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Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

[1] [Berlin, 13. Oktober 1801]
Ich kan Ihnen liebster Freund heut zum erstenmale wieder mit einiger Ruhe schreiben den[n] mein kleiner lieber Wilhelm ist heut besser, die Zähne sind ihm durch und ich fürchte nicht mehr ihn zu verliehren. Ich betrachte ihn als mir ganz von neuem geschenckt. Sie glauben wie viele Sorge und Angst mir seine Krankheit gemacht hat die mich auch an alle Dienge verhindert hat. Ich will die Comödie auf jeden Fall noch schiken we[n] sie auch zu spät kommen solte. Für den Almanach danke ich Ihnen recht sehr so wie für Ihren Brief. Mein Bruder hat mir alle diese Umstände selbst geschrieben und ich bedaure es recht sehr daß ich ihn nun noch so lange nicht sehen werde. Sie mein lieber Freund sind unfreundlich mit uns umgegangen indem Sie meinem Bruder einen so wunderlichen Begrif von unseren Gesprächen über ihn beigebracht haben der nemlich glaubt wir hätten ihn Ihnen als eine wilde Bestie beschrieben daß ich gar nicht recht weiß daß Sie die freudige Hoffnung ihn zu sehen, die um die tiefe Rührung bei seinem Andenken zu unterdrüken sich in Scherzen über ihn ergoß, so übel ausgelegt haben. Doch daß sind Kleinigkeiten und mein Bruder kan wohl selbst nicht glauben waß er sagt daß ich ihn wie ein curioses Thier presentirt habe.
Ich will Ihnen jezt einmal einen sehr schönen Vorschlag machen. Reisen Sie mit meinem Bruder zusammen damit wir die doppelte Freude haben [2] euch beide auf einmal zu sehen. Den Brief vom Schütze hoffe ich haben Sie nun schon erhalten worin er Ihnen über die Vorlesung schreiben wolte woran wir alle keinen Zweifel mehr haben daß sie zustande komt. Die Berg hat nemlich versprochen 20 zu schaffen, wen[n] daß ist so ist es keine Frage daß wir noch 20 schaffen die sich so gleich unterzeichnen, es komt nur darauf an daß wir die Liste von der Berg zurik erhalten: die sich dabei vornehm beträgt und uns sehr lange darauf warten läßt. Die Übrigen finden sich dan gewiß auch. Doch ist Ihre Gegenwart wen[n] es zustande kommen soll nohtwendig. Die Leute werden nicht eher daran glauben als bis Sie hier sind. Es war mit dem Ausgeben der Karten eine schlechte Masregel und wir haben alle nur bewießen daß wir die Berliner nicht kennen da wir ihnen zugetraut haben daß sie ihr Geld so lange vorher an eine Sache wagen werden die nicht gewiß ist. Mit der Liste ist weit gescheuter; die sich nun selbst unterschrieben haben, können doch nicht so ohne Ehre sein daß sie die Karten nicht holen liessen wen[n] die Vorlesung anfängt. Kommen Sie nur, es zweifelt in der That niemand daran daß Sie 60 Zuhörer finden. Wen[n] nur die Berg endlig die Liste an Buri zurik giebt so wolte ich sie Ihnen sehr bald zuschiken damit Sie sehen könten daß es sich in der That so verhält. [3] Levi und sogar Delbrük interressiren sich sehr dafür. Ich weiß wenigstens 10 die sich unterschreiben wollen. Daß haben wir aber noch nicht gemacht da wir gerne wollen daß die Vornehmen und Adelichen vorn ständen, die Menschen sind ja einmal so albern daß sie das reizt.
Ich habe mir die Mühe gegeben Ihnen das Gedicht abzuschreiben und lege es hier bei, ich bitte Sie aber im ganzen Ernst mir aufrichtig zu sagen wie Sie es finden, wen[n] es Ihnen schlecht scheint so bitte ich es mit dürren Worten hinzuschreiben, mir liegt daran es zu wissen, warum daß ist mir schriftlig zu umständlig daß wil ich Ihnen wohl mündlig sagen. Ich bitte Sie gegen meinen Bruder es nicht mehr zu erwähnen. Sie müssen nun schon einen Brief von mir haben wen[n] er anders nicht eben so lange unterwegs bleibt als der Ihrige der vom 3ten ist und den ich heut am 13ten erhalten habe. Ich schreibe daß nur damit Sie sich nicht darüber wundern daß ich ihn so spät beantworte.
Bernhardi sizt hier bei mir und ließt den Almanach von vorn durch um sein Sonnet zu finden, wen[n] er ein Gedicht zu ende gelesen hat so wird er immer neugieriger wo das seinige geblieben und bittet Sie ihm die Ursache dieses grossen Verlustes anzugeben.
Wen[n] Sie sich ein wenig einschränken wolten und damit zufrieden sein die kleine Stube zu Ihrer [4] Wohnung zu haben welche Bernhardi im Sommer bewohnte und mit meinem Bruder zusammen in der schlafen welche Sie im Sommer bewohnten so könten Sie den Winter bei uns wohnen; da wäre die grüne Stube worin ich immer war gemeinschaftlig den[n] die soll noch zum Heitzen eingerichtet werden und Sie kenten Ihre Besuche darin annehmen. Überlegen Sie sich ob Sie mit dieser so wenig eleganten Wohnung zufrieden sein wollen. Schütze seine Wohnung ist ohne Zweifel besser aber Sie haben dagegen die Bequemlichkeit daß Sie keine besondere Bedienung bedürfen und zum Essen nicht auszugehen brauchen und daß ist doch bei schlechtem Wetter oft beschwerlig. Ich will Sie aber nicht bestimmen damit Sie mir nicht die Schuld geben wen[n] Sie nachher nicht bequem wohnen.
Auf den Fall aber daß Sie mit meinem Bruder zusammen kommen und bei uns wohnen wollen bitte ich Sie den Tag Ihrer Ankunft genau zu bestimmen, den[n] ich mag nichts weniger leiden als Überraschungen, selbst wen[n] ich sterbe will ich es orndlig geniessen. Auch ist mir bei solcher Überraschung fatal daß ich stadt mich der Freude hinzugeben dan das Bet und Abendessen besorgen muß. Komt nur alle Beide bald daß ist mein ernstlichstes Verlangen. Leben Sie wohl.
S.[ophie] Bernhardi
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Metadata Concerning Header
  • Date: [13. Oktober 1801]
  • Sender: Sophie Bernhardi ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 27‒29.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,15
  • Number of Pages: 2 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,9 x 11,6 cm
Language
  • German

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