Gedanke, sie nicht mehr zu sprechen kaum faßlich – und ertragbar – | Daß ich nicht hingieng ihre Leiche zu sehn und mich noch weniger entschließen kan, in die Nähe des Hofpredigers zu kommen wirst Du Dir wenn Du Dich in unsre enge Verhältniße verstanden, leicht denken – Pritwizens (alte) Cunows Wagners hier aus dem Laden – waren alle dort – doch nicht mit zu Grabe – ganz stille ist sie in Ditmansdorf dem Graf von Kleutsch gehörig – beerdigt – Baron Cotwiz – und der Hofmeister – sind mit dem Hofprediger gefahren – ein Sterbekleid wie es hier Brauch ist hatte sie an – eine ihrer gewöhnlichen feinen Schlafhauben mit blauem Bande auf dem Kopf – Bruder ich kan nicht mehr schreiben. |
den 25ten July
Heute ergreif ich die Feder! um mich ein wenig aufzuheitern – meine Frize ist nicht in der Stube die mir bei meiner jezigen Stimung zu wahrem Trost ist
Süßes schönes Freudenspiel!
wenn die Zähre rollt
Und des Freundes Mitgefühl
Uns die Seinen zollt.
Seufzer aus der vollen Seel
die der Freund bemerkt
werden dann ein LindrungsOehl
das uns fühlbar stärkt.
Fest hatten wir uns gestern und Heute vorgenomen, den Nachmittag im Garten zuzubringen aber leider alles gescheiterte Pläne – gestern war es kein unangenehmes dazwischen komen – wir waren bei Comtesse Lisetten aber doch kein Solo wo wir von Zimmermann sprechen konten – heute ist sie in Geschäften weg – und ich es ist Mitwoch! allein hier | Heut vor 14 Tagen war ich das lezte mahl bei ihr – und jezt – nie mehr zu ihr – ach! hätte ich Dich jezt hier – um meinen Schmerz in Dein theilnehmendes Herz auszugießen gewiß würdest Du mirs gern vergönen mit Dir von ihr zu sprechen – von der Unvergeßlichen. Ach! wie gern las und hörte sie auch aus Deinen Briefen – aber seit jener SpazierFahrt vorm Jahr im September konte sie nichts mehr von Deinen Briefen oder dergleichen Mittheilungen faßen – von Deiner Bekantschaft mit Schlegel weiß sie nur mündlich etwas, wir sprachen noch das lezte mahl von Deiner Potsdamer Lustreise – der Alte unterbrach mich imer bei meinen Erzählungen. Sie war so freundlich – gewiß hat sie Dir noch alles gute gewünscht |
Bitte schreib mir doch nächstens was Du mit dem Aufsaz zu machen gedenkst den Du vor 2 Jahren mitnahmst über Fülle des Herzens – ich hätte ihn gern wieder zurük, weil die Edle mir ihn gab – ach – leider! werde ich wohl kein kleines Andenken von ihr bekommen – der Alte ist viel zu geizig. So sehr ich auch nach Briefen verlange – so wünsche doch dismahl daß Du den Deinen nicht eher abschikst bis Du diesen erhalten aber dan auch gewiß bald schreibst; auch gütigst meinen vorigen völlig beantwortest. Jezt noch eine andre Frage, hast Du Stolbergs Reisen durch einen Theil Teutschlandes Schweiz und Italien gelesen? schon seit 3 Jahren habe davon gehört – und jezt habe sie durch die Güte der Pritwiz gelehnt bekomen – o! sie sind prächtig |
Meine gute Frau, Renate Cristine geb. Hartmanin lebt nicht mehr! an meiner Seite volle 36 Jahre war sie mir treuste Begleiterin sie kämpfte vieljährige schwere Kämpfe, und siegte gestüzt auf Jesum den Ueberwinder des Todes und des Grabes. Den 15ten July 1798 zu OberPeile.
Dis fand ich gestern in der BrüderZeitung angezeichnet – ich vermuthe daß es auch Dich interressiren wird; bis zu Euch wird es wohl nicht komen. Gestern ward ich noch durch eine andre Unterhaltung schadlos gehalten mit einem fühlenden Wesen! die auch durch Leiden ins Entbehren Andrer sich versteht – auch war gestern ein unvergleichlicher Abend!!! – |
den 29ten July 1798
Nach langer Zeit habe wieder einmahl ein Stündgen mit der Pritwiz gesprochen, wir sind so eben fertig und ich eile Dir noch zum Schluß Nachricht von ihrer gemachten Bekantschaft zu geben, bei welcher sie auch unsrer oder eigentlich Deiner gedacht, aber nicht gesprochen; es sind ihre cousins – aus Preußen die jungen von Taubadels die auf Urlaub in Schlesien sind – und einige glükliche Tage in, und außer Kuchendorf mit ihr verlebt haben – der alte Vater, hatte, die Schwester des alten Pritwiz zur Frau; diese jungen Leute nun sind auch in Schlobit- ten bekant, und sprachen mit vieler Wärme von dem Hause besonders aber von den Comtessen waren verwundert daß Lisette auch von ihnen wüste – das Rätsel aber wie, und woher hat sie ihnen nicht aufgelöst. | Schreibe mir doch ob die Menschen Dir bekant – sie stehn in Danzig unter dem Brunikschen Regiment. Nun noch etwas von und aus der Gemeine – gewiß ist auch Dir noch von alten Zeiten – der gute freundliche Sternberg bekant – dieser ist zu anfang dieses Monats sanft entschlafen nachdem er verschiedene mahl gelähmt und viel an seinem Cörper gelitten, aber nie die Heiterkeit des Geistes verlohren. Bruder Lorez schon lange auch sehr schwach that zu Anfang dieses Monats mit seiner Frau (er hat vor 5 Jahren wieder geheirathet) eine Gesundheits-Reise – kam den 18ten hier an – war ziemlich munter – wurde den 23ten früh am SchreibTische ganz sanft durch einen schnellen Schlagfluß vollendet – nun ruht er auf unsern GottesAker! wohl auch Ihm! wer weiß wie bald mann auch dort ist
Lotte
Nicht wegen eines Einschlußes – der dismahl doch auch erfolgt – sondern weil eben kein ganzer Bogen bei mir zu haben – und ich ganz ohnmöglich in den Laden gehen kann – nehme ich den halben Bogen in diesem Format ich bin eben noch mit keiner neuen Strikerey besorgt – kan also diesen ZwischenRaum meiner Stunden nicht beßer benuzen, als mich mit Dir lieber Bruder zu unterhalten in einigen Tagen muß dieses Blatt fort – ach! schon seit 8 Tagen ruft FreundtschaftPflicht und FreundtschaftsSchmerz mich auf Deinem theilnehmenden Herzen zu sagen daß die Gute – die durch Leiden hier schon bewährte Dulderin – dort schon den reichen Lohn für alles was sie gekränkt in ungetrübter Seeligkeit genießt! ach! Bruder! danke mit mir | dem freundlichen Herrn für die sanfte Vollendung unsrer verewigten Zimerman. In der Nacht vom 15ten – bis 16ten – rührte sie der Schlag – eine halbe Stunde vor des Tages Anbruch da sie vor 36 Jahren getraut wurde; Tages vorher Sontags – ist sie noch sehr munter gewesen – spazieren gegangen und alle Bekanten – Große und Kinder recht freundlich gegrüßt – ich aber habe sie nicht gesehen – sondern Mitwochs vorher – noch einige unvergeßliche Stunden mit ihr verlebt – Heut 8 Tage früh um 8 saß ich im Garten, recht heiter, wolte noch vor der Schule auf den GottesAker gehn – siehe da komt meine edle Frize Graf – bringt nach und nach | mir die betrübte Nachricht bei, ich konte und mochte es nicht faßen – als sie sagte „wenn die gute Zimmermann einmahl plözlich aller Leiden überhoben wäre“ – ich sehe sie an – und die Gute die sich nun nicht länger halten kan, sagt – „o Lotte, sie ist unbeschreiblich glüklicher“ als wir – ach! ja wohl – aber was habe ich verlohren O! Lieber! Du hast sie gesehen, gewiß auch geschäzt – aber – Du weist es so nicht und niemand hier – als ich – was sie mir war – wie schäzbar durch alle ihre Leiden – o Bruder! grade als wie bei dem Verlust unsers unvergeßlichen Vaters – ist mir der Gedanke, sie nicht mehr zu sprechen kaum faßlich – und ertragbar – | Daß ich nicht hingieng ihre Leiche zu sehn und mich noch weniger entschließen kan, in die Nähe des Hofpredigers zu kommen wirst Du Dir wenn Du Dich in unsre enge Verhältniße verstanden, leicht denken – Pritwizens (alte) Cunows Wagners hier aus dem Laden – waren alle dort – doch nicht mit zu Grabe – ganz stille ist sie in Ditmansdorf dem Graf von Kleutsch gehörig – beerdigt – Baron Cotwiz – und der Hofmeister – sind mit dem Hofprediger gefahren – ein Sterbekleid wie es hier Brauch ist hatte sie an – eine ihrer gewöhnlichen feinen Schlafhauben mit blauem Bande auf dem Kopf – Bruder ich kan nicht mehr schreiben. |
den 25ten July
Heute ergreif ich die Feder! um mich ein wenig aufzuheitern – meine Frize ist nicht in der Stube die mir bei meiner jezigen Stimung zu wahrem Trost ist
Süßes schönes Freudenspiel!
wenn die Zähre rollt
Und des Freundes Mitgefühl
Uns die Seinen zollt.
Seufzer aus der vollen Seel
die der Freund bemerkt
werden dann ein LindrungsOehl
das uns fühlbar stärkt.
Fest hatten wir uns gestern und Heute vorgenomen, den Nachmittag im Garten zuzubringen aber leider alles gescheiterte Pläne – gestern war es kein unangenehmes dazwischen komen – wir waren bei Comtesse Lisetten aber doch kein Solo wo wir von Zimmermann sprechen konten – heute ist sie in Geschäften weg – und ich es ist Mitwoch! allein hier | Heut vor 14 Tagen war ich das lezte mahl bei ihr – und jezt – nie mehr zu ihr – ach! hätte ich Dich jezt hier – um meinen Schmerz in Dein theilnehmendes Herz auszugießen gewiß würdest Du mirs gern vergönen mit Dir von ihr zu sprechen – von der Unvergeßlichen. Ach! wie gern las und hörte sie auch aus Deinen Briefen – aber seit jener SpazierFahrt vorm Jahr im September konte sie nichts mehr von Deinen Briefen oder dergleichen Mittheilungen faßen – von Deiner Bekantschaft mit Schlegel weiß sie nur mündlich etwas, wir sprachen noch das lezte mahl von Deiner Potsdamer Lustreise – der Alte unterbrach mich imer bei meinen Erzählungen. Sie war so freundlich – gewiß hat sie Dir noch alles gute gewünscht |
Bitte schreib mir doch nächstens was Du mit dem Aufsaz zu machen gedenkst den Du vor 2 Jahren mitnahmst über Fülle des Herzens – ich hätte ihn gern wieder zurük, weil die Edle mir ihn gab – ach – leider! werde ich wohl kein kleines Andenken von ihr bekommen – der Alte ist viel zu geizig. So sehr ich auch nach Briefen verlange – so wünsche doch dismahl daß Du den Deinen nicht eher abschikst bis Du diesen erhalten aber dan auch gewiß bald schreibst; auch gütigst meinen vorigen völlig beantwortest. Jezt noch eine andre Frage, hast Du Stolbergs Reisen durch einen Theil Teutschlandes Schweiz und Italien gelesen? schon seit 3 Jahren habe davon gehört – und jezt habe sie durch die Güte der Pritwiz gelehnt bekomen – o! sie sind prächtig |
Meine gute Frau, Renate Cristine geb. Hartmanin lebt nicht mehr! an meiner Seite volle 36 Jahre war sie mir treuste Begleiterin sie kämpfte vieljährige schwere Kämpfe, und siegte gestüzt auf Jesum den Ueberwinder des Todes und des Grabes. Den 15ten July 1798 zu OberPeile.
Dis fand ich gestern in der BrüderZeitung angezeichnet – ich vermuthe daß es auch Dich interressiren wird; bis zu Euch wird es wohl nicht komen. Gestern ward ich noch durch eine andre Unterhaltung schadlos gehalten mit einem fühlenden Wesen! die auch durch Leiden ins Entbehren Andrer sich versteht – auch war gestern ein unvergleichlicher Abend!!! – |
den 29ten July 1798
Nach langer Zeit habe wieder einmahl ein Stündgen mit der Pritwiz gesprochen, wir sind so eben fertig und ich eile Dir noch zum Schluß Nachricht von ihrer gemachten Bekantschaft zu geben, bei welcher sie auch unsrer oder eigentlich Deiner gedacht, aber nicht gesprochen; es sind ihre cousins – aus Preußen die jungen von Taubadels die auf Urlaub in Schlesien sind – und einige glükliche Tage in, und außer Kuchendorf mit ihr verlebt haben – der alte Vater, hatte, die Schwester des alten Pritwiz zur Frau; diese jungen Leute nun sind auch in Schlobit- ten bekant, und sprachen mit vieler Wärme von dem Hause besonders aber von den Comtessen waren verwundert daß Lisette auch von ihnen wüste – das Rätsel aber wie, und woher hat sie ihnen nicht aufgelöst. | Schreibe mir doch ob die Menschen Dir bekant – sie stehn in Danzig unter dem Brunikschen Regiment. Nun noch etwas von und aus der Gemeine – gewiß ist auch Dir noch von alten Zeiten – der gute freundliche Sternberg bekant – dieser ist zu anfang dieses Monats sanft entschlafen nachdem er verschiedene mahl gelähmt und viel an seinem Cörper gelitten, aber nie die Heiterkeit des Geistes verlohren. Bruder Lorez schon lange auch sehr schwach that zu Anfang dieses Monats mit seiner Frau (er hat vor 5 Jahren wieder geheirathet) eine Gesundheits-Reise – kam den 18ten hier an – war ziemlich munter – wurde den 23ten früh am SchreibTische ganz sanft durch einen schnellen Schlagfluß vollendet – nun ruht er auf unsern GottesAker! wohl auch Ihm! wer weiß wie bald mann auch dort ist
Lotte