Landsb. a. d W. d. 3ten Jan.
Richtig kam Ihr Brief, mein lieber Neveu, nebst Päkchen noch vor Neujahr, eben als ich am letzten Sonntag im alten Jahr nach der Kirche gehen wollte, daher ich erst nach meiner Zurükkunft ihren Brief lesen konnte[.] Zuerst recht vielen Dank für gütige Besorgung, besonders auch von Mama, und ganz vorzüglichen Dank derjenigen, die das niedliche Muster gewählt, denn die gedruckte Leinwand findet überaus vielen Beyfall, und wir bitten der lieben Cousine Reinhard unsern herzlichen Dank zu versichern. Auch freut es uns herzlich, daß unser lieber Herr Vetter Reinhard auch diesmal seinen Geburtstag so munter und vergnügt zugebracht hat. Wegen der Kälte dürften wir hier wohl samt und sonders – Benikens nicht ausgenommen, die doch sonst treflich warme – mir nur allzuwarme Stuben haben – die nemliche Klage führen[.] In und kurz vor Weynachten hielten wir alle 3 imer den Ofen und konnten doch immer – auch am Ofen unsern Athem sehr deutlich sehen – und auf gleiche Weise ists auch andern in noch größren Gesellschaften ergangen[.] Mich hat diese Kälte nebst der zunehmenden Theurung veranlaßt beym KirchenDirectorio für mich und unsern braven Cantor um frey Brennholz welches doch fast alle Prediger in kleinren Städten haben – oder eine verhältnißmäßige Zulage in baarem Gelde anzuhalten. Was darauf resolviert werden wird, muß man nun abwarten. Die Petits Emigrés, die Sie mir für Emilie geschickt haben, gefallen mir sehr gut, und ich denke, sie können ihr sehr nüzlich und heilsam werden, vielleicht laßen ihre Gespielinnen, worunter jetzt auch, wie Sie vielleicht schon wissen, Corn. Jetchen ist, dieses Buch sich auch komen, so könnten sie es dann unter meiner Aufsicht lesen, welches wohl am rathsamsten seyn wird |
Frau Claessen ist also nach Brandenburg zurück – soll mich wundern, ob sie mir denn nun von ihrer FamilienAngelegenheit etwas schreiben wird, ich weiß nicht ob die jungen Leute mit einander uneinig gewesen, oder ob Frau Claessen die Trenung für zuträglicher gehalten – das weiß ich nur, daß ich gleich Anfangs von dieser Verheirathung mir keine große Hoffnungen gemacht
Vielen herzlichen Dank für das, was Sie mir von des vortreflichen Garve Ende und letzten Schriften geschrieben – sowie auch für die Auskunft, die Sie mir den unglüklichen Wetzel betreffend gegeben
den 11ten A propos vergessen Sie doch ja nicht in Ihrem nächsten mir ihres lieben Bruder Carls Addresse wißen zu laßen, damit wir eine – nicht ganz durch meine Schuld – unterbrochene Correspondenz wiederherstellen können.
Sie haben in den zurückgelegten Festtagen, wie ich höre, sehr viel zu predigen gehabt, ich bin dagegen etwas faul gewesen, und habe bey der strengen Kälte den Cantor unsre Vormittagsgottesdienste allein verrichten laßen, da das einemal 8 und am ersten Weynachtstage kaum noch einmal so viel Leute zugegen gewesen sind.
Unser Herr Feldprediger versicherte mir, als ich ihn letzthin auf unsrer Ressource antraf, daß er 8mal in der Zeit geprediget, den letzten Sonntag im vorigen Jahr NachMittags in unsrer Kirche für Kieter und am Neujahrstage in der Stadtkirche für Appel. Unser guter Inspector hat auch gar nicht predigen können oder dürfen, denn der Artzt hat es schlechthin nicht zugeben wollen. Jetzt befindet er sich – vorgestern wenigstens – doch wieder etwas besser. Sie sehen hieraus zugleich, daß ich die hiesige Ressource – doch wenigst dann und wann besuche; aber Mama ist seit den beyden ersten malen noch nicht wieder hinzubringen gewesen, und freilich für ein Frauenzimmer die nicht spielt, ist dort keine Unterhaltung[.] Ich aber möchte nun in meinem Alter fast auch noch spielen; denn Herr König hat ein Billiard angeschafft. Nur ist freilich auch | die jetzige Art Billiard zu spielen, von der in meinen Jugendjahren üblichen gar sehr verschieden – doch gestehe ich daß ich noch immer lieber beym Billiard und Schachspiel einen Zuschauer abgebe, als bey dem lieben oder leidigen Kartenspiel, bey welchem bösartige Leidenschaften gar zu vielen Spielraum haben[.] Was für mancherley Piquenics und Bälle beym Jahreswechsel vorgefallen, davon wird Ihnen die gute Benike vermuthlich geschrieben haben, sie sind selten vor eins nach Hause gekomen, und waren doch immer die ersten, die sich retirirten, da die andren bis 4 noch gepunscht
den 14ten Wir haben hier dieser Tagen wieder eine fürchterliche Kälte gehabt, besonders Sonnabend[;] auch habe ich gestern Vormittag für 8 Leute gepredigt, und Nachmittag hat Herr Kieter auch verhältnißmäßig sehr wenig Zuhörer gehabt, unser Herr Inspector hat gestern auch wieder selbst gepredigt; und, wie es nun heißt, wird der so verschrieene Prediger zu Cladow dort bleiben, so nemlich daß der ihm bestimte Nachfolger ihm ein Jahrgeld von 150 rth zahlet.
Und nun werde ich wohl diesen Brief schließen müssen, damit er doch mit der nächsten Post gewiß abgehen könne[.] Da ich Ihren Brief noch einmal durchlaufe, fällt es mir auf, daß Sie für les Petits Emigrés nur 2 rth angesetzt haben, welches gleichwohl der Ladenpreis ist, Buchbinderlohn werden Sie also inskünftige auch noch zurük behalten[.] Da komt auch noch ein kleiner Auftrag. In der heutigen Berlinischen Zeitung ist eine Lebensbeschreibung des Weltumsegler Johann Reinhold Forster der den 9ten December zu Halle gestorben – angezeigt – für 2 gr zu haben und sollten Sie etwa auch noch den famosen Brief Lavaters an das französische Directorium oder an Reubel – der auch wohl nur einige Groschen kosten wird, in einem Buchladen auftreiben, so bitte uns beydes in Ihrem nächsten Briefe mitzuschicken
Und nun Gott befohlen[.] Mama und David grüßen Sie herzlich, auch von D D, die für ihre freundschaftliche Erinnerung ergebenst danken, viele Empfehlungen. An alle die sich dort unser erinnern viele – nach Stand und Würden – ergebenste, aufrichtige, herzliche Grüße von
Ihrem treuergebenen Oheim
St.
Richtig kam Ihr Brief, mein lieber Neveu, nebst Päkchen noch vor Neujahr, eben als ich am letzten Sonntag im alten Jahr nach der Kirche gehen wollte, daher ich erst nach meiner Zurükkunft ihren Brief lesen konnte[.] Zuerst recht vielen Dank für gütige Besorgung, besonders auch von Mama, und ganz vorzüglichen Dank derjenigen, die das niedliche Muster gewählt, denn die gedruckte Leinwand findet überaus vielen Beyfall, und wir bitten der lieben Cousine Reinhard unsern herzlichen Dank zu versichern. Auch freut es uns herzlich, daß unser lieber Herr Vetter Reinhard auch diesmal seinen Geburtstag so munter und vergnügt zugebracht hat. Wegen der Kälte dürften wir hier wohl samt und sonders – Benikens nicht ausgenommen, die doch sonst treflich warme – mir nur allzuwarme Stuben haben – die nemliche Klage führen[.] In und kurz vor Weynachten hielten wir alle 3 imer den Ofen und konnten doch immer – auch am Ofen unsern Athem sehr deutlich sehen – und auf gleiche Weise ists auch andern in noch größren Gesellschaften ergangen[.] Mich hat diese Kälte nebst der zunehmenden Theurung veranlaßt beym KirchenDirectorio für mich und unsern braven Cantor um frey Brennholz welches doch fast alle Prediger in kleinren Städten haben – oder eine verhältnißmäßige Zulage in baarem Gelde anzuhalten. Was darauf resolviert werden wird, muß man nun abwarten. Die Petits Emigrés, die Sie mir für Emilie geschickt haben, gefallen mir sehr gut, und ich denke, sie können ihr sehr nüzlich und heilsam werden, vielleicht laßen ihre Gespielinnen, worunter jetzt auch, wie Sie vielleicht schon wissen, Corn. Jetchen ist, dieses Buch sich auch komen, so könnten sie es dann unter meiner Aufsicht lesen, welches wohl am rathsamsten seyn wird |
Frau Claessen ist also nach Brandenburg zurück – soll mich wundern, ob sie mir denn nun von ihrer FamilienAngelegenheit etwas schreiben wird, ich weiß nicht ob die jungen Leute mit einander uneinig gewesen, oder ob Frau Claessen die Trenung für zuträglicher gehalten – das weiß ich nur, daß ich gleich Anfangs von dieser Verheirathung mir keine große Hoffnungen gemacht
Vielen herzlichen Dank für das, was Sie mir von des vortreflichen Garve Ende und letzten Schriften geschrieben – sowie auch für die Auskunft, die Sie mir den unglüklichen Wetzel betreffend gegeben
den 11ten A propos vergessen Sie doch ja nicht in Ihrem nächsten mir ihres lieben Bruder Carls Addresse wißen zu laßen, damit wir eine – nicht ganz durch meine Schuld – unterbrochene Correspondenz wiederherstellen können.
Sie haben in den zurückgelegten Festtagen, wie ich höre, sehr viel zu predigen gehabt, ich bin dagegen etwas faul gewesen, und habe bey der strengen Kälte den Cantor unsre Vormittagsgottesdienste allein verrichten laßen, da das einemal 8 und am ersten Weynachtstage kaum noch einmal so viel Leute zugegen gewesen sind.
Unser Herr Feldprediger versicherte mir, als ich ihn letzthin auf unsrer Ressource antraf, daß er 8mal in der Zeit geprediget, den letzten Sonntag im vorigen Jahr NachMittags in unsrer Kirche für Kieter und am Neujahrstage in der Stadtkirche für Appel. Unser guter Inspector hat auch gar nicht predigen können oder dürfen, denn der Artzt hat es schlechthin nicht zugeben wollen. Jetzt befindet er sich – vorgestern wenigstens – doch wieder etwas besser. Sie sehen hieraus zugleich, daß ich die hiesige Ressource – doch wenigst dann und wann besuche; aber Mama ist seit den beyden ersten malen noch nicht wieder hinzubringen gewesen, und freilich für ein Frauenzimmer die nicht spielt, ist dort keine Unterhaltung[.] Ich aber möchte nun in meinem Alter fast auch noch spielen; denn Herr König hat ein Billiard angeschafft. Nur ist freilich auch | die jetzige Art Billiard zu spielen, von der in meinen Jugendjahren üblichen gar sehr verschieden – doch gestehe ich daß ich noch immer lieber beym Billiard und Schachspiel einen Zuschauer abgebe, als bey dem lieben oder leidigen Kartenspiel, bey welchem bösartige Leidenschaften gar zu vielen Spielraum haben[.] Was für mancherley Piquenics und Bälle beym Jahreswechsel vorgefallen, davon wird Ihnen die gute Benike vermuthlich geschrieben haben, sie sind selten vor eins nach Hause gekomen, und waren doch immer die ersten, die sich retirirten, da die andren bis 4 noch gepunscht
den 14ten Wir haben hier dieser Tagen wieder eine fürchterliche Kälte gehabt, besonders Sonnabend[;] auch habe ich gestern Vormittag für 8 Leute gepredigt, und Nachmittag hat Herr Kieter auch verhältnißmäßig sehr wenig Zuhörer gehabt, unser Herr Inspector hat gestern auch wieder selbst gepredigt; und, wie es nun heißt, wird der so verschrieene Prediger zu Cladow dort bleiben, so nemlich daß der ihm bestimte Nachfolger ihm ein Jahrgeld von 150 rth zahlet.
Und nun werde ich wohl diesen Brief schließen müssen, damit er doch mit der nächsten Post gewiß abgehen könne[.] Da ich Ihren Brief noch einmal durchlaufe, fällt es mir auf, daß Sie für les Petits Emigrés nur 2 rth angesetzt haben, welches gleichwohl der Ladenpreis ist, Buchbinderlohn werden Sie also inskünftige auch noch zurük behalten[.] Da komt auch noch ein kleiner Auftrag. In der heutigen Berlinischen Zeitung ist eine Lebensbeschreibung des Weltumsegler Johann Reinhold Forster der den 9ten December zu Halle gestorben – angezeigt – für 2 gr zu haben und sollten Sie etwa auch noch den famosen Brief Lavaters an das französische Directorium oder an Reubel – der auch wohl nur einige Groschen kosten wird, in einem Buchladen auftreiben, so bitte uns beydes in Ihrem nächsten Briefe mitzuschicken
Und nun Gott befohlen[.] Mama und David grüßen Sie herzlich, auch von D D, die für ihre freundschaftliche Erinnerung ergebenst danken, viele Empfehlungen. An alle die sich dort unser erinnern viele – nach Stand und Würden – ergebenste, aufrichtige, herzliche Grüße von
Ihrem treuergebenen Oheim
St.