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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Schönen Dank für Ihren Brief lieber Schleiermacher ich wäre doch ein wenig böse gewesen, auf mich selbst nemlich, wenn ich mir auch nicht einen von Ihnen verdient hätte! Sehr lieb ist es mir daß es Ihnen so gut geht jezt, bis zum wehmütig werden gut; denn wenn ich nicht irre so ist bei Ihnen, wie bei mir, die Wehmuth nur zu guten glücklichen Stunden dominirend; sie gehört mit zum Glück bei uns beiden. mit dem Schaum der Briefe bin ich noch immer meiner Meinung; den Hauch, den Athem, den lezten Gedanken vor dem versiegeln, der ist mit eingesiegelt, und gehört dem, an dem es gerichtet ist – dies nur meine eigne Empfindung dabei; Männer aber, fragen außer nach Champagner Schaum, nach keinen andern, die sind gründlicher, und finden immer noch das Beste, wenn der Schaum erst fort ist. – Schlegel meint, capricen hätte ich, auch Charackter, aber doch keinen capricen Charackter – ist das nicht mystisch? Daß Ihr mich aber so verwickelt findet daß begreife ich nicht – Ihr macht mich mit Euch ganz confuse – mich ahndet so etwas von Einlegen; bin ich denn nicht bis zur platitüde einfach? bis jezt glaubte ich’s immer doch Ihr müßt es beßer wißen – Und – In | Deine Hände befehl ich meinen Geist! – mich soll es von nun an nicht weiter kümmern! Ich freue mich darauf Schlegels Brief an Sie zu lesen er hat mir schon manches daraus erzählen müßen, so weit er sich erinnerte – der vortrefliche! Er ist ganz Liebe und Hoffnung und Glück! und alles was er beginnt, und was er denkt, athmet diesen göttlichen Enthusiasmus – – laßen Sie mich es Ihnen heimlich und als Ohrenbeichte gestehen mir zagt es ein wenig im Innersten Herzen und alle mein Muth, und mein Uebermuth fürchte ich werden mich nicht ganz von der Angst befreyen, daß ich zu gering für dem Herrlichen bin – eigentlich meyne ich! Ich hoffe mich so weit zu bringen, daß ich Ihnen mündlich alles deutlicher sagen kann. Schlegel sezt Ihre Kraft und Klarheit in Requisition besonders bitte ich auch noch darum, wir bedürfen es beyde. Friedrich kann so wenig allein Glücklich sein, als überhaupt allein sein, er bedarf um sich vollkommen glücklich zu fühlen, auch noch das Bewußtseyn daß es seine Lieblinge sind; er freut sich nie, ohne Ihrer Erwähnung zu thun, und Sie fehlen ihn eigentlich immer, mag er auch sonst Alles haben. Ich wäre ganz Trostlos wenn Sie nicht eben so gut wüßten, wie herrlich Friedrich ist, als | ich es weiß, denn wie sollte ich Ihnen das beschreiben? – Grüßen Sie Ihre Cousine recht sehr, ich wünsche zu erfahren daß sie wieder hergestelt ist, sagen Sie ihr, daß ich keine andre Aehnlichkeit mit ihr zu haben wünschte, als in den Fehlern oder in den Eigenschaften, durch die sie sich Ihre Freundschaft erwarb. Glauben Sie nicht auch daß es besonders auf den Fehlern dabei ankömmt? – Freilich ist Veit schon lange von Strelitz zurük, und nicht etwa 24 Stunden nach Friedrich angelangt, sondern tout au contraire; das war ein wenig um verrückt zu werden, doch haben wir uns alle sehr gut betragen. Und wenn kommen Sie denn? ich denke die Herz wird ja wohl ausführlich erfahren, und uns mittheilen? Wir sind recht oft sehr vergnügt zusammen, die Herz und Friedrich und ich, und leibhaftig sizen Sie, oder gehen Sie denn zwischen uns – ein Jeder denkt sich, Sie, im stillen: ich am allerliebsten, entweder auf dem Sopha, heimliche Bosheiten aussinnend, oder verkehrt auf den Berg an den neuen Partien, damit Sie die Gegend und Bäume beßer sehen können! – halten Sie mich aber nicht gar zu genau beym Worte ich sehe Sie auch oft ganz anders, philosophirend, und wehmütig! das ist eigentlich Ihre schönstes Licht, Ihr chiaroscuro. – Was machen Sie denn mit allen Leuten die Ihnen nichts angehen. Schicken Sie sie doch hin, wo sie herkamen, haben | Sie denn Ihr Instrument nicht mitgenommen, damit Sie sich die seccaturen vom Leibe halten können? – Hören Sie, die Alte das ist ein rechter Unhold! ich wünschte der Friedrich wär ihr aus den Klauen, doch zum Glück hoff ich sie läßt ihn nun wohl von selbst, – wenn sie sich nur damit begnügt, die Jüdinnen zu chikaniren, und nicht sich einmahl gegen den Schlegel selbst vergeht? Er meint zwar sie hätte keine Macht – aber ich fürchte die Bosheit seitdem ich sie in ihr habe kennen gelernt – mein Trost ist nur der, daß sie eben so dumm als boshaft ist, und das will etwas sagen! – Tieck’s sehe ich jezt zu weilen, und ich würde recht gern mit ihnen sein, wenn ich nicht auf einmal wieder ganz schüchtern geworden wäre, durch den wiederlichen Eindruck den mir die Alte gegeben hat.
Adieu lieber Freund.
Dorothea.
Henriette grüßt Sie sehr.
Metadata Concerning Header
  • Date: nach dem 4. September 1798
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 582‒584.

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