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Friedrich Schleiermacher to Armendirektorium

Ein Hochlöbliches ArmenDirectorium hat kürzlich beliebt zu verordnen, daß in Abwesenheit eines von uns Predigern das Eßen desselben nicht mehr wie sonst zu geschehen pflegte den Domestiken verabfolgt, sondern zurük behalten werden solle. So sehr ich nun hierin die gute Absicht verehre, eine Ersparung zu machen von der Ein Hochlöbliches ArmenDirectorium glaubt daß Niemanden dadurch Abbruch geschieht, so muß ich mir doch die Freiheit nehmen eben in dieser Rüksicht folgendes dagegen gehorsamst in Erinnerung zu bringen.
Einmal sind unsere Aufwärter schon seit vielen Jahren daran gewöhnt, den Genuß des beßeren Tisches als einen Theil ihres ohnehin kümmerlichen Lohnes anzusehn, und da sie über das HospitalEßen, mit welchem Grunde kann ich nicht untersuchen, sich häufig beklagen, so müßten wir sie, um sie bei gutem Willen zu erhalten, für den Verlust des Eßens aus unserer Tasche schadlos halten, was doch um so härter für uns wäre da wir auf dieses Eßen als einen Theil unsres Gehalts doch einen gewißen Anspruch haben.
Zweitens aber kommen wir sogar in den Fall dieses Eßens selbst zu bedürfen. Wir können nemlich unmöglich einem Candidaten zumuthen, daß er um eine Nachmittagspredigt zu übernehmen, seine Mahlzeit zu Hause in der größten Schnelligkeit verzehre und dann in der heißesten Mittagsstunde den weiten Weg heraus mache und sich ganz ermüdet sogleich auf die Kanzel stelle. Wir müßten ihm ein Mittagsmahl bei uns anbieten, und würden dies ebenfalls für baares Geld besorgen laßen müßen.
Ich hoffe Ein Hochlöbliches ArmenDirectorium werde auch der Meinung seyn, daß das Gesuch jene Verordnung geneigtest aufzuheben, nichts unbilliges enthalte.
Da ich einmal von einem für Ein Hochlöbliches Armen|Directorium so geringfügigen Gegenstand habe sprechen müßen, weswegen ich gehorsamst um Verzeihung bitte so wage ich es schließlich noch die Anfrage unmaßgeblich hinzuzufügen:
ob es nicht thunlich seyn sollte mir – jedoch ohne Praejudicium für meine Nachfolger – anstatt des Tisches in natura den auf den ausgefertigten Listen dafür angegebnen Werth von 10 rth monatlich in Gelde anzuweisen?
Ich würde es nicht wagen Einem Hochlöblichen ArmenDirectorio eine solche Neuerung auch nur entfernt vorzuschlagen, wenn mich nicht eben das gedachte Decret zu der Voraussezung berechtigte, daß die Kirche, sobald für einen Kostgänger weniger angerichtet wird, den Werth seiner Mahlzeit auch wirklich erspart, und es also der Oekonomie gleichviel gelten muß ob sie diesen Geldeswerth verrechnet, oder dem zu beköstigenden unmittelbar auszahlt. Mir für meine Person würde ein großer Vortheil daraus erwachsen, indem ich mich in meiner Lage nicht nur für dieses Geld beßer beköstigen und noch eine beträchtliche Ersparung machen könnte, sondern auch, was noch mehr werth ist, der sich doch bisweilen ereignenden Veranlaßungen zu Beschwerden und Unzufriedenheit über diesen Artikel gänzlich überhoben wäre.
Diesen lezteren Vorschlag, so wie das erstere Gesuch dem geneigten Gutfinden Eines Hochlöblichen ArmenDirectorii gehorsamst anheimstellend verharre ich mit schuldigster Erfurcht
Eines Hochlöblichen ArmenDirectorii gehorsamster
der Prediger Schleiermacher
Berlin d 23t. Aug. 1798.
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  • Date: Donnerstag, 23. August 1798
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Armendirektorium
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 399‒400.

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