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Friedrich von Schlegel, Dorothea von Schlegel an Friedrich Schleiermacher

Ich bitte Dich, lieber Freund, recht faul zu seyn. Die Herz sagt, daß Du am Machenwollen leidest. Ich beschwöre Dich, Dich ja nicht zu übereilen und Dir Deine volle Bequemlichkeit zu nehmen und zu lassen. Selbst für die äußre Erscheinung der Reden ist dieß heilsam, da man es Deinem Styl leicht anmerken könnte, wenn Du ängstlich wirst. Es liegt ja so unendlich wenig dran, ob sie einige Wochen früher oder später fertig werden. Unger giebt Dir ohnehin so wenig, daß er die lumpigen Versendungskosten, um die doch das ganze Treiben der Buchhändler sich dreht, nicht achten darf und kann.
Ich habe die Reden als Deine erste Schrift betrachtet, die Dich mit oder wider Willen ins Unendliche ziehn würde. – Es ist eigentlich ganz widerrechtlich, wenn Du dabey etwas von den gemeinen Ungelegenheiten spürst.
Die dritte Rede hat mir sehr gut, auch das Ende, ja dieses vorzüglich [gefallen]. Den Styl finde ich weniger vollendet, wie in den ersten beyden Reden; aber | der Inhalt gefällt mir sehr und auch die Subjektivität der Ansicht und der Behandlung. Ich finde in dieser etwas sehr Rhetorisches, obgleich es mehr von der unsichtbaren Art ist. – Am lautesten wird die Subjektivität in der Stelle gegen die Kunst. Indessen bin ich ganz vollkommen Deiner Meynung, in so fern Du doch überhaupt nur vom Zeitalter redest, und Dich überall sichtbar und unsichtbar auf dasselbe beziehst und an dasselbe anschließest. – Sonst finde ich in der alten Tragödie allerdings eine große gediegene Masse von Religion; und auch in den ältern Modernen die Du wenig kennst von Dante bis Cervantes sind viel Mysterien. – Aber daß Goethe kaum Religion hat und Fichte ziemlich viel, wie wohl sie philosophirt und gebunden ist, sieht sich klar.
Mir geht es erträglich. Mit der | Lucinde ist es seit einiger Zeit nicht so gegangen, wie es sollte. Das heißt nicht so schnell; so gut, wie es soll, wird es werden.
In einigen Tagen zieht die Veit zur Barées.
Wenn ich die Aushängebogen von den Lehrjahren vollends habe, schicke ich sie Dir auf einige Tage.
Von den Reden ist schon der fünfte Bogen corrigirt. Wenn Du so schreibst, wie das leztemal, so muß es der Setzer lesen können. Wenn die Zahl der Druckfehler nicht groß ist, so wäre ich dafür das Blatt mit dem nie umdrucken zu lassen. Die Herz sagte mir von noch mehren, aber im zweyten Bogen habe ich keinen entdecken können. Mache mir doch ein Verzeichniß davon. |
Ehe die Lucinde fertig ist, werde ich Dich wohl nicht sehn. – Eher auch nichts von neuen Dingen.
Ich bitte so vorlieb zu nehmen.
Friedrich Schl.
[DV:] Dieser Freund ist nicht wohl aufgeräumt das sehen Sie wohl – aber keine andre Ursache in der Welt, als Senesblätter und schlechter Wein. – Wie geht es denn Ihnen? Sie sollten doch auch schreiben, das heißt, Briefe, sonst hilft alle mein Ermahnen und Erinnern nicht. Ich habe drey Bogen der Religion gelesen; aber das geht nicht gut so bogenweise, ich werde die Bogen lieber erst in Reden sammeln, und dann lesen. So viel ahnde ich aber doch schon daraus daß mir viel neue Lichter damit aufgehen werden, und darum schon jezt meinen herzlichsten Dank dafür! – Friedrich ist Willens mit der Kätzin in offner Fehde zu treten; es ist beinah nöthig, denn sie macht sich sehr mausig! Adieu schreiben Sie.
D V.
Briefkopfdaten
  • Datum: vor dem 28. März 1799
  • Absender: Friedrich von Schlegel · , Dorothea von Schlegel ·
  • Empfänger: Friedrich Schleiermacher ·
  • Absendeort: Berlin · ·
  • Empfangsort: Potsdam · ·
Druck
  • Bibliographische Angabe: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 53‒55.

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