10. Oktober 1801.
Es ist lange unter meinen Vorwürfen gewesen, lieber Freund, daß ich so lange gegen Sie geschwiegen. Dies hat seine Ursache größtenteils in dem an sich löblichen Vorsatz, nicht mit leerer Hand vor Ihnen zu erscheinen, sondern gleich etwas von meinen Ihnen gemachten Versprechungen zu erfüllen, und dazu habe ich eben nicht eher kommen können. Sie erhalten nun hiebei für das Journal der Prediger-Arbeiten einen vielleicht des Gegenstandes wegen nicht unmerkwür | digen Vortrag und für die Bibliothek die Beurteilung der Campeschen Weltgeschichte. Bei der letzteren ist es mir, wie Sie bald sehen werden, mehr darum zu tun gewesen, gewisse Ideen zum Nachdenken hinzuwerfen, und Ihre Bibliothek begünstigt ja ein solches Verfahren. Ich bin nur neugierig, was Sie zu mancher Äußerung sagen werden; vielleicht erfahre ich dies in einer oder der andern Anmerkung, welche Sie dazu machen. Sobald ich dazu kommen kann, möchte ich Ihnen gern eine Rezension von Tellers Zeichen der Zeit und den darüber geschriebenen Briefen eines ostpreußischen Landpredigers zuschicken, um dabei vielleicht etwas ausführlich meine Meinung über das, was dem geistlichen Stande nottut, zu sagen. Dann schicke ich Ihnen auch wohl ein paar kurze und passende Vorträge für das Magazin von Wochenpredigten. Aber wie soll ich Ihnen das alles mit der Post schicken? Oder wissen Sie mir eine Gelegenheit nachzuweisen? etwa den Kommissionär der Heyerschen Buchhandlung in Leipzig? Ich wollte Ihnen noch diese paar Bogen auf dem Wege zukommen lassen, auf welchem Sie die Predigten erhalten haben, wenn man mir nicht gesagt hätte, es wäre unwahrscheinlich, daß Heyers zur Michaelis-Messe in Leipzig wären.
Ihr letzter Brief, der größtenteils diese Predigten zum Gegenstande hat, hat mir viel Freude gemacht. Was kann auch Angenehmeres begegnen, als durch seine Arbeiten dem edelsten Gefühle Genuß gewährt und Nachdenken veranlaßt zu haben? Gegen meine Idee von der göttlichen Gerechtigkeit werden Sie, hoffe ich, nichts Tüchtiges aufbringen können. Die Nemesis erkenne ich gar sehr an und freue mich, wo ich sie finde; allein wenn von einer göttlichen Eigenschaft, d. h. von einer göttlichen Handlungsweise, die Rede ist, so kann nur etwas, was ununterbrochen seinen Gang fortgeht, darunter angeführt werden, wogegen diese Nemesis immer nur eine seltene Erscheinung ist. Ich möchte sie im eigentlichsten Sinn eine Erscheinung nennen, weil vieles nur in der Subjektivität des Wahrnehmenden liegt, und ich würde sie mehr zu den Veranstaltungen der Weisheit zählen, um die Aufmerksamkeit der Stumpferen und Roheren rege zu machen.
In der sechsten Predigt ist es gewiß nicht meine Absicht gewesen, der Freundschaft den Raum zu versperren, und es könnte nur durch Nachlässigkeit des Ausdruckes ein Schein davon entstanden sein. Meinen Sinn über diese Sache hat schon (Ihre) gemütvolle Freundin sehr wohl getroffen, und ich freue mich dieser Übereinstimmung, wie überhaupt ihres Wohlgefallens ganz besonders. Denn ich mag Ihnen nicht bergen, daß es mir eine ganz eigene Freude ist, wenn ich im | stande bin, auf zarte weibliche Seelen einen Eindruck zu machen, da dies nur gar zu sehr der ausschließende Vorteil der Dichter zu sein pflegt. Die Monologen haben mir schon öfters dieses Glück verschafft, und ich freue mich, daß die Predigten auch nicht ganz Zurückbleiben, wenngleich unstreitig Ihre Freundin manches darin finden wird, was ihr nur als allgemeine Wahrheit erscheinen kann. So ist auch in der sechsten Predigt unmittelbar nirgends von den innersten Geheimnissen des Gemüts die Rede, sondern von dem Leben, dem Wandel und was sich unmittelbar darauf bezieht. Da möchte ich nur die Geheimnisse verbannen, und was S. 127 dagegen gesagt ist, bezieht sich nur auf solche. Wie sehr ich jene Geheimnisse in Ehren halte, hätten Sie doch daraus schließen können, was irgendwo schon von der Nachfrage nach dem Grunde äußerer Handlungen steht: die Euch nicht nahe genug sind, um zu urteilen, mögen sich bescheiden, daß ihnen dieses Geschäft noch nicht angewiesen ist. Indessen gestehe ich Ihnen gern, daß in meinen Augen jeder, der nicht aus Zudringlichkeit und leerer Neugier, sondern aus Interesse an dem Zusammenhange meines Denkens und Handelns oder an meiner Individualität nach etwas fragt, das schon zum Gebiete des Inneren gehört, schon eben dadurch gewisse Ansprüche auf Wahrheit sich erwirkt; denn wer fragt, in dem muß auch eine gewisse Fähigkeit sein, eine Antwort zu vernehmen, und gewiß hat Ihre Freundin recht: wie wahr man auch antworte, es wird doch keiner mehr vernehmen, als er kann, und also auch, als er soll. | Ob der Schluß, den Sie aus jenen Äußerungen gemacht haben, richtig ist, darüber kann ich Ihnen nichts sagen, da Sie sich noch nicht bestimmt darüber äußern. Wer hat wohl das ganze Menschenleben umfaßt? Gewiß ist jedem darin manches verschlossen; ob es aber hier mit mir der Fall ist, möchte ich wohl wissen, und ich wünschte, Sie suchten mich darüber ins reine zu bringen. Aus dem Anfang Ihres Briefes schließe ich, daß ich in der Bibliothek ein Urteil über die Predigten von Ihnen zu erwarten habe. Verzögern Sie es mir nicht zu lange und vergessen Sie ja nicht über dem Freunde, der in den Ideen sich selbst wiederfindet, den Richter über alles, was zur Form und zur Arbeit gehört. Vielleicht lasse ich in ein paar Jahren ein ähnliches Bändchen Festpredigten folgen, und recht viele belehrende und gründliche Urteile über diese ersten einzuholen, wäre mir dazu sehr willkommen.
Für jetzt liegen meine Arbeiten in einer andern Sphäre. Der Anteil, den ich an Schlegels Übersetzung des Platon nehme, hat mich diesen ganzen Sommer beschäftigt, und meine Schuld ist es nicht, daß der erste Band noch nicht erschienen ist. Nächstdem werden Sie vielleicht in dem Michaelis-Meßverzeichnis unter den künftigen Büchern die Grundlinien einer Kritik der Moral gefunden haben, die aber erst übers | Jahr um diese Zeit erscheinen sollen. Den dazu nötigen nochmaligen Wiederholungen aller Studien, nämlich der wichtigsten Schätze der praktischen Philosophie von Platon bis auf Fichte, ist dieser Winter bestimmt und der Sommer der leichteren Arbeit des Schreibens. Auf diese Kritik denke ich dann wohl bald eine neue Darstellung der Moral folgen zu lassen, und dann, denke ich, wird alles, was etwa noch zwischen uns über diesen Punkt streitig ist, zur Sprache kommen. So weiß ich mir nicht recht zu erklären, wie Sie das meinen, was ich in Ihrem vorletzten Brief und auch hernach in der Bibliothek gefunden habe, daß Moral im Gegensatz der Religion nur etwas künstlich Gemachtes ergibt. Wenn Sie die Moral meinen, nämlich das System, die philosophische Behandlung, so ist das freilich wahr; aber es gilt dann von jedem System, weil jeder von allem Übrigen und also von allem Wirklichen abstrahieren muß, und welches würde künstlicher und gemachter sein, als eine solche Religion? Meinen Sie aber die innere Tätigkeit der Gemüter, die Moralität, so weiß ich nicht, wie Sie das von der wahren Moralität sagen können (denn die vermeintliche und vergebliche – das versteht sich von selbst). Mir scheint die moralische Tätigkeit ebenso innerlich, ebenso wahr und ebenso natürlich, aber doch eine ganz andere zu sein, als die religiöse. Hier ist also noch etwas zwischen uns, es sei eine Verschiedenheit der Ansicht oder nur des Ausdrucks, und der wird sich am besten entwickeln, wenn die Gegenstände einmal in Masse vorkommen.
Ihre angefangene Erörterung über den Mystizismus ist mir auch deshalb sehr willkommen, und ist dies ein Begriff, auf den gar vieles ankommt und der Licht auf die dunkelsten Stellen werfen muß, wenn er recht ins Klare gesetzt ist. Was ich in der dritten Rede darüber gesagt habe, ist sehr wenig, und ich bin auf Ihr Weiteres sehr begierig.
Es wäre noch so vieles auf Ihren vorletzten Brief zu sagen, aber es ist so lange her, daß ich fürchten muß, es möchte Ihnen nicht alles mehr gegenwärtig sein, wenigstens geht es mir gemeiniglich so, wenn ich eine Antwort erhalte, die lange ausgeblieben ist, – nur das wissen Sie gewiß noch, daß Sie mich in demselben näher in den Kreis Ihrer Freunde eingeführt haben, und Sie wissen wohl, ohne daß ich es Ihnen sage, daß Sie mir damit etwas Großes getan haben. Lassen Sie sich recht wohl dabei sein, daß Sie einige so gleich gestimmte und doch hinlänglich verschiedene Freunde in der Nähe haben. Mir fehlt das gar sehr, und ich weiß, wieviel mir damit fehlt. Es ist mir eine angenehme Aufgabe gewesen zu fragen, ob ich wohl, wenn mich das Geschick einmal in Ihre Gegend führte, auch persönlich einem jeden von Ihnen in dem Verhältnis näherkommen würde, in welchem, wie Sie sagen, unsere Gedanken einander begegnen; aber freilich ist sie noch zu unbestimmt, um sich auflösen zu lassen. Werden nicht Ihre | Freunde Creuzer aufs neue, und wird nicht Savigny auch in den Kreis der öffentlichen Mitteilung treten? Sie können wissen, daß ich gar nicht erpicht darauf bin, daß Bücher geschrieben werden, und daß ich gewiß nicht das Schreiben zu irgendeinem Maßstabe der Beurteilung nehme; aber wenn es das einzige Mittel ist, wie ich hoffen kann, jemand, der mich interessiert, näher kennenzulernen, kann ich bisweilen ein rechtes Verlangen darnach haben. – Von Brentano habe ich noch nichts gelesen; es hat mich aber sehr gefreut, Sie so gut für ihn gestimmt zu sehen. Das beweist mir schon etwas zu seinen Gunsten [ ] was ich sonst von ihm gehört, hatte ich mir ihn sehr unreif, flüchtig und ungediegen gedacht.
Ich muß Abschied von Ihnen nehmen. Seien Sie mir herzlich gegrüßt und strafen Sie mich nicht etwa mit einem ebenso langen Aufschub.
Es ist lange unter meinen Vorwürfen gewesen, lieber Freund, daß ich so lange gegen Sie geschwiegen. Dies hat seine Ursache größtenteils in dem an sich löblichen Vorsatz, nicht mit leerer Hand vor Ihnen zu erscheinen, sondern gleich etwas von meinen Ihnen gemachten Versprechungen zu erfüllen, und dazu habe ich eben nicht eher kommen können. Sie erhalten nun hiebei für das Journal der Prediger-Arbeiten einen vielleicht des Gegenstandes wegen nicht unmerkwür | digen Vortrag und für die Bibliothek die Beurteilung der Campeschen Weltgeschichte. Bei der letzteren ist es mir, wie Sie bald sehen werden, mehr darum zu tun gewesen, gewisse Ideen zum Nachdenken hinzuwerfen, und Ihre Bibliothek begünstigt ja ein solches Verfahren. Ich bin nur neugierig, was Sie zu mancher Äußerung sagen werden; vielleicht erfahre ich dies in einer oder der andern Anmerkung, welche Sie dazu machen. Sobald ich dazu kommen kann, möchte ich Ihnen gern eine Rezension von Tellers Zeichen der Zeit und den darüber geschriebenen Briefen eines ostpreußischen Landpredigers zuschicken, um dabei vielleicht etwas ausführlich meine Meinung über das, was dem geistlichen Stande nottut, zu sagen. Dann schicke ich Ihnen auch wohl ein paar kurze und passende Vorträge für das Magazin von Wochenpredigten. Aber wie soll ich Ihnen das alles mit der Post schicken? Oder wissen Sie mir eine Gelegenheit nachzuweisen? etwa den Kommissionär der Heyerschen Buchhandlung in Leipzig? Ich wollte Ihnen noch diese paar Bogen auf dem Wege zukommen lassen, auf welchem Sie die Predigten erhalten haben, wenn man mir nicht gesagt hätte, es wäre unwahrscheinlich, daß Heyers zur Michaelis-Messe in Leipzig wären.
Ihr letzter Brief, der größtenteils diese Predigten zum Gegenstande hat, hat mir viel Freude gemacht. Was kann auch Angenehmeres begegnen, als durch seine Arbeiten dem edelsten Gefühle Genuß gewährt und Nachdenken veranlaßt zu haben? Gegen meine Idee von der göttlichen Gerechtigkeit werden Sie, hoffe ich, nichts Tüchtiges aufbringen können. Die Nemesis erkenne ich gar sehr an und freue mich, wo ich sie finde; allein wenn von einer göttlichen Eigenschaft, d. h. von einer göttlichen Handlungsweise, die Rede ist, so kann nur etwas, was ununterbrochen seinen Gang fortgeht, darunter angeführt werden, wogegen diese Nemesis immer nur eine seltene Erscheinung ist. Ich möchte sie im eigentlichsten Sinn eine Erscheinung nennen, weil vieles nur in der Subjektivität des Wahrnehmenden liegt, und ich würde sie mehr zu den Veranstaltungen der Weisheit zählen, um die Aufmerksamkeit der Stumpferen und Roheren rege zu machen.
In der sechsten Predigt ist es gewiß nicht meine Absicht gewesen, der Freundschaft den Raum zu versperren, und es könnte nur durch Nachlässigkeit des Ausdruckes ein Schein davon entstanden sein. Meinen Sinn über diese Sache hat schon (Ihre) gemütvolle Freundin sehr wohl getroffen, und ich freue mich dieser Übereinstimmung, wie überhaupt ihres Wohlgefallens ganz besonders. Denn ich mag Ihnen nicht bergen, daß es mir eine ganz eigene Freude ist, wenn ich im | stande bin, auf zarte weibliche Seelen einen Eindruck zu machen, da dies nur gar zu sehr der ausschließende Vorteil der Dichter zu sein pflegt. Die Monologen haben mir schon öfters dieses Glück verschafft, und ich freue mich, daß die Predigten auch nicht ganz Zurückbleiben, wenngleich unstreitig Ihre Freundin manches darin finden wird, was ihr nur als allgemeine Wahrheit erscheinen kann. So ist auch in der sechsten Predigt unmittelbar nirgends von den innersten Geheimnissen des Gemüts die Rede, sondern von dem Leben, dem Wandel und was sich unmittelbar darauf bezieht. Da möchte ich nur die Geheimnisse verbannen, und was S. 127 dagegen gesagt ist, bezieht sich nur auf solche. Wie sehr ich jene Geheimnisse in Ehren halte, hätten Sie doch daraus schließen können, was irgendwo schon von der Nachfrage nach dem Grunde äußerer Handlungen steht: die Euch nicht nahe genug sind, um zu urteilen, mögen sich bescheiden, daß ihnen dieses Geschäft noch nicht angewiesen ist. Indessen gestehe ich Ihnen gern, daß in meinen Augen jeder, der nicht aus Zudringlichkeit und leerer Neugier, sondern aus Interesse an dem Zusammenhange meines Denkens und Handelns oder an meiner Individualität nach etwas fragt, das schon zum Gebiete des Inneren gehört, schon eben dadurch gewisse Ansprüche auf Wahrheit sich erwirkt; denn wer fragt, in dem muß auch eine gewisse Fähigkeit sein, eine Antwort zu vernehmen, und gewiß hat Ihre Freundin recht: wie wahr man auch antworte, es wird doch keiner mehr vernehmen, als er kann, und also auch, als er soll. | Ob der Schluß, den Sie aus jenen Äußerungen gemacht haben, richtig ist, darüber kann ich Ihnen nichts sagen, da Sie sich noch nicht bestimmt darüber äußern. Wer hat wohl das ganze Menschenleben umfaßt? Gewiß ist jedem darin manches verschlossen; ob es aber hier mit mir der Fall ist, möchte ich wohl wissen, und ich wünschte, Sie suchten mich darüber ins reine zu bringen. Aus dem Anfang Ihres Briefes schließe ich, daß ich in der Bibliothek ein Urteil über die Predigten von Ihnen zu erwarten habe. Verzögern Sie es mir nicht zu lange und vergessen Sie ja nicht über dem Freunde, der in den Ideen sich selbst wiederfindet, den Richter über alles, was zur Form und zur Arbeit gehört. Vielleicht lasse ich in ein paar Jahren ein ähnliches Bändchen Festpredigten folgen, und recht viele belehrende und gründliche Urteile über diese ersten einzuholen, wäre mir dazu sehr willkommen.
Für jetzt liegen meine Arbeiten in einer andern Sphäre. Der Anteil, den ich an Schlegels Übersetzung des Platon nehme, hat mich diesen ganzen Sommer beschäftigt, und meine Schuld ist es nicht, daß der erste Band noch nicht erschienen ist. Nächstdem werden Sie vielleicht in dem Michaelis-Meßverzeichnis unter den künftigen Büchern die Grundlinien einer Kritik der Moral gefunden haben, die aber erst übers | Jahr um diese Zeit erscheinen sollen. Den dazu nötigen nochmaligen Wiederholungen aller Studien, nämlich der wichtigsten Schätze der praktischen Philosophie von Platon bis auf Fichte, ist dieser Winter bestimmt und der Sommer der leichteren Arbeit des Schreibens. Auf diese Kritik denke ich dann wohl bald eine neue Darstellung der Moral folgen zu lassen, und dann, denke ich, wird alles, was etwa noch zwischen uns über diesen Punkt streitig ist, zur Sprache kommen. So weiß ich mir nicht recht zu erklären, wie Sie das meinen, was ich in Ihrem vorletzten Brief und auch hernach in der Bibliothek gefunden habe, daß Moral im Gegensatz der Religion nur etwas künstlich Gemachtes ergibt. Wenn Sie die Moral meinen, nämlich das System, die philosophische Behandlung, so ist das freilich wahr; aber es gilt dann von jedem System, weil jeder von allem Übrigen und also von allem Wirklichen abstrahieren muß, und welches würde künstlicher und gemachter sein, als eine solche Religion? Meinen Sie aber die innere Tätigkeit der Gemüter, die Moralität, so weiß ich nicht, wie Sie das von der wahren Moralität sagen können (denn die vermeintliche und vergebliche – das versteht sich von selbst). Mir scheint die moralische Tätigkeit ebenso innerlich, ebenso wahr und ebenso natürlich, aber doch eine ganz andere zu sein, als die religiöse. Hier ist also noch etwas zwischen uns, es sei eine Verschiedenheit der Ansicht oder nur des Ausdrucks, und der wird sich am besten entwickeln, wenn die Gegenstände einmal in Masse vorkommen.
Ihre angefangene Erörterung über den Mystizismus ist mir auch deshalb sehr willkommen, und ist dies ein Begriff, auf den gar vieles ankommt und der Licht auf die dunkelsten Stellen werfen muß, wenn er recht ins Klare gesetzt ist. Was ich in der dritten Rede darüber gesagt habe, ist sehr wenig, und ich bin auf Ihr Weiteres sehr begierig.
Es wäre noch so vieles auf Ihren vorletzten Brief zu sagen, aber es ist so lange her, daß ich fürchten muß, es möchte Ihnen nicht alles mehr gegenwärtig sein, wenigstens geht es mir gemeiniglich so, wenn ich eine Antwort erhalte, die lange ausgeblieben ist, – nur das wissen Sie gewiß noch, daß Sie mich in demselben näher in den Kreis Ihrer Freunde eingeführt haben, und Sie wissen wohl, ohne daß ich es Ihnen sage, daß Sie mir damit etwas Großes getan haben. Lassen Sie sich recht wohl dabei sein, daß Sie einige so gleich gestimmte und doch hinlänglich verschiedene Freunde in der Nähe haben. Mir fehlt das gar sehr, und ich weiß, wieviel mir damit fehlt. Es ist mir eine angenehme Aufgabe gewesen zu fragen, ob ich wohl, wenn mich das Geschick einmal in Ihre Gegend führte, auch persönlich einem jeden von Ihnen in dem Verhältnis näherkommen würde, in welchem, wie Sie sagen, unsere Gedanken einander begegnen; aber freilich ist sie noch zu unbestimmt, um sich auflösen zu lassen. Werden nicht Ihre | Freunde Creuzer aufs neue, und wird nicht Savigny auch in den Kreis der öffentlichen Mitteilung treten? Sie können wissen, daß ich gar nicht erpicht darauf bin, daß Bücher geschrieben werden, und daß ich gewiß nicht das Schreiben zu irgendeinem Maßstabe der Beurteilung nehme; aber wenn es das einzige Mittel ist, wie ich hoffen kann, jemand, der mich interessiert, näher kennenzulernen, kann ich bisweilen ein rechtes Verlangen darnach haben. – Von Brentano habe ich noch nichts gelesen; es hat mich aber sehr gefreut, Sie so gut für ihn gestimmt zu sehen. Das beweist mir schon etwas zu seinen Gunsten [ ] was ich sonst von ihm gehört, hatte ich mir ihn sehr unreif, flüchtig und ungediegen gedacht.
Ich muß Abschied von Ihnen nehmen. Seien Sie mir herzlich gegrüßt und strafen Sie mich nicht etwa mit einem ebenso langen Aufschub.