Landsberg den 9ten Spt. 98.
[...] Arme Freundinn, was ist Ihnen begegnet! dacht ich doch Wunder was für ein Unglück es wäre. Ja das müssen Sie allein fühlen; da kann ich Ihnen nun nicht helfen. Es ist freilich unbequem wenn zwei Personen eine geworden sind, und sind doch für den dritten noch nicht ein Individuum. Übrigens ist es mir eben recht daß Schlegel ein wenig den Corsaren gegen Sie spielt, und alles was er von Ihnen auf offener See oder an alliirten Küsten findet (Sie sehen ich habe eben die Zeitungen gelesen) als eine gute Prise auf|bringt, es giebt einmal kein ander Mittel gegen Sie. Was schadet’s auch, daß er alle guten Worte weiß die zwischen uns gewechselt werden, er kennt ja doch die innerste Quelle derselben und so könnte er sie in Ermangelung unserer Mittheilung aus eignen Kräften suppliren, und sein Recht daran läßt sich aus dem ewigen Gesetz deduciren daß jeder alles verdient was er sich anzueignen versteht. Ich habe nichts dagegen daß Sie Ihr Vertrauen nicht erzwingen, das aktive nemlich, aber auf das passive hat Schlegel doch durch seine doppelte Verbindung ein volles Recht und ich fordre es für ihn aus meinem Recht. Lassen sie uns wenigstens eine Welt seyn, Sie werden sehen es giebt einen schönen Sfärenklang und wir werden alle glücklich seyn. Lassen Sie sich auch nicht schwindeln! zwei solche Menschen überspringen sich nicht. Wenn ich nicht so viel Muth hätte und so viel aufs unvergängliche hielte, hätten Sie mir warlich bange machen können. Fühlen Sie denn nicht selbst die Ewigkeit von allem was ist und ist es nicht eine untrügliche sittliche Anschauung, daß dasjenige ist, was sich so offenbart? Sie üben durch diese Furcht ein kleines Vergeltungsrecht aus, waren doch jene auch bange, daß wir uns übersprängen. Ich weiß auch nicht wie Ihnen aus unserm Standpunkte diese Höhe so überhoch scheinen kann – wir stehen freilich auf einem andern Gipfel aber es | giebt noch nicht Maßtheorie genug für diese Größe um zu bestimmen welcher höher ist. Wer nur auf dem Boden gehen kann für den ist freilich eine Kluft dazwischen, die geht uns aber nichts an. Doch ich will mich über diesen Gegenstand nicht vertiefen, ich würde sonst zwar nicht mich, aber doch meinen Brief überspringen. [...]
Trösten Sie sich nur über meine 50 Jahre! Wozu wäre denn die ewige Jugend ewig, wenn es dabei auf Länge und Kürze ankäme. Lassen Sie uns in der Zeit die Qualität suchen, nehmlich das goldne; dies ist immer zugleich die schönste Anticipation der Quantität. Wenn wir uns das goldne Alter machen ist das nicht eben so gut als ob wir so wol hundert Jahre gelebt hätten, bis es etwa von selbst zu uns gekommen wäre? und so haben wir es noch dazu selbst gemacht. Es bleibt doch ein verzweifelter Unterschied zwischen einem Körper der chemisch beendet wird und einem den die Natur liefert, die doch immer ein Bischen wie Lafontaine arbeitet. –
[...] Arme Freundinn, was ist Ihnen begegnet! dacht ich doch Wunder was für ein Unglück es wäre. Ja das müssen Sie allein fühlen; da kann ich Ihnen nun nicht helfen. Es ist freilich unbequem wenn zwei Personen eine geworden sind, und sind doch für den dritten noch nicht ein Individuum. Übrigens ist es mir eben recht daß Schlegel ein wenig den Corsaren gegen Sie spielt, und alles was er von Ihnen auf offener See oder an alliirten Küsten findet (Sie sehen ich habe eben die Zeitungen gelesen) als eine gute Prise auf|bringt, es giebt einmal kein ander Mittel gegen Sie. Was schadet’s auch, daß er alle guten Worte weiß die zwischen uns gewechselt werden, er kennt ja doch die innerste Quelle derselben und so könnte er sie in Ermangelung unserer Mittheilung aus eignen Kräften suppliren, und sein Recht daran läßt sich aus dem ewigen Gesetz deduciren daß jeder alles verdient was er sich anzueignen versteht. Ich habe nichts dagegen daß Sie Ihr Vertrauen nicht erzwingen, das aktive nemlich, aber auf das passive hat Schlegel doch durch seine doppelte Verbindung ein volles Recht und ich fordre es für ihn aus meinem Recht. Lassen sie uns wenigstens eine Welt seyn, Sie werden sehen es giebt einen schönen Sfärenklang und wir werden alle glücklich seyn. Lassen Sie sich auch nicht schwindeln! zwei solche Menschen überspringen sich nicht. Wenn ich nicht so viel Muth hätte und so viel aufs unvergängliche hielte, hätten Sie mir warlich bange machen können. Fühlen Sie denn nicht selbst die Ewigkeit von allem was ist und ist es nicht eine untrügliche sittliche Anschauung, daß dasjenige ist, was sich so offenbart? Sie üben durch diese Furcht ein kleines Vergeltungsrecht aus, waren doch jene auch bange, daß wir uns übersprängen. Ich weiß auch nicht wie Ihnen aus unserm Standpunkte diese Höhe so überhoch scheinen kann – wir stehen freilich auf einem andern Gipfel aber es | giebt noch nicht Maßtheorie genug für diese Größe um zu bestimmen welcher höher ist. Wer nur auf dem Boden gehen kann für den ist freilich eine Kluft dazwischen, die geht uns aber nichts an. Doch ich will mich über diesen Gegenstand nicht vertiefen, ich würde sonst zwar nicht mich, aber doch meinen Brief überspringen. [...]
Trösten Sie sich nur über meine 50 Jahre! Wozu wäre denn die ewige Jugend ewig, wenn es dabei auf Länge und Kürze ankäme. Lassen Sie uns in der Zeit die Qualität suchen, nehmlich das goldne; dies ist immer zugleich die schönste Anticipation der Quantität. Wenn wir uns das goldne Alter machen ist das nicht eben so gut als ob wir so wol hundert Jahre gelebt hätten, bis es etwa von selbst zu uns gekommen wäre? und so haben wir es noch dazu selbst gemacht. Es bleibt doch ein verzweifelter Unterschied zwischen einem Körper der chemisch beendet wird und einem den die Natur liefert, die doch immer ein Bischen wie Lafontaine arbeitet. –