Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
TEI-Logo

Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Wenn ich in Jena wäre und Du hier, so würde ich Dir sehr regelmäßig schreiben, und vielleicht eher mit einem Besuch Ernst machen wie jetzt. Warum ist das so? – Ich hoffe immer Du sollst kommen und wiederkommen, aber dem geschieht nicht also.
Wie es mit dem Druck steht, habe ich unlängst der Herz berichtet, die Dir das wohl gemeldet. Ich bitte Dich nur im voraus, Dich mit Grobheit zu rüsten auf den gewissen Fall daß Unger, der doch dießmal allein Schuld ist, seine Klagen auch gegen Dich darüber zu äußern sich vermessen sollte.
Hier ist die verlangte Lucinde so weit ich sie habe. Die Götter geben, daß sie Dir nun in Masse einen recht massiven Eindruck macht. Die Herz hat neulich ein Stück davon mit vieler Theilnahme angehört. Indessen nimmt sie sie zu weltlich daran bist Du mit Deiner Religion Schuld. Was diese betrifft, so komme ich je mehr und mehr zum Optimismus zurück, nicht dem Leibnizischen, sondern dem alten biblischen – und siehe was er gemacht | hatte, war gut.
Besorge auch nichts von meinem Treiben ins Unendliche. Es ist eigentlich nicht nach dem Buchstaben gemeint und auf ganz etwas bestimmtes abgesehn. Ich bin nämlich unendlich begierig auf die Visionen. Ich weiß nicht wie es kommt, daß ich mir denke, diese würden mehr den Charakter heiliger Schriften haben wie die Reden, die mir dafür zu rhetorisch und zu bestimmt sind. Ich habe in der dritten Rede mit Freude eine rhetorifuge Bewegung gespürt, die etwas ähnliches als ich meynen zu wollen scheint. In diesem ersten Versuch und Taubenausflug aus dem Kasten der Cultur ins Freye der Religion scheinst Du mir zwar in der Mitte zu seyn, nicht aber die Schrift. Sie ist voll von heiligem Geist, aber sie selbst ist nicht heilig.
Außerdem habe ich freylich | noch ein großes litterarisches συμ auf dem Herzen, in dem ich die Stimme eines hohen Berufs sehe. Aber was soll uns ein noch so großes angewandtes συμ so lange das ursprüngliche menschliche sich nicht wieder findet?
Ich für mich habe auch vor einigen Wochen eine neue Erscheinung gehabt. Es ist nämlich ein Bote des Herrn – Du weißt daß ich auch an gute Geister glaube – bey mir gewesen, und hat mir geheißen, dem Teufel das Dintenfaß an den Kopf zu werfen; und schon war ich im Begriff Dich zu bitten Du möchtest mir den prächtigsten Luther von Sack oder sonst brieflich verschaffen. Indessen hats füglich keine Eil und kommt nicht an auf einige Zeit. Ich hänge in einigen Stücken von äußeren Umständen ab, und habe innerlich große Lust, die Lucinde aus einem Stück zu vollenden. |
Denk Dir nur Unger macht mir Chikanen über den Preis der Griechischen Poesie. Ueberhaupt scheint die Alte nicht ruhen zu wollen, bis ich mit ihm brouillirt bin. Mündlich mehr darüber. Ich werde Unger einen tüchtigen Brief nach Leipzig schreiben, der auf ihn wirken kann, ehe er sie sieht; und ihr unterdessen einen warnenden Brief zukommen lassen. Ich habe sogar gedacht, Du könntest ihr diesen geben, wodurch Du mir einen nicht geringen Dienst erzeigen würdest. Wir haben gestern darüber gesprochen, und Dorothea meynte, Du würdest Dich nicht damit befassen wollen. Aber ich behauptete, der Spaß den Spaß zu beobachten würde Dir willkommen seyn.
Die Bambocciaden schickt Dir Bernhardi mit vielen Grüßen. Eigentlich wirft er wohl die Wurst nach der Speckseite denn was ich geweissagt, ist geschehn, daß nämlich Tieck von Deiner Religion grausam begeistert ist.
Metadata Concerning Header
  • Date: wohl zwischen Ende März und Mitte April 1799
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Potsdam · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 91‒93.

Basics · Zitieren