Landsb. d. 10ten May 99
Lieber Neveu
Ich hatte schon lange Ihren letzten Brief beantworten wollen, wußte aber immer nicht, ob ich ihn noch nach Potsdam oder nach Berlin addressiren sollte. Das was Sie mir von Herrn Bambergers Gemüthszustand schreiben, ist mir äußerst nahe gegangen, er ist zwar wohl alt, aber ich habe doch noch viel ältere gekannt die noch volle Geisteskräfte – bey ihm ist das noch das beßte, daß er gar kein Gefühl von seiner Schwäche hat, sondern sich so ganz behaglich findet.
Herr Pischon wird, wie ich schon vermuthet hatte, und wie Sie nun auch schreiben, in seiner künftigen Lage ganz gut passen und dem Herrn Feldprobst wohl nichts schenken.
Sie denken also in der nächsten Woche nach Berlin [zu kommen], und so will ich denn bey der Benike mich erkundigen, ob wir nicht mit Sicherheit über 8 Tage unsere Briefe nach Berlin schicken können[.] Die Besoldungsquittungen habe ich indeß schon an Herrn Vetter Reinhard geschickt, weil ich besorgte, daß Sie doch manche Zeit brauchen werden, um sich dort wieder neu anzusiedeln |
den 19ten Da wollt’ ich heute mich bey der Benike erkundigen ob man an Sie noch nach Potsdam oder nach Berlin schreiben müsse, konnte aber nicht dazu kommen, und weil ich bey dem noch so ziemlichen Wetter, da man in diesem Jahre schon einen heiteren Augenblick benutzen muß, mit Mama ein wenig spazieren gehen wollte, so blieb mir auch zum Briefschreiben keine Zeit übrig[.] Jetzt Abends nach 10 hatt’ ich zwar sehr stark darauf gerechnet – aber etwas ermüdet und meiner Augen schonend muß ich es lieber bis zur nächsten Post verschieben
20ten Da hat mir der Brauns einen fatalen Streich gespielt, daß er meinen Brief an Herrn Reinhard nicht abgegeben. Der Mensch hatte mich seit länger als Jahr und Tag rasirt komt den Dienstag den 23ten April und sagt daß er dasmal mich zum letztenmale rasire, da er nach Berlin – ich frage ihn, ob er nicht wisse, wie die Straße, wo sein Lehrherr wohne, und da er mir die Klosterstraße nennt, frag’ ich ihn ob er einen Brief mitnehmen wolle, wozu er sehr willig, auch den Donerstag den 25ten ihn abholt, weil er Tages darauf mit einer Gelegenheit reisen | würde[;] ich hatte da in meinem Brieflein einmal wieder so recht traulich mit Vetter Reinhard geschwetzt, und ihm dann auch meine Bitte wegen der Communionbücher vorgelegt, die Sie denn aus meinem Zettelchen mit der reitenden Post werden hinlänglich verstanden haben
den 29ten So eben habe ihren Brief mit den Büchern und auch von Herrn Vetter Reinhard einen recht muntren Brief nebst dem Gelde erhalten, aber noch immer keine Antwort von Freund Sack an den ich am 29ten April mit der reitenden Post geschrieben, und nun fast besorgen muß daß er diesen Brief nicht erhalten, welches mir sehr nahe gehen würde[.] Durch die übersandten CommunionBücher ist nun die kleine Schuld wegen der im vorigen Quartal für Mademoiselle Kersten erhobenen getilget. Die Ermordung der französischen Gesandten ist und bleibt immer ein Schandfleck unsres Zeitalters, aber ob man auf den eigentlichen Grund und Antrieb dieses Bubenstücks komen werde, zweifle ich fast
Dieser Tagen habe ich auch das Sendschreiben der jüdischen Hausväter an den Probst Teller gelesen – ich denke imer, das hat wohl nicht ein Jude, sondern ein geübter und in der neuern Philosophie sehr wohl bewanderter denkender Kopf von unsren Theologen aufgesetzt; ich will wohl glauben, daß manche – besonders Berliner – Juden auch mit der neueren Philosophie und Gelehrsamkeit überhaupt nicht unbekannt sind aber daß dieses Sendschreiben – einen christlichen Theologen zum Verfasser habe – laße ich mich so bald nicht ausreden[.] Tellers Antwort denke ich auch bald zu lesen unser Feldprediger Gerlach hat sie |
Aber was hat der Prediger Tieftrunk in Halle begangen, weshalb er eine Weisung bekomen? Ist Ihnen von seiner Religion der Unmündigen etwas bekannt? und denn noch eins: Haben Sie die Gespräche zwischen Christian Wolf und einem Kantianer gelesen? Da haben Sie denn doch wieder ein paar Fragen[.] An Herrn Vetter Reinhard werde nächstens schreiben
Und nun muß ich Ihnen noch einen kleinen Auftrag an Herrn Sack [geben]. Ich hatte zu Ende vorigen Jahres eine Vorstellung ans KirchenDirectorium worin ich um freyes Brennholz – oder eine verhältnißmäßige Zulage für mich und unsern guten Cantor anhielt am 22ten December an Herrn Arend geschickt – habe nachher mich verschiedentlich bey ihm erkundigt, ob denn keine Antwort denn während meiner ganzen Amtsführung ist mir der Fall noch gar nie vorgekomen – Als wir die Rechnungen einschickten erinnerte ich Herrn Arend wieder – erhielt aber weiter keine Antwort als daß er bey den zurükkomenden Belegen und Notaten schrieb – da haben Sie den Vorläufer – Als ich an Ostern die SchullehrerWitwenCollecte übersandte stellte ich ihm nochmals mein Befremden vor – und seit der Zeit habe ich von Herrn Arend gar kein Schreiben erhalten. Darauf schrieb ich denn einen sehr freundschaftlichen Brief an Herrn Sack – und legte zugleich eine wiederholte Vorstellung bey – überließ es aber seinem Gutdünken ob es nöthig seyn werde, solche einzureichen oder ob vielleicht auf meine erstere schon etwas verfüget sey – und auch darauf keine Silbe[.] Den Brief hat unser Sohn selbst auf die Post gebracht
Nun wünsche ich doch darüber einige Aufhellung
Viele Grüße von Ihrem
St.
Lieber Neveu
Ich hatte schon lange Ihren letzten Brief beantworten wollen, wußte aber immer nicht, ob ich ihn noch nach Potsdam oder nach Berlin addressiren sollte. Das was Sie mir von Herrn Bambergers Gemüthszustand schreiben, ist mir äußerst nahe gegangen, er ist zwar wohl alt, aber ich habe doch noch viel ältere gekannt die noch volle Geisteskräfte – bey ihm ist das noch das beßte, daß er gar kein Gefühl von seiner Schwäche hat, sondern sich so ganz behaglich findet.
Herr Pischon wird, wie ich schon vermuthet hatte, und wie Sie nun auch schreiben, in seiner künftigen Lage ganz gut passen und dem Herrn Feldprobst wohl nichts schenken.
Sie denken also in der nächsten Woche nach Berlin [zu kommen], und so will ich denn bey der Benike mich erkundigen, ob wir nicht mit Sicherheit über 8 Tage unsere Briefe nach Berlin schicken können[.] Die Besoldungsquittungen habe ich indeß schon an Herrn Vetter Reinhard geschickt, weil ich besorgte, daß Sie doch manche Zeit brauchen werden, um sich dort wieder neu anzusiedeln |
den 19ten Da wollt’ ich heute mich bey der Benike erkundigen ob man an Sie noch nach Potsdam oder nach Berlin schreiben müsse, konnte aber nicht dazu kommen, und weil ich bey dem noch so ziemlichen Wetter, da man in diesem Jahre schon einen heiteren Augenblick benutzen muß, mit Mama ein wenig spazieren gehen wollte, so blieb mir auch zum Briefschreiben keine Zeit übrig[.] Jetzt Abends nach 10 hatt’ ich zwar sehr stark darauf gerechnet – aber etwas ermüdet und meiner Augen schonend muß ich es lieber bis zur nächsten Post verschieben
20ten Da hat mir der Brauns einen fatalen Streich gespielt, daß er meinen Brief an Herrn Reinhard nicht abgegeben. Der Mensch hatte mich seit länger als Jahr und Tag rasirt komt den Dienstag den 23ten April und sagt daß er dasmal mich zum letztenmale rasire, da er nach Berlin – ich frage ihn, ob er nicht wisse, wie die Straße, wo sein Lehrherr wohne, und da er mir die Klosterstraße nennt, frag’ ich ihn ob er einen Brief mitnehmen wolle, wozu er sehr willig, auch den Donerstag den 25ten ihn abholt, weil er Tages darauf mit einer Gelegenheit reisen | würde[;] ich hatte da in meinem Brieflein einmal wieder so recht traulich mit Vetter Reinhard geschwetzt, und ihm dann auch meine Bitte wegen der Communionbücher vorgelegt, die Sie denn aus meinem Zettelchen mit der reitenden Post werden hinlänglich verstanden haben
den 29ten So eben habe ihren Brief mit den Büchern und auch von Herrn Vetter Reinhard einen recht muntren Brief nebst dem Gelde erhalten, aber noch immer keine Antwort von Freund Sack an den ich am 29ten April mit der reitenden Post geschrieben, und nun fast besorgen muß daß er diesen Brief nicht erhalten, welches mir sehr nahe gehen würde[.] Durch die übersandten CommunionBücher ist nun die kleine Schuld wegen der im vorigen Quartal für Mademoiselle Kersten erhobenen getilget. Die Ermordung der französischen Gesandten ist und bleibt immer ein Schandfleck unsres Zeitalters, aber ob man auf den eigentlichen Grund und Antrieb dieses Bubenstücks komen werde, zweifle ich fast
Dieser Tagen habe ich auch das Sendschreiben der jüdischen Hausväter an den Probst Teller gelesen – ich denke imer, das hat wohl nicht ein Jude, sondern ein geübter und in der neuern Philosophie sehr wohl bewanderter denkender Kopf von unsren Theologen aufgesetzt; ich will wohl glauben, daß manche – besonders Berliner – Juden auch mit der neueren Philosophie und Gelehrsamkeit überhaupt nicht unbekannt sind aber daß dieses Sendschreiben – einen christlichen Theologen zum Verfasser habe – laße ich mich so bald nicht ausreden[.] Tellers Antwort denke ich auch bald zu lesen unser Feldprediger Gerlach hat sie |
Aber was hat der Prediger Tieftrunk in Halle begangen, weshalb er eine Weisung bekomen? Ist Ihnen von seiner Religion der Unmündigen etwas bekannt? und denn noch eins: Haben Sie die Gespräche zwischen Christian Wolf und einem Kantianer gelesen? Da haben Sie denn doch wieder ein paar Fragen[.] An Herrn Vetter Reinhard werde nächstens schreiben
Und nun muß ich Ihnen noch einen kleinen Auftrag an Herrn Sack [geben]. Ich hatte zu Ende vorigen Jahres eine Vorstellung ans KirchenDirectorium worin ich um freyes Brennholz – oder eine verhältnißmäßige Zulage für mich und unsern guten Cantor anhielt am 22ten December an Herrn Arend geschickt – habe nachher mich verschiedentlich bey ihm erkundigt, ob denn keine Antwort denn während meiner ganzen Amtsführung ist mir der Fall noch gar nie vorgekomen – Als wir die Rechnungen einschickten erinnerte ich Herrn Arend wieder – erhielt aber weiter keine Antwort als daß er bey den zurükkomenden Belegen und Notaten schrieb – da haben Sie den Vorläufer – Als ich an Ostern die SchullehrerWitwenCollecte übersandte stellte ich ihm nochmals mein Befremden vor – und seit der Zeit habe ich von Herrn Arend gar kein Schreiben erhalten. Darauf schrieb ich denn einen sehr freundschaftlichen Brief an Herrn Sack – und legte zugleich eine wiederholte Vorstellung bey – überließ es aber seinem Gutdünken ob es nöthig seyn werde, solche einzureichen oder ob vielleicht auf meine erstere schon etwas verfüget sey – und auch darauf keine Silbe[.] Den Brief hat unser Sohn selbst auf die Post gebracht
Nun wünsche ich doch darüber einige Aufhellung
Viele Grüße von Ihrem
St.