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Friedrich Schleiermacher to Henriette Herz

Potsdam den 22ten Februar Freitag Abend 99.
Heute Vormittag war ich recht betrübt Liebe, daß ich in meiner Hoffnung getäuscht war, einen Brief von Ihnen zu haben. Sehen Sie, so leicht verwöhnt man sich. Ich habe ihn Nachmittags bekommen und so wird es wohl auch ganz recht seyn: denn er muß Donnerstag geschrieben seyn und ist wohl erst Nachmittag zur Post gekommen. – Meinen erbärmlichen Brief werden Sie wol noch nicht gehabt haben. Lassen Sie ihn sich nur nicht afficiren es ist gewiß nichts an der Sache. Das aber ist gewiß daß Sack die Religion zur Censur bekommen hat. Die erste Rede kann ihm wol gefallen; aber wie wirds mit dem Ende der zweiten werden? | Ich fürchte nur er streicht, denn als er vom Fichte mit mir sprach sagte er, er sei sehr gegen die Confiskation eines atheistischen Buches; aber wenn er es zur Censur bekäme würde er ihm doch vielleicht das Imprimatur versagen, und dieß wird ihm wol so gut als atheistisch vorkommen. Ja es ist sehr unangenehm aber was ist zu machen! Die folgenden Reden werden ihm wohl wieder gefallen. Bekennen will ich mich aber schlechterdings nicht dazu gegen ihn, was würde das für Erörterungen geben und ich könnte ihm doch Vieles nicht verständlich machen.
Über mein Verhältniß zu Schlegel haben Sie das Urtheil recht klar ausgesprochen; aber Sie können doch nicht sagen daß ich mir das nicht gestände, ich habe immer etwas ähnliches zugegeben wenn wir darüber gesprochen haben. Ich habe nie gesagt daß ich mit Schlegel einerlei Gemüth hätte, nur habe ich gestritten wenn Sie behaupteten er hätte keins. Mit den verwandten Substanzen aber das haben Sie recht auf den Kopf getroffen, die trennen uns immer. Ja Sie sind doch meine eigentliche nächstverwandte Substanz, ich weiß so weiter keine, und keine kann mich von Ihnen trennen. – Das war nur so nebenbei denn eigentlich sprach ich doch von Schlegel; aber ich habe eine recht ordentliche Pause gemacht hier. Sehen Sie der wundert sich über die Trennung welche die nahe verwandten | Substanzen verursachen, und das Wundern bekommt unsrer Freundschaft schlecht[.] Übrigens ist die Bindung doch nicht so locker wie Sie meinen. Wenn man Kenntnisse Witz und Philosophie, alles dreies erst aufheben muß das sind denn doch artige Dinge und die beiden letzten können doch bei einem ordentlichen Menschen schlechterdings nicht vom Gemüth abgesondert sein. Diese Dinge sind kein bloßer Kitt und was dadurch gebunden ist, ist nicht mit Gewalt gebunden. [...] Ihr Papier ist göttlich und Sie haben es recht getroffen daß man in Quart darauf schreiben soll. Aber die Ecken oben sind eigentlich fürs Datum bestimmt[,] Sie haben sie zu Postskripten gebraucht und dadurch dem Erfinder einen sehr empfindlichen Verweis gegeben[.] In der Orthographie von Potsdam haben Sie auch einige Fortschritte gemacht indem Sie das zweite m weggelassen haben, aber das falsche z paradirt noch. Hör ich nicht mit rechten triflings auf? und aufhören muß ich doch, denn ich habe noch an die Cousine zu schreiben. Gute Nacht liebe theure Seele. Grüßen Sie alle. [...]
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 22. Februar 1799
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Henriette Herz ·
  • Place of Dispatch: Potsdam · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 15‒16.

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