Gdfr d 25ten August 1799
Da die gute von Strampf mir gern einen Brief an Dich bestellen will und den 5ten September abreist so ist es wohl Zeit daß ich heute anfange. Ob ich Dir in meinem lezten, die gemachte Bekantschaft mit der Proffessor Bertram, der SchwiegerMutter des Buerde, und seiner Frau, auch das Wiedersehn mit ihm, erzählt, weis ich nicht recht gewiß – und 2mahl wolte ichs nicht gern sagen – kurz – gestern hatte ich wieder so eine ähnliche Freude des Wiedersehns. Schon zur CofféZeit wurde ich ins Gemeinlogis citirt – konte aber nicht vor 5 uhr – erscheinen, weil ich in einer angenehmen Geselschaft bei der Comtesse Posadowsky war – bei meiner Ankunft fand ich außer der Fräulein Wallenberg die mich vor 6 Jahren mit ihrer nun auch Vollendeten Mutter und Schwester besucht hatte – einen Herrn, nebst 3 FrauenZimer — die Phisiognomie des erstern war mir sehr bekant aber sein Nahme keinesweges – es war Brossert, der ehemals in unsern kleinen Concerts die Violine zum Entzüken spielte und sonst viel bei uns im Copsischen Hause war – seine Begleiterinen, war, seine zweite Frau, aus Cleve gebürtig und die Töchter aus erster Ehe – der gute Mann war so warhaft freundtschaftlich und ganz das in seinem Betragen, wie ich mir ihn (als ich anfieng über alte Bekantschaften nachzudenken) ausgemahlt hatte – es war ein herrlicher Abend – von 5 bis halb 10 uhr – wir giengen da spazieren – wo wir den lezten Abend vor Deiner Abreise | waren, und es Dir so gut gefiel – von den Wallenbergschen könte auch noch manches erwähnen – aber Du kenst die Leute vielleicht nicht, allein Deinen alten Freund Wenzel von dem auch dort gesprochen wurde, hast Du doch wohl noch im Andenken? Der hat eine meiner sehr genauen Bekanten geheiratet – ein recht liebes Geschöpf ganz zur Häußlichkeit erzogen, ist auch schon Mutter eines kleinen Sohnes, aber seit der Entbindung sehr kränklich – Brossert, lobte den Mann gar sehr – er ist an die Stelle des verstorbnen Schmidts gekomen, der Dir wohl noch aus Stein erdenklich sein wird – – der Verlust den sein Weib und Kinder erlitten ist sehr groß! er lebte ihnen so ganz im engsten Verstande, und ist wegen seines vortreflichen Caracters und genauer Erfüllung seiner Pflichten – bei Allen noch in lebhaften Andenken, so wie Seinerseits, der in Ostern schnell verblühte Charles von Tschirsky von deßen seinem Hinscheiden ich Dir ja wohl geschrieben.
Siehe da ist eine ganze Seite voll, von lebenden und Todten – jezt will ich zu Abend eßen – wo wirst Du heute sein? –
den 28. Vorgestern schrieb ich im schreklichsten Regen, der diesen Sommer die schönen Tage öfters unterbricht – welches freilich für die Erndte sehr betrübt – überall jamert der LandMann | daß er sein Getreide nicht einführen kann – auch für diejengen die kleine Lustreisen unternehmen ist es recht übel – deshalb benuzt man lieber die schönen Tage und geht zu Fuß so weit mann kann, denn eben wegen des oberwähnten – bekomt mann auch keine Pferde – gestern gieng ich nach meinen Schulen gegen 5 auf den Glazhof wo ich ein Stündgen verweilte – nicht wie das zuweilen geschieht die Besizer desselben zu besuchen – sondern die schöne Natur solo zu genießen welches mir auch treflich gelung – ich war nicht im Garten, nur am Teich und Erlengang am erstern genoß ich einer zwar begrenzten doch freien Aussicht und feierte manche schöne Scene der Vergangenheit meiner frühem Jahre und denen mir damals nahen Wesen – am leztern Ort war ich wie in einem heiligen Dunkel – da die Gegenwart, mit ihren Schranken zwar den gebundnen Geist umgeben – doch durch die kleinen Oefnungen des Gebüsches, drang manches schimernde Licht – so – daß mit matten Farben, ich kleine Situationen beleuchtet sah – und mich theils drüber freute – und mit bangen Ahndungen erfüllt war – nicht so wohl über mich, als, die betreffend, an die Natur und SeelenEinigung mich band – hier und in manchem andren Land – – heute da Mitwoch ist und ich erst 1mahl dis Jahr in OberPeile war – will ich die Baronin Cotwiz besuchen welche die Zeit her sehr krank war. |
den 30ten August
Recht angenehm verstrich mir der Nachmittag vorgestern – um 1 uhr gieng ich ab – wanderte zur Frau Krebs, die im Zimermanschen Hause wohnt – fand sie nach Wunsche allein – denn es wohnen mehrere einsame Witwen in den ColonieHäusern die sich zuweilen untereinander – aber nicht Alle von mir besucht werden; bat mir eine Tasse Caffé aus, welche mir gewährt wurde, und obendrein noch eine schöne Lectüre – welche die Aulock an eine der Witwen geborgt – eine Samlung froher und trüber Stunden, von verschiednen Dichtern – das was ich hörte, war das verschimmelte Brod – von Hocher (auch die Versöhnung im Ungewitter – die Piecen sind von Hocher und Nachtigall gesamlet – auch einge Gedichte von Clamer Schmidt.) – sehr schön und fein geschrieben; nachdem ich mich daran ergözt, gieng es weiter nach OberPeile, alwo ich auch die Frau Baronin nach Wunsch allein fand zwar noch sehr schwach doch außer dem Bett – sehr angenehm war die Unterhaltung – ein Weilchen nach 6 empfahl ich mich – und kam wieder solo recht heiter über alles genoßne Gute hier an – nicht imer geht es so nach Wunsch – doch eben solche Stunden, entschädigen mich reichlich für manches was ich theils entbehren will oder auch meiner Pflichten wegen entbehren muß. Vor 6 Wochen – war meine gute Arndt mit ihrer Generalin und Eleven und einem gewißen von Campenhausen hier – da sie seit 6 Jahren das erstemahl und zwar nur 8 Tage sich hier aufhielt – kanst Du wohl glauben, daß der Menschen, die Ansprüche an sie hatten | sehr viel waren – den ganzen Tag muste sie die Ihrigen begleiten, und nur den frühen Morgen und späten Abend konte sie im SchwesternHaus zubringen[;] da wir uns vorm Jahr in Herrnhut gesehen hatten, so bedurfte es nur einiger Stunden um uns über manches seitdem zugetragne zu eröfnen – – so hatten wir ein Solo von 10, bis 12 uhr das Uns für manches andre entschädigte – übrigens wenn wir Uns in andrer Geselschaft sahen, brauchte es nur halbe Worte und Winke um uns deutlich zu machen.
den 12ten September Schon seit einigen Tagen war der Wunsch Euch Beide Dich und Charles zusamen hier zu sehn, in meinem inern gar sehr rege, und heute ganz besonders! es ist so unvergleichliches Wetter – vergebens habe ich gestern nach Pferden ausgeschikt – keine bekommen – ach! wäret Ihr hier wir wolten auf den herrlichen Glazhof – oder auf den Pilz gehen, und uns recht von Herzen ausreden über alles – und uns zurük erinnern an den unvergeßlichen guten Mann, der uns Vater, uns Freund, war, es uns sagen, was wir alles an Ihm hatten, was wir verlohren – kein Tag vergeht mir Bruder, ohne den Gedanken an ihn – Gegenwart – und Vergangenheit – beides stelt mir das Bild des lieben Mannes vor – in meinen Schulen auf der Stube, beim Spazierengehn – auch auf dem Saale gedenke ich Sein – oft ohne es eben zu wollen – daß Ihr dan Euch auch öfters dazu geselt ist wohl so ganz natürlich – |
den 13ten September
Gestern! da es 5 Jahre war, daß ich das Hinscheiden unsers Vaters als die traurigste Nachricht meines Lebens erfuhr – schrieb ich die lezte Seite und sehnte mich recht wieder etwas von Dir zu lesen, und noch mehr mit Dir zu sprechen – heute Nachmittag da ich von einem Spaziergange zurük kome finde ich Deinen lieben Brief der mich gar herzlich freuete – und eine ganze Epoche von 8 Jahren in mir vergegenwärtigte das heißt: Dein Sein in Schlobitten und alles was damit in Deinem feinsten Sensorium verbunden war – Caroline und Louis fehlten noch so hättest Du sie Alle um Dich die Theuren – denen ich mich gelegentlich zu empfehlen bitte – recht lebhaft kann ich mir Dich in Deinem ganzen Benehmen mit jedem Glied der Geselschaft einzeln vorstellen – Comtesse Friederique als den leidendsten Theil an Cörper und Geist beklage ich von ganzer Seele, möchten doch die Mittel des Prof. Herz gut anschlagen – und die Eltern nach ihrer inigsten Ueberzeugung handeln – für das wahre Wohl der so äußerst würdigen liebevollen und reizbaren Tochter! – ich bin ganz voll davon! wie wird das alles Lisette interressiren – O! wie wünsche ich so herzlich daß sich alles dahin füge daß Deine Reise hieher übers Jahr zu unternehmen sei – dann müßen wir zusamen nach Füerstenstein von welcher Gegend soviele ganz hingenomen sind – und wir, kennen noch dazu die Besizer und könen uns gewiß eine gütige Aufnahme versprechen | Die Hochberg wünscht es mich einmahl dort zu sehen, es ist aber mit mancherley Umständen verbunden – wenn Sie Pferde schikte mich abzuholen würde man es erst für Ernst halten, man bedenkt aber nur nicht daß selten diese brauchbaren Geschöpfe in der Gewalt der Frauen stehen! kurz ich rechne jezt darauf mit Dir hinzugehen, da Du länger als 8 Tage hier bleibst – dan gehts auch nach Pangel – und Kuchendorf – an leztern Ort war ich dis Jahr gar nicht – und werde nun nicht erst hin, da meine Freundin bald ihrem kleinen Wesen entgegen sieht – hier fällt mir ein, daß Du auf einem Deiner kleinen Briefgen einmahl erwähntest – Caroline würde wohl durch das Mutter werden ganz in ihr Schik kommen | das war mir damals sehr merkwürdig, da ich eben Gelegenheit hatte, darüber wegen manche meiner Freunde zu denken – in welche ganz eigne Stimung – ein Weib durch dieses Gefühl phisisch und moralisch versezt werden muß – da schon die Aussicht auf ihre Freunde wirkt – auch die Männer die sonst viel FrohSin auch gar Leichtsin im Caracter haben, äußern ein gewißes etwas während dieser Periode was sie recht gut kleidet – Lieber ich schließe damit Du diese Epistel bald erhältst ob Du jezt mein Geschmiere ganz lesen und faßen kanst – wünschte ich zu wißen leider kann ich darüber keine Beßerung versprechen – denn da müste ich ganz Tage zum schreiben haben – ich fange bald wieder einen Brief ann – und hoffe in kurzen recht viel von Dir zu lesen
Lotte.
Von Charles weiß ich immer seit jenem im December geschriebnen Brief noch nichts – und bin darüber oft recht unruhig – Ifland hat eine völlige Begeisterung in Breslau veranlaßt.
Da die gute von Strampf mir gern einen Brief an Dich bestellen will und den 5ten September abreist so ist es wohl Zeit daß ich heute anfange. Ob ich Dir in meinem lezten, die gemachte Bekantschaft mit der Proffessor Bertram, der SchwiegerMutter des Buerde, und seiner Frau, auch das Wiedersehn mit ihm, erzählt, weis ich nicht recht gewiß – und 2mahl wolte ichs nicht gern sagen – kurz – gestern hatte ich wieder so eine ähnliche Freude des Wiedersehns. Schon zur CofféZeit wurde ich ins Gemeinlogis citirt – konte aber nicht vor 5 uhr – erscheinen, weil ich in einer angenehmen Geselschaft bei der Comtesse Posadowsky war – bei meiner Ankunft fand ich außer der Fräulein Wallenberg die mich vor 6 Jahren mit ihrer nun auch Vollendeten Mutter und Schwester besucht hatte – einen Herrn, nebst 3 FrauenZimer — die Phisiognomie des erstern war mir sehr bekant aber sein Nahme keinesweges – es war Brossert, der ehemals in unsern kleinen Concerts die Violine zum Entzüken spielte und sonst viel bei uns im Copsischen Hause war – seine Begleiterinen, war, seine zweite Frau, aus Cleve gebürtig und die Töchter aus erster Ehe – der gute Mann war so warhaft freundtschaftlich und ganz das in seinem Betragen, wie ich mir ihn (als ich anfieng über alte Bekantschaften nachzudenken) ausgemahlt hatte – es war ein herrlicher Abend – von 5 bis halb 10 uhr – wir giengen da spazieren – wo wir den lezten Abend vor Deiner Abreise | waren, und es Dir so gut gefiel – von den Wallenbergschen könte auch noch manches erwähnen – aber Du kenst die Leute vielleicht nicht, allein Deinen alten Freund Wenzel von dem auch dort gesprochen wurde, hast Du doch wohl noch im Andenken? Der hat eine meiner sehr genauen Bekanten geheiratet – ein recht liebes Geschöpf ganz zur Häußlichkeit erzogen, ist auch schon Mutter eines kleinen Sohnes, aber seit der Entbindung sehr kränklich – Brossert, lobte den Mann gar sehr – er ist an die Stelle des verstorbnen Schmidts gekomen, der Dir wohl noch aus Stein erdenklich sein wird – – der Verlust den sein Weib und Kinder erlitten ist sehr groß! er lebte ihnen so ganz im engsten Verstande, und ist wegen seines vortreflichen Caracters und genauer Erfüllung seiner Pflichten – bei Allen noch in lebhaften Andenken, so wie Seinerseits, der in Ostern schnell verblühte Charles von Tschirsky von deßen seinem Hinscheiden ich Dir ja wohl geschrieben.
Siehe da ist eine ganze Seite voll, von lebenden und Todten – jezt will ich zu Abend eßen – wo wirst Du heute sein? –
den 28. Vorgestern schrieb ich im schreklichsten Regen, der diesen Sommer die schönen Tage öfters unterbricht – welches freilich für die Erndte sehr betrübt – überall jamert der LandMann | daß er sein Getreide nicht einführen kann – auch für diejengen die kleine Lustreisen unternehmen ist es recht übel – deshalb benuzt man lieber die schönen Tage und geht zu Fuß so weit mann kann, denn eben wegen des oberwähnten – bekomt mann auch keine Pferde – gestern gieng ich nach meinen Schulen gegen 5 auf den Glazhof wo ich ein Stündgen verweilte – nicht wie das zuweilen geschieht die Besizer desselben zu besuchen – sondern die schöne Natur solo zu genießen welches mir auch treflich gelung – ich war nicht im Garten, nur am Teich und Erlengang am erstern genoß ich einer zwar begrenzten doch freien Aussicht und feierte manche schöne Scene der Vergangenheit meiner frühem Jahre und denen mir damals nahen Wesen – am leztern Ort war ich wie in einem heiligen Dunkel – da die Gegenwart, mit ihren Schranken zwar den gebundnen Geist umgeben – doch durch die kleinen Oefnungen des Gebüsches, drang manches schimernde Licht – so – daß mit matten Farben, ich kleine Situationen beleuchtet sah – und mich theils drüber freute – und mit bangen Ahndungen erfüllt war – nicht so wohl über mich, als, die betreffend, an die Natur und SeelenEinigung mich band – hier und in manchem andren Land – – heute da Mitwoch ist und ich erst 1mahl dis Jahr in OberPeile war – will ich die Baronin Cotwiz besuchen welche die Zeit her sehr krank war. |
den 30ten August
Recht angenehm verstrich mir der Nachmittag vorgestern – um 1 uhr gieng ich ab – wanderte zur Frau Krebs, die im Zimermanschen Hause wohnt – fand sie nach Wunsche allein – denn es wohnen mehrere einsame Witwen in den ColonieHäusern die sich zuweilen untereinander – aber nicht Alle von mir besucht werden; bat mir eine Tasse Caffé aus, welche mir gewährt wurde, und obendrein noch eine schöne Lectüre – welche die Aulock an eine der Witwen geborgt – eine Samlung froher und trüber Stunden, von verschiednen Dichtern – das was ich hörte, war das verschimmelte Brod – von Hocher (auch die Versöhnung im Ungewitter – die Piecen sind von Hocher und Nachtigall gesamlet – auch einge Gedichte von Clamer Schmidt.) – sehr schön und fein geschrieben; nachdem ich mich daran ergözt, gieng es weiter nach OberPeile, alwo ich auch die Frau Baronin nach Wunsch allein fand zwar noch sehr schwach doch außer dem Bett – sehr angenehm war die Unterhaltung – ein Weilchen nach 6 empfahl ich mich – und kam wieder solo recht heiter über alles genoßne Gute hier an – nicht imer geht es so nach Wunsch – doch eben solche Stunden, entschädigen mich reichlich für manches was ich theils entbehren will oder auch meiner Pflichten wegen entbehren muß. Vor 6 Wochen – war meine gute Arndt mit ihrer Generalin und Eleven und einem gewißen von Campenhausen hier – da sie seit 6 Jahren das erstemahl und zwar nur 8 Tage sich hier aufhielt – kanst Du wohl glauben, daß der Menschen, die Ansprüche an sie hatten | sehr viel waren – den ganzen Tag muste sie die Ihrigen begleiten, und nur den frühen Morgen und späten Abend konte sie im SchwesternHaus zubringen[;] da wir uns vorm Jahr in Herrnhut gesehen hatten, so bedurfte es nur einiger Stunden um uns über manches seitdem zugetragne zu eröfnen – – so hatten wir ein Solo von 10, bis 12 uhr das Uns für manches andre entschädigte – übrigens wenn wir Uns in andrer Geselschaft sahen, brauchte es nur halbe Worte und Winke um uns deutlich zu machen.
den 12ten September Schon seit einigen Tagen war der Wunsch Euch Beide Dich und Charles zusamen hier zu sehn, in meinem inern gar sehr rege, und heute ganz besonders! es ist so unvergleichliches Wetter – vergebens habe ich gestern nach Pferden ausgeschikt – keine bekommen – ach! wäret Ihr hier wir wolten auf den herrlichen Glazhof – oder auf den Pilz gehen, und uns recht von Herzen ausreden über alles – und uns zurük erinnern an den unvergeßlichen guten Mann, der uns Vater, uns Freund, war, es uns sagen, was wir alles an Ihm hatten, was wir verlohren – kein Tag vergeht mir Bruder, ohne den Gedanken an ihn – Gegenwart – und Vergangenheit – beides stelt mir das Bild des lieben Mannes vor – in meinen Schulen auf der Stube, beim Spazierengehn – auch auf dem Saale gedenke ich Sein – oft ohne es eben zu wollen – daß Ihr dan Euch auch öfters dazu geselt ist wohl so ganz natürlich – |
den 13ten September
Gestern! da es 5 Jahre war, daß ich das Hinscheiden unsers Vaters als die traurigste Nachricht meines Lebens erfuhr – schrieb ich die lezte Seite und sehnte mich recht wieder etwas von Dir zu lesen, und noch mehr mit Dir zu sprechen – heute Nachmittag da ich von einem Spaziergange zurük kome finde ich Deinen lieben Brief der mich gar herzlich freuete – und eine ganze Epoche von 8 Jahren in mir vergegenwärtigte das heißt: Dein Sein in Schlobitten und alles was damit in Deinem feinsten Sensorium verbunden war – Caroline und Louis fehlten noch so hättest Du sie Alle um Dich die Theuren – denen ich mich gelegentlich zu empfehlen bitte – recht lebhaft kann ich mir Dich in Deinem ganzen Benehmen mit jedem Glied der Geselschaft einzeln vorstellen – Comtesse Friederique als den leidendsten Theil an Cörper und Geist beklage ich von ganzer Seele, möchten doch die Mittel des Prof. Herz gut anschlagen – und die Eltern nach ihrer inigsten Ueberzeugung handeln – für das wahre Wohl der so äußerst würdigen liebevollen und reizbaren Tochter! – ich bin ganz voll davon! wie wird das alles Lisette interressiren – O! wie wünsche ich so herzlich daß sich alles dahin füge daß Deine Reise hieher übers Jahr zu unternehmen sei – dann müßen wir zusamen nach Füerstenstein von welcher Gegend soviele ganz hingenomen sind – und wir, kennen noch dazu die Besizer und könen uns gewiß eine gütige Aufnahme versprechen | Die Hochberg wünscht es mich einmahl dort zu sehen, es ist aber mit mancherley Umständen verbunden – wenn Sie Pferde schikte mich abzuholen würde man es erst für Ernst halten, man bedenkt aber nur nicht daß selten diese brauchbaren Geschöpfe in der Gewalt der Frauen stehen! kurz ich rechne jezt darauf mit Dir hinzugehen, da Du länger als 8 Tage hier bleibst – dan gehts auch nach Pangel – und Kuchendorf – an leztern Ort war ich dis Jahr gar nicht – und werde nun nicht erst hin, da meine Freundin bald ihrem kleinen Wesen entgegen sieht – hier fällt mir ein, daß Du auf einem Deiner kleinen Briefgen einmahl erwähntest – Caroline würde wohl durch das Mutter werden ganz in ihr Schik kommen | das war mir damals sehr merkwürdig, da ich eben Gelegenheit hatte, darüber wegen manche meiner Freunde zu denken – in welche ganz eigne Stimung – ein Weib durch dieses Gefühl phisisch und moralisch versezt werden muß – da schon die Aussicht auf ihre Freunde wirkt – auch die Männer die sonst viel FrohSin auch gar Leichtsin im Caracter haben, äußern ein gewißes etwas während dieser Periode was sie recht gut kleidet – Lieber ich schließe damit Du diese Epistel bald erhältst ob Du jezt mein Geschmiere ganz lesen und faßen kanst – wünschte ich zu wißen leider kann ich darüber keine Beßerung versprechen – denn da müste ich ganz Tage zum schreiben haben – ich fange bald wieder einen Brief ann – und hoffe in kurzen recht viel von Dir zu lesen
Lotte.
Von Charles weiß ich immer seit jenem im December geschriebnen Brief noch nichts – und bin darüber oft recht unruhig – Ifland hat eine völlige Begeisterung in Breslau veranlaßt.