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Friedrich Schleiermacher to Henriette Herz

Berlin den 18ten Juni 1799. Abend.
[...] Haben Sie denn im Dieskauer Wasserhause meiner gedacht? Da habe ich mit Brinkmann philosophirt, so Hausphilosophie, und Poesie gelesen, und ich habe mir von ihm erzählen lassen von den Menschen; denn ich selbst sah keine und wollte keine sehen. Mehr noch das Bewußtsein meiner innern Unfertigkeit und Gährung als äußere Umstände hielten mich davon ab. Auch konnte alles was er mir schönes sagte nicht hindern daß nicht der Keim der Verachtung eben damals sein erstes Leben gewann, trotz des Bewußtseins daß ich in die Bildung wie Brinkmann sie mir beschrieb und wie sie in ihm war nicht hineinreichen konnte. Todt war ich eigentlich damals nicht; aber äußerlich wenigstens lebte ich gar | nicht. Ich glaube nicht daß es je einen jungen Menschen gegeben der weniger an die Zukunft gedacht und doch auch den Augenblick weniger genutzt und genossen hätte. Auch an den Wissenschaften verzweifelte ich in der Stille. Ich sah wie geistlos alles betrieben wurde, und selbst Kant, den ich eifrig studirte konnte mir den Glauben nicht benehmen, daß die Philosophie noch gar nicht auf dem rechten Fleck wäre. Es war also natürlich, und meiner Faulheit sehr gemäß daß ich lavirte und das schlechte Manoeuvre ist Gott sei Dank noch so leidlich abgelaufen. [...]
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  • Date: Dienstag, 18. Juni 1799
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Henriette Herz ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 124‒125.

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