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Friedrich Schleiermacher to Henriette Herz

Mittwoch Abend.
Diesen Mittag habe ich bei der Veit gegessen, habe dann meine Notiz von Kants Anthropologie dort zu Ende ins Reine geschrieben, und dann sind wir in Bellevue gewesen, wo die Akazien göttlich riechen; hernach habe ich mit Schlegel noch ein wunderbares Gespräch über mich gehabt, wobei wir uns wahrscheinlich beide nicht verstanden haben. Er notizirt jetzt die Religion, und da studirt er mich ordentlich; er will mein Centrum wissen und darüber haben wir nicht einig werden können. Ob ich mich wol selbst so verstehe wie er mich verstehen will? Ich habe ihm gesagt ich würde wol nie bis ins Centrum kommen, mit dem Machen nemlich meinte ich, das hat er für eine Blasphemie gegen mich selbst genommen, kurz wir sind nicht zusammen gekommen. Was ist denn mein Centrum, wissen Sie es? Gestern, denken Sie sich, habe ich in der größten Eil wenigstens zehn Bogen Religion lesen müssen, weil der Setzer, der nun wirklich auf dem letzten Bogen ist, die Druckfehler verlangte. Das hat mich entsetzlich fatigirt. In Schlegels Notiz, die erst angefangen ist, steht unter | anderm „der Styl der Reden sei eines Alten nicht unwürdig“. – Das ist wol zuviel gesagt. Übrigens bin ich sehr begierig darauf was alles in dieser Notiz stehen wird. – Gute Nacht! In welchem Nest mögen Sie schlafen? Morgen kommen Sie nach Ilsenburg und ich denke mit dem Harz soll Ihnen eine neue Göttlichkeit und ein neuer Enthusiasmus aufgehen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 19. Juni 1799
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Henriette Herz ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 126.

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