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Dorothea von Schlegel, Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

B. den 8ten April –99
Unser Freund wollte eben Weggehen, und fieng vorher noch ganz kläglich an „wie soll ich nun morgen früh einen Brief an Schleiermacher auf die Post kriegen? Carl ist noch immer ganz krank.“ – muß es denn grade morgen früh seyn? – Freilich, ich kann es nicht länger verschieben. – So schreiben Sie gleich hier – es ist zu spät, ich habe den Schlüßel nicht. – Nun so geben Sie mir Ihre Aufträge, und ich schreibe noch diesen Abend. – Wollen Sie das? Nun gut: Schreiben Sie ihn erst Carls fortdauernde Kränklichkeit, und daß dies recht übel sey. – Die 5te Rede betreffend, wird ihn die Herz wohl alles schon geschrieben haben; was aber die Vorrede betrift, so meyne ich: Verachtung des Publikums wäre hinlänglich im Werke selbst; Verachtung des Machens aber, wird sich sehr gut machen, nur muß es recht verachtend, und gemacht seyn. Es muß aber auch eine kleine Rede seyn. Schleiermacher soll sich übrigens keine Grillen im Kopfe setzen, in seinem Buche ist alles so recht, und so nothwendig wie in der besten Welt. Das meyne Ich! – Grüßen Sie ihn auch herzlich, und schreiben Sie auch noch dazu, ich glaubte dieser Brief würde ihn gar nicht mehr antreffen, denn Fieke will vom Prediger Prahmer gehört haben, daß er noch morgen hier seyn wird! – Von dieser Nachricht will ich mich aber gar nicht irre machen laßen, lieber Schleiermacher sondern Ihnen getrost schreiben, so als sollten Sie noch lange in Potsdamm bleiben; freuen sollte es mich doch wenn er sie nicht träfe. – Jezt wohne ich in meiner neuen | Wohnung; und die Stuben sehen schon recht gut aus, obgleich fast gar nichts darin steht, und hängt, was hier stehen, und hängen müßte. Ich bin aber so sehr vergnügt hier, daß ich alle die Verschönerungen mit großer Langmuth erwarte. Wäre ich nun eine merkwürdige Person, von der man etwa in Zeitungen spricht, so würde man doch die völlige Abwesenheit der Eitelkeit recht tugendhaft finden; – Kommen Sie nur bald lieber Freund! und wenn dieser Brief Sie noch trifft, so bitte ich Sie richten Sie sich die Zeit Ihres Hierseyns so ein, daß Sie recht lange bey uns bleiben, das heißt mit Uns. Helfen Sie uns lachen, denn weiter wird doch nichts gethan, wenn Feyerabend ist und das Handwerkzeug ruht. Gutes Wetter werden wir auch wohl haben; seit heute früh weht der Geist Gottes wieder über die Erde, und der kleine Garten macht ein Hoffnungsvolles Gesicht. – Was Lucinde betrifft – – ja was Lucinde betrifft! – Oft wird mir es heiß, und wieder kalt ums Herz, daß das Innerste so herausgewendet werden soll – was mir so heilig war, so heimlich; jezt nun allen Neugierigen, allen Hassern Preiß gegeben. Umsonst sucht er mich durch den Gedanken zu stärken: daß Sie noch kühner wären, als er. – Ach es ist nicht die Kühnheit die mich erschreckt! Die Natur feyert auch die Anbetung des Höchsten in offnen Tempeln, laut durch die ganze Welt – aber die Liebe? – Ich denke aber wieder: alle diese Schmerzen werden vergehen, mit meinem Leben, und das Leben auch mit, und alles was vergeht, sollte man nicht so hoch achten, daß man ein | Werk drum unterließe das Ewig seyn wird. – Ja dann erst wird die Welt es recht beurtheilen, wenn alle diese Nebendinge wegfallen. – Sie sollen sich freuen lieber Schleiermacher wenn Sie lesen was unterdeßen ist gemacht worden. Die Kätzin unterläßt nicht schon jezt alles was sie mit ihren giftigen Athem erreichen kann, davon mitzutheilen, man spricht schon jezt von der Unanständigkeit der Lucinde, und das körnt von ihr her, sie hat sich beklagt: daß kein junger Mensch es setzen dürfte: ist das nicht ein Pendant zu Reichards 7 Töchtern? – Die Schlegels aus Jena kommen nicht diesen Sommer, weil Iffland verreiset, grade in der Zeit, und weil sie sich noch immer einbilden den Iffland dürften sie nicht versäumen, erstlich weil er den Hamlet spielen würde, und dann weil er ihn ganz vortreflich spielen würde. Wir hier sind aber geneigt zu glauben, daß die Jenaer zu gutmütig sind. Diese unbändige Theaterliebe, ist ordentlich unschuldig. Tieck meynt: wenn Wilhelm Schlegel einmal den Sophocles übersetzte, würde er ihn sich gleich von Iffland vorspielen laßen.
Wißen Sie schon daß es wirklich eine kleine Magellone ist, die den Tieck als Vater begrüßt hat? bin ich nicht meiner Prophetischen Gabe so ziemlich gewiß? Neulich schickte auch die alte Madame Salomon zu mir, und ließ mich fragen, was ihre Tochter zur Welt bringen würde? Meine Weissagungen erstreken sich aber nur auf’s erste Kind; Sie sehen aber, ich bekomme ordentlich einen großen Ruf.
Leben Sie wohl und kommen Sie bald.
Dorothea.
Henrietten haben Sie wohl nicht gesprochen bey ihrer Durchreise?
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 8. April 1799
  • Sender: Dorothea von Schlegel · , Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Potsdam · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 70‒72.

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