Potsdam d 22t. Febr 99
Nicht nur ehe der Reisemantel geklopft sondern auch ehe Ihr zweiter Brief beantwortet war ist der dritte gekommen, und da mir hier jeder Tag in der Woche vollkommen gleich ist, so bin ich auch mit der Verlegung unserer Zusammenkunft auf den Freitag gar wol zufrieden, und zweifle nicht daß wir in den wenigen Stunden viel werden verabreden können; wenn nur nicht ein fataler Umstand der aus Ihrem Briefe hervorgeht und der mir Unglük weissagender ist als alle Unglüksfälle unserer jungen Bekanntschaft alles zu meinem großen Leidwesen zerstört – und das ist die leidige Zeit.
Daß der Collins nicht nur in sich zusammengezogen sondern auch aus Andern ergänzt werden müßte, und lieber umgearbeitet als nur ausgezogen, das war mir bei der Lektüre klar geworden und ich war so a priori in Ihre Idee entrirt daß ich Sie schon in meinem Briefe bitten wollte mir den Philipp und Barrington wenigstens zu verschaffen. Aber bedenken Sie nun nur selbst, wieviel mehr Zeit eine solche Arbeit erfordert als eine simple Uebersezung. Ich weiß nicht ob Sie überhört haben, was ich Ihnen sagte als ich die Ehre hatte bei Ihnen zu sein, daß ich vor der Ostermesse nicht würde dazu kommen können: ich bin noch jezt mit einem kleinen Büchlein beschäftigt dessen Vollendung aufzuschieben ich nicht mehr in meiner Gewalt habe | und womit ich bis dicht an die Messe zu thun haben werde. Mit aller Anstrengung und dem besten Willen an dem es mir nicht fehlt würde ich also in dieser Zeit nichts thun können als nebenbei alles durchlesen was uns nöthig ist[,] über die Art der Bearbeitung ganz einig werden, und einige Vorarbeiten machen. Bedenken Sie nun selbst, ob es mir, der sichs zum heiligen Gesez gemacht hat um keiner schriftstellerischen Arbeit willen seine übrigen Studien ganz liegen zu laßen, ja ob es auch ohne Rüksicht hierauf irgend Jemand andrem möglich wäre ein solches Werk hernach in zwei Monaten anders als höchst übereilt zu bearbeiten! Ich bekenne mich gern unfähig dazu. Ist es also unumgänglich nothwendig daß die Arbeit Ende Junius beendigt sei so muß ich lieber – so ungemein leid es mir thut, und so schwer es mir wird – die ganze Sache gleich aufgeben, als Ihnen etwas versprechen was ich gar nicht, oder nur schlecht halten könnte. Aber warum sollte denn das so nothwendig sein? Könnten Sie es mir nicht gönnen dem Collins meine ganze Sommermuße zu schenken, und sich damit begnügen daß im August alles fertig wird und also zur Herbstmesse auf jeden Fall zurecht kommt? Das ist also der Punkt worauf alles ankommt. Liegt Ihnen jener Terminus ad quem so am Herzen, daß Sie nicht drüber hinaus können, so muß ich wirklich diese Arbeit, auf die ich mich so sehr gefreut hatte einem Andern überlaßen; aber überlegen Sie Alles und sehn Sie zu was Sie thun können, ehe Sie zu meinem moratorio Nein sagen. Es würde mir gar schwer werden mich von diesem Projekt zu trennen; aber ich sehe deutlich voraus daß ich nichts kluges würde machen können, wenn ich mich an Ihren Termin halten müßte.
Glauben Sie hierin nachgeben zu können, so komme ich auf den Freitag nach Zehlendorf und wir verabreden dann das nähere; ist es Ihnen schlech|terdings unmöglich, so haben Sie die Güte es mich vorher wißen zu laßen und ich resignire dann, höchst ungern, auf alles Vergnügen was mir diese Arbeit gemacht haben würde, und schike Ihnen lieber gleich den Collins zurük um ihn nicht länger vor Augen zu haben.
Im Fall Ihr Entschluß so ausschlägt wie ich es wünsche, soll ich ihn mitbringen oder nicht? und wird es nicht nöthig sein daß wir einander Pläze zur Rükfahrt bestellen um nicht in Zehlendorf sizen zu bleiben?
Leben Sie indeßen wol, und wenn Sie doch im Fall ich nicht bin der da kommen soll eines andern warten müßen, so behalten Sie mich doch lieber gleich zum Messias.
Der Ihrige
Schleiermacher
Nicht nur ehe der Reisemantel geklopft sondern auch ehe Ihr zweiter Brief beantwortet war ist der dritte gekommen, und da mir hier jeder Tag in der Woche vollkommen gleich ist, so bin ich auch mit der Verlegung unserer Zusammenkunft auf den Freitag gar wol zufrieden, und zweifle nicht daß wir in den wenigen Stunden viel werden verabreden können; wenn nur nicht ein fataler Umstand der aus Ihrem Briefe hervorgeht und der mir Unglük weissagender ist als alle Unglüksfälle unserer jungen Bekanntschaft alles zu meinem großen Leidwesen zerstört – und das ist die leidige Zeit.
Daß der Collins nicht nur in sich zusammengezogen sondern auch aus Andern ergänzt werden müßte, und lieber umgearbeitet als nur ausgezogen, das war mir bei der Lektüre klar geworden und ich war so a priori in Ihre Idee entrirt daß ich Sie schon in meinem Briefe bitten wollte mir den Philipp und Barrington wenigstens zu verschaffen. Aber bedenken Sie nun nur selbst, wieviel mehr Zeit eine solche Arbeit erfordert als eine simple Uebersezung. Ich weiß nicht ob Sie überhört haben, was ich Ihnen sagte als ich die Ehre hatte bei Ihnen zu sein, daß ich vor der Ostermesse nicht würde dazu kommen können: ich bin noch jezt mit einem kleinen Büchlein beschäftigt dessen Vollendung aufzuschieben ich nicht mehr in meiner Gewalt habe | und womit ich bis dicht an die Messe zu thun haben werde. Mit aller Anstrengung und dem besten Willen an dem es mir nicht fehlt würde ich also in dieser Zeit nichts thun können als nebenbei alles durchlesen was uns nöthig ist[,] über die Art der Bearbeitung ganz einig werden, und einige Vorarbeiten machen. Bedenken Sie nun selbst, ob es mir, der sichs zum heiligen Gesez gemacht hat um keiner schriftstellerischen Arbeit willen seine übrigen Studien ganz liegen zu laßen, ja ob es auch ohne Rüksicht hierauf irgend Jemand andrem möglich wäre ein solches Werk hernach in zwei Monaten anders als höchst übereilt zu bearbeiten! Ich bekenne mich gern unfähig dazu. Ist es also unumgänglich nothwendig daß die Arbeit Ende Junius beendigt sei so muß ich lieber – so ungemein leid es mir thut, und so schwer es mir wird – die ganze Sache gleich aufgeben, als Ihnen etwas versprechen was ich gar nicht, oder nur schlecht halten könnte. Aber warum sollte denn das so nothwendig sein? Könnten Sie es mir nicht gönnen dem Collins meine ganze Sommermuße zu schenken, und sich damit begnügen daß im August alles fertig wird und also zur Herbstmesse auf jeden Fall zurecht kommt? Das ist also der Punkt worauf alles ankommt. Liegt Ihnen jener Terminus ad quem so am Herzen, daß Sie nicht drüber hinaus können, so muß ich wirklich diese Arbeit, auf die ich mich so sehr gefreut hatte einem Andern überlaßen; aber überlegen Sie Alles und sehn Sie zu was Sie thun können, ehe Sie zu meinem moratorio Nein sagen. Es würde mir gar schwer werden mich von diesem Projekt zu trennen; aber ich sehe deutlich voraus daß ich nichts kluges würde machen können, wenn ich mich an Ihren Termin halten müßte.
Glauben Sie hierin nachgeben zu können, so komme ich auf den Freitag nach Zehlendorf und wir verabreden dann das nähere; ist es Ihnen schlech|terdings unmöglich, so haben Sie die Güte es mich vorher wißen zu laßen und ich resignire dann, höchst ungern, auf alles Vergnügen was mir diese Arbeit gemacht haben würde, und schike Ihnen lieber gleich den Collins zurük um ihn nicht länger vor Augen zu haben.
Im Fall Ihr Entschluß so ausschlägt wie ich es wünsche, soll ich ihn mitbringen oder nicht? und wird es nicht nöthig sein daß wir einander Pläze zur Rükfahrt bestellen um nicht in Zehlendorf sizen zu bleiben?
Leben Sie indeßen wol, und wenn Sie doch im Fall ich nicht bin der da kommen soll eines andern warten müßen, so behalten Sie mich doch lieber gleich zum Messias.
Der Ihrige
Schleiermacher