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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Allerdings, lieber Neveu, war es etwas auffallend daß ich in so langer Zeit gar keine Zeile von Ihnen erhalten da Sie doch in ihrem letzten aus Berlin an mich abgelaßenen Briefe versprachen, daß Sie noch die Bücher mir besorgen wollten, was es für welche waren, weiß ich nicht mehr, ist mir auch nicht viel daran gelegen. Nun habe ich zwar von Zeit zu Zeit durch die liebe Benike Nachrichten von Ihrer Existenz erhalten, die aber doch für mich gar nicht befriedigend waren – daher ich auch ein paarmal zu ihr sagte: Sie wären für mich so gut als gestorben[.] Froh bin ich, daß Sie nun doch auch wieder für mich sich lebendig beweisen, und will mir nun gern den gedoppelten Grund Ihres so langen Schlummers gefallen laßen. Daß Sie in Potsdam nicht so ganz à votre aise seyn würden, konnt’ ich so ziemlich im voraus vermuthen. Und schon lange ehe ich Ihren Brief erhielt, sagte ich zur Benike wie ich fürchte, daß der Ton in Potsdam Ihnen gar nicht wohl behagen würde, vorausgesetzt daß er ungefähr noch eben so, wie ich ihn zu Friedrichs II Lebzeiten gefunden habe. Bey Ihnen kommt nun noch das hinzu, daß Sie in Berlin so manchen vertraulichen Umgang, so viele mit denen Sie so eng, so innig verbunden, zurücklaßen, dafür Sie in Potsdam nun freilich so leicht nicht Ersatz finden werden. Ich habe daher gleich geglaubt, daß Sie eben nicht böse darüber seyn würden, wenn der Wunsch so vieler, daß Sie Bambergers Nachfolger werden möchten, auch nicht in Erfüllung gehen sollte. Und aus dem, was Sie mir von der eignen Lage [schreiben], in welcher der neue Hofprediger sich in Ansehung des Feldprobstes [befinden] und wie manchen Kampf er auszufechten haben dürfte, sehe ich noch deutlicher | daß Sie sich nach dieser Stelle eben nicht sehnen werden obgleich viele hier der Meinung sind, daß Sie selbst höchst wahrscheinlich die Stelle erhalten würden
den 11ten So eben finde ich in der Berlinischen Zeitung ein Schreiben an den Prediger Teller von einigen jüdischen Hausvätern pp angezeigt, welches nebst Herrn Tellers Beantwortung wohl eine starke Sensation machen dürfte[.] Ueber Ihre literarischen Beschäftigungen werde ich dann in Ihrem nächsten auch, ihrem Versprechen gemäß, noch nähere Auskunft erhalten – und dann werden Sie auch wohl etwas wissen laßen von Herrn Pischons Predigt ob er der begünstigte geworden? oder ob noch mehrere sich hören laßen sollen
An Herrn und Brau Bamberger machen Sie doch recht viele Grüße und Empfehlungen von mir – von ihm haben Sie mir gar nichts geschrieben; ich schließe daraus, daß er emeritus im vollen Verstande, und vielleicht ganz abgestumpft und Lebenssatt denn meiner Rechnung nach muß er sehr weit in die 70 seyn[.] Auch Herrn Hübenthal grüßen Sie von mir wenn Sie einmal wieder zu ihn kommen
den 14ten Da vielleicht die Benike ihren Brief an Sie noch nicht abgeschickt so will ich ihn ihr, so wie er hier ist, zur Einlage offeriren hat sie aber ihren Brief schon abgeschickt, so kann ich dann noch vielleicht manches hinzufügen
Mama und David grüßen vielmals und freuen sich daß Sie uns nun nicht mehr so ganz abgestorben sind[.] Ich bin und bleibe, wie Sie wißen
Ihr aufrichtig ergebener
St. |
Fortsetzung den 20ten
Letzthin hatte die liebe Benike ihren Brief schon abgeschickt, und als ich am Bußtage nach der Predigt (denn wenn ich VorMittags predige pflege ich gewöhnlich nach der Predigt auf Stündchen hinzugehen) mit ihr sprach, sagte sie mir, Sie hätten versprochen mit der nächsten Post an mich zu schreiben und ich würde vermuthlich zu Hause einen Brief finden und die Neugier (die mich sonst nur selten plagt) trieb mich diesmal doch an, eher, als gewöhnlich, wegzugehen; aber ich fand nichts
Aber ich fand dafür in den nächsten Tagen in den Zeitungen eine Anzeige von einer Samlung von Predigten wo auch Ihr Name – da freute sich Mama recht, die schon oft es Ihnen gesagt, daß Sie doch auch bald einmal gedruckt Sich sehen laßen möchten[.] Die andre Anzeige, die deucht mir schon etwas früher – war von einem Schreiben „jüdischer Hausväter an pp Teller“ das gewiß auch viel Aufsehen machen – aber auch, wie es mir wenigstens scheint, den guten Teller wohl in eine etwas unangenehme Verlegenheit setzen dürfte –
In der That spannen Sie aber doch auf die von Ihnen herauszugebende Schrift – meine Neugier etwas zu sehr, denn heute da ich dieses schreibe den 25ten sind nun schon wieder 2 Posten vergebens erwartet. Fast möcht’ ich schelten
Daß der RegimentsChirurg Schneider diesen Morgen gestorben wird Ihnen die Benike wahrscheinlich auch wohl und hoffentlich mit näheren Umständen, die mir nicht bekannt worden schreiben. Ueberhaupt haben sich in den letzten Tagen mehrere Unfälle hier herum zu Wasser und Lande zugetragen. Am meisten jamert mich der gute Teichert in AltenSorge, dem man in verwichener Nacht fast alle seine noch übrige Habseeligkeiten gestolen, der arme Mann glaubte in seinem Alter, sich in etwas zur Ruhe zu setzen, hat aber seines Ziels gar sehr verfehlt und freilich waren die Mittel nicht aufs Beste gewählt denn wer sich auf den hiesigen Magistrat verläßt pp das sieht man an den hiesigen Schullehrern |
den 27ten Hoffentlich sind Sie jetzt schon auf ihre Rükreise nach Berlin bedacht, oder wohl gar schon dort, das wird die Benike am besten wissen, der werde ich morgen nach der Predigt diesen Brief zur Einlage überbringen[.] Und nun muß ich noch auf meinen morgenden Vortrag mich näher vorbereiten. Also leben Sie wohl vielmals gegrüßt von Mama und David.
Metadata Concerning Header
  • Date: 11. bis 27. April 1799
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Potsdam · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 77‒81.

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