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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb. d. 1ten Septbr 1800
Vielen schönen großen Dank sage ich Ihnen, lieber Neveu für den am vorigen Mittwoch mit unserer Besoldung erhaltenen Brief und die ausführliche umständliche Nachrichten, die Sie mir darin mitgetheilt haben. Auch will ich, damit unsere Correspondenz die jetzt wieder so schön in Gang gekommen, nicht durch meine Schuld wieder in Stocken gerathe, gleich in Zeiten diesen Brief wenigst anfangen
Zuerst also von Ihren literarischen Beschäftigungen. Da haben Sie nun warlich! mit dem was Sie bereits unter Händen haben was Sie kürzlich schon drucken laßen – und was, wie die Kritik der Moral – in der Idee gewiß schon halb vollendet ist – Beschäftigungen und Anstrengungen mehr als zu viel – und so war mir die Nachricht sehr erwünscht und erfreulich daß Sie durch die Ankunft der gräflich Dohnaschen Familie in Ihren Arbeiten etwas werden unterbrochen werden, indem ich besorgt war, daß Sie durch ihren zu großen Fleiß ihrer Gesundheit schaden würden
Auch für die Nachrichten von Ihren lieben Geschwistern sage ich Ihnen herzlichen Dank; es kann wohl seyn, daß ein paar Briefe von ihrer Schwester von mir nicht beantwortet sind und dadurch unser Briefwechsel etwas unterbrochen |
Was Sie von Ihren Recensionen im Athenaeum schrieben, machte mich aufmerksam und auch neugierig, ich erhielt sehr bald das neueste Stück – aber den recensirten Engel konnte ich leider! nicht auftreiben; konnte also nur beyde Recensionen die von Engel und die von Fichte mit einander vergleichen – und da muß ich Ihnen denn doch gestehen, daß mir der bittere Witz und die scharfe Laune in der ersteren etwas leidenschaftlich vorkamen – Aber wie gesagt, da ich die recensirte Schrift selbst nicht vergleichen konnte, so kann ich auch weiter nicht darüber urtheilen[.] Die Bestimmung des Menschen von Fichte hoffe ich bald zu erhalten, wenigstens hat unser Feldprediger der sich oft nach Ihnen erkundigt und Sie freundschaftlich grüßen läßt – mir Hoffnung dazu gemacht. Aber ein Stück in diesem Heft des Athenaeum ist mir sehr aufgefallen. Schreiben Sie mir doch, wenns gefällig, wer Novalis? Die Hymne an die Nacht – ist für unser Zeitalter – mir in der That ganz unerklärlich – da sind Stellen „vom letzten Abendmahl – Umarmungen Jesu pp“ wie man sie in Porst und Schmolke lange Zeit mit Unwillen gelesen hat – und dergleichen sinnliche Vorstellungen sollen nun – durch eine so beliebte Zeitschrift – aufs neue wieder in Umlauf gebracht werden. Das geht mir nahe! |
den 7ten
Die liebe Benike sagte mir, daß Sie wegen der verlangten Formulare etwas in Verlegenheit – dies führt mich auf das was Sie mir von diesem Formular schreiben. In der Hauptsache bin ich völlig hierüber ihrer Meynung, es ist eine Art von Zufall, wodurch ich zur Einführung dieses neuen Formulars bin veranlaßt, oder gedrungen worden[.] Als Herr Sack es mir zuschickte mit dem Andeuten wenn ich es einführen könnte, würde sehr leicht bewilligt werden, daß zur Vertheilung unter die ärmeren Mitglieder ein kleiner Zuschuß aus unser ArmenCasse dürfte genomen werden – so schrieb ich ihm zurück, daß ich sehr zweifelte, daß ich es würde einführen können – indeß hatte ich bey der letzten Communion – doch auch manches aus diesem Formulare angebracht so daß ich von dem alten fast ganz abgewichen – nun kamen gleich ein paar Bürger, mit denen ich sonst ziemlich traulich zu schwatzen pflege, da befragte [ich] sie, ob die vorgenommenen Aenderungen auch vielleicht misfällig – worauf sie sich äußerten: „Sie hätten ihnen sehr gut gefallen, sie wünschten nur, daß sie dieses Formular nachlesen könnten“ – darauf war es wohl natürlich, daß ich mich erbot Exemplare kommen zu laßen. Wenn ich nun über 14 Tage unser künftiges AbendMahl abkündige, werde ich es anzeigen, daß wenn das neue Formular pp man Bücher bey mir haben könnte: denn gegen die Zeit werden hoffentlich wohl die 2 Dutzend hier eingetroffen seyn – Aber ob ich dann damit reichen werde, das ist wieder eine andre Frage. Indeß wird auch da noch wohl Rath geschafft werden |
den 12ten Abends Da kommen wir eben von Benike's wo wir mit Werkmeister waren und den Herrn und Frau Hollaz von der Charité kennen zu lernen die Ehre hatten – der Mann scheint etwas Dünkel zu haben und von seinem werthen Ich sehr eingenommen zu seyn. Ich habe nur wenig mit ihm mich unterhalten können, weil ich an dem Absprechenden, was ich gleich an ihm bemerkte, eben keinen Gefallen habe. Machen Sie mich doch mit diesen ihren Hausgenossen etwas näher bekannt[;] ich bin etwas neugierig zu erfahren, ob es gegründet, daß dieser Herr vormals Theologie studiert – und wenn das ist, wie es dann zugegangen daß ein Theologe Oekonomie-Inspector geworden[.] Mit unserm hiesigen Hollaz kann ich recht gut fertig werden – aber dieser Berliner scheint seinen Geschwistern soviel ich derselben kenne, sehr ungleich
Da sehe ich eben noch Ihren Brief durch und finde daß Sie von unserm Doniges glauben, er habe schon eine Stelle. Keineswegs er ist über 11/2 Jahr in Stargard gewesen, wo Prediger Holzendorf eine Art von Schullehrerseminar hält – hernach hat er sich ein paarmal zu Stellen gemeldet, wobey ich mich auch für ihn interessirt hatte – aber es war vergeblich, die letzte war in Oranienburg, welches man aber auch aus dem Grunde wiederrieth weil bey der Stelle nur 40 rth Gehalt, und die Schule nur sehr klein
Nun vor heute Gute Nacht! Es ist schon 12 Sie sehen daß ich diesen Brief früh genug angefangen; damit sich aber unsere Briefe nicht wieder begegnen, so will ich lieber so lange warten, bis Sie mir die Bücher schicken, welches doch wenigstens wohl in den nächsten 8 Tagen geschehen wird. Bis dahin leben Sie recht wohl |
den 18ten September
Da erhielt ich diesen Morgen durch eine Gelegenheit Brief aus Drossen von der guten Frau Inspector Lachmann. Der gute Prediger Klemcke in Kriescht ist auch imer kränklich, mein ehemaliger College Gepcke in Limmeritz ist Anfangs dieses Monats gestorben – Jablonsky auch und Mebes in Coepenik. Nun wird ja wohl auch an mir bald die Reihe kommen
Vielleicht fahren wir künftigen Montag nach Drossen, werden aber nur eine Nacht da bleiben – doch wer weiß, obs noch geschieht
Sieh da! wird mir von der Post ein dickes Pack von meinem Herrn Inspector und ein Brieflein von Ihnen, das ich doch gleich zuerst öffnen muß – nur 12 Exemplare nun man muß vor der Hand auch damit vorlieb nehmen. Aber nun – welch ein Inhalt! Sie armer Neveu sollen nun bey allen ihren literarischen Beschäftigungen, nun noch in einen so fatalen Prozeß gerathen wir bedauern Sie herzlich, und gleichwohl ist ihre Klage, soviel ich urtheilen kann, ganz gerecht[.] Ach wie gut wäre es gewesen wenn Sie die Charitéstelle eher verlaßen – vielleicht ist es Ihnen selbst jetzt leid, daß Sie nicht nach Schwedt gegangen[.] Das hätten wir alle hier so gern gesehen, um Sie in unserer Nähe zu haben[.] Indeß vielleicht kann das KirchenDirectorium oder noch eher der Minister von Schulenburg die Sache noch vermitteln. Das ist gewiß unser sehnlicher Wunsch, auch hoffen wir daß es nicht zum Aeußersten kommen werde – denn Hoffnung ist ja doch immer mit eine der beßten Gaben, die wir in diesem Erdenleben haben |
den 20ten Da habe ich von Herrn Arend wegen einer dem dortigen Presbyterium cedirten Obligation erst viel mit Freund Benike sprechen müssen und nun einen ziemlich weitläuftigen Brief an Arend zu schreiben, und es ist Sonnabend – daher ich hier kurz schließen muß. Herr und Frau Benike und der liebe D Stisser grüßen vielmals, sie nehmen alle herzlichen Antheil mit uns[.] Leben Sie recht wohl vielmals gegrüßt von Mama. Halten Sie sich brav. Ich bin wie Sie wissen
Ihr getreuer Oheim
Stbrch
Metadata Concerning Header
  • Date: 1. bis 20. September 1800
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 4. Briefwechsel 1800 (Briefe 850‒1004). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1994, S. 238‒243.

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