Potsdam den 3ten Mai 1799.
Ach denken Sie was ich gethan habe, und was ich eigentlich noch thue! Ich lese Nikolai’s Buch über seine gelehrte Bildung und sein Verhältniß zur kritischen Philosophie. Es ist ein starkes Stück und sagen kann man eigentlich gar nichts drüber. Im Grunde ist es wenn man erst den rechten Standpunkt gefunden hat erstaunlich naiv. Der vornehm mitleidige Ton über Fichte den ich prophezeihe ist schon drin obgleich damals nur erst von der Confiskation die Rede war. Gegen den Kant hat er allerdings einiges getroffen was so recht grob vor Augen liegt; aber sein gänzliches Nichtwissen wovon die Rede ist geht ob er es gleich tausend|mal leugnet von der ersten Seite bis zur letzten. Doch was geht mich der Nikolai an, hab ich doch noch über Ihren Brief zu reden. – Das Geschäft was Sie mir bei Heindorf auftragen geht, fürchte ich, ein wenig gegen meine Lehre von den Naturen, und Sie wissen wie sehr die zu meiner Religion gehört. Hat Heindorf Sinn für den Alexander, so wird er ihn schon finden; hat er keinen so wissen Sie daß alle Worte nichts helfen. Meinen Sie er könnte viel Sinn haben, aber man müßte ihn ihm erst öffnen, so kann das doch durch Reden nicht geschehen sondern dadurch daß man ihm die Gegenstände applicirt. Einer gelähmten Lunge bläst man Luft ein, eine vorübergehende Taubheit wird durch einen tüchtigen Knall kurirt und ein allzu schläfriges Auge wird durch ein blendendes Licht gezwungen sich zu öffnen. Lassen Sie uns also abwarten; es wäre überdies eine vergebliche Mühe ihm den Alexander an sich verständlich zu machen. Wir müssen erst sein Mittler sein, nur dadurch daß er uns besser verstehen lernt kann er ihn verstehen lernen und wir müssen erst sehen wie weit er es darin bringen wird. Wie können Sie denn übrigens etwas gegen ihn haben wollen bloß seiner natürlichen Begränzung wegen? Das gegen geht nur auf etwas positives und nicht auf ein bloßes Nichthaben, das giebt nur ein weniger für. Sagen Sie nicht daß das eine bloße Wortklauberei ist; ei es liegt gar viel drin, und ich denke wir wolltens uns sehr verbeten haben Alexander und ich, wenn Sie noch mehr Menschen so lieben wollten daß Sie in diesem Sinn nichts gegen sie haben mögten. | Das würde uns zu viel werden. Meine neuliche Stimmung, liebe, das ist, ich will es nur gestehen ein fit vom echten Christenthum wie ich sie bisweilen habe. Wie das mit dem Christenthum zusammen kommt können Sie in meiner fünften Rede finden. Es liegt übrigens sehr tief in mir, denn es gehört zu dem Bewußtsein daß ich eine Pflanze bin und einen Boden brauche, und daß nur durch beständige Circulation und Assimilation die Elemente meiner Natur beim Leben erhalten werden können. Nicht sowol durch Zerrüttung meines Wesens von innen her – obgleich auch das möglich ist – kann ich untergehen, sondern schon durch die Zerstörung meiner Lage. Man reiße mich aus und ich bin verloren. Der Glaube an die Ewigkeit besteht dabei wol. Hier kommt mir diese Stimmung sehr natürlich weil es wirklich Stunden giebt wo ich Nichts bin.
Ach denken Sie was ich gethan habe, und was ich eigentlich noch thue! Ich lese Nikolai’s Buch über seine gelehrte Bildung und sein Verhältniß zur kritischen Philosophie. Es ist ein starkes Stück und sagen kann man eigentlich gar nichts drüber. Im Grunde ist es wenn man erst den rechten Standpunkt gefunden hat erstaunlich naiv. Der vornehm mitleidige Ton über Fichte den ich prophezeihe ist schon drin obgleich damals nur erst von der Confiskation die Rede war. Gegen den Kant hat er allerdings einiges getroffen was so recht grob vor Augen liegt; aber sein gänzliches Nichtwissen wovon die Rede ist geht ob er es gleich tausend|mal leugnet von der ersten Seite bis zur letzten. Doch was geht mich der Nikolai an, hab ich doch noch über Ihren Brief zu reden. – Das Geschäft was Sie mir bei Heindorf auftragen geht, fürchte ich, ein wenig gegen meine Lehre von den Naturen, und Sie wissen wie sehr die zu meiner Religion gehört. Hat Heindorf Sinn für den Alexander, so wird er ihn schon finden; hat er keinen so wissen Sie daß alle Worte nichts helfen. Meinen Sie er könnte viel Sinn haben, aber man müßte ihn ihm erst öffnen, so kann das doch durch Reden nicht geschehen sondern dadurch daß man ihm die Gegenstände applicirt. Einer gelähmten Lunge bläst man Luft ein, eine vorübergehende Taubheit wird durch einen tüchtigen Knall kurirt und ein allzu schläfriges Auge wird durch ein blendendes Licht gezwungen sich zu öffnen. Lassen Sie uns also abwarten; es wäre überdies eine vergebliche Mühe ihm den Alexander an sich verständlich zu machen. Wir müssen erst sein Mittler sein, nur dadurch daß er uns besser verstehen lernt kann er ihn verstehen lernen und wir müssen erst sehen wie weit er es darin bringen wird. Wie können Sie denn übrigens etwas gegen ihn haben wollen bloß seiner natürlichen Begränzung wegen? Das gegen geht nur auf etwas positives und nicht auf ein bloßes Nichthaben, das giebt nur ein weniger für. Sagen Sie nicht daß das eine bloße Wortklauberei ist; ei es liegt gar viel drin, und ich denke wir wolltens uns sehr verbeten haben Alexander und ich, wenn Sie noch mehr Menschen so lieben wollten daß Sie in diesem Sinn nichts gegen sie haben mögten. | Das würde uns zu viel werden. Meine neuliche Stimmung, liebe, das ist, ich will es nur gestehen ein fit vom echten Christenthum wie ich sie bisweilen habe. Wie das mit dem Christenthum zusammen kommt können Sie in meiner fünften Rede finden. Es liegt übrigens sehr tief in mir, denn es gehört zu dem Bewußtsein daß ich eine Pflanze bin und einen Boden brauche, und daß nur durch beständige Circulation und Assimilation die Elemente meiner Natur beim Leben erhalten werden können. Nicht sowol durch Zerrüttung meines Wesens von innen her – obgleich auch das möglich ist – kann ich untergehen, sondern schon durch die Zerstörung meiner Lage. Man reiße mich aus und ich bin verloren. Der Glaube an die Ewigkeit besteht dabei wol. Hier kommt mir diese Stimmung sehr natürlich weil es wirklich Stunden giebt wo ich Nichts bin.