Nennhausen bei Rathenau den 5ten Jan. 1802.
ich vergesse leider so gern bei meinen guten Entschlüßen, daß sie nur in der Zeit ausgeführt werden können. Es ist auch eigentlich recht so, damit der Muth uns nimmer fehle für alle Ewigkeit zu beschließen und immer frei zu bleiben, trotz allen Einschränkungen des Lebens. Was zwischen uns und unsern letzten Worten für ein Zeitraum liegt, weiß ich nicht zu sagen. Ich denke, das ist gut. Die Zeiten und ihre Räume werden es sich schon gefallen laßen, daß ich sie auf das Leben in mir zurükführe, und dann liegt zwischen uns nichts. Begrüßt habe ich Sie schon durch unsre Freunde Schlegel. Ich hoffte damals recht bald zu Ihnen kommen zu können: allein durch die Krankheit des Herrn von Briest, den ich nach Berlin | begleiten wollte, hat diese Reise nun leider einen Aufschub erlitten. Vielleicht komme ich nun allein, und zwar recht bald, das heißt in 14. Tagen etwann. Laßen Sie nur den braven Friedrich in der Zeit nicht schon fort reisen. Es hat mich herzlich gefreut, daß er jetzt bei Ihnen ist. Der Bruder schrieb es mir. Ich habe seitdem selbst auf ein Antwortsschreiben von ihm gerechnet. Aber mein angekündigter Besuch muß ihn wol davon abgehalten haben. Grüßen Sie ihn und Wilhelm August bestens. Wir sprechen uns gewiß, und ich kann nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue. Das sey denn auch die Hauptsache, die ich Ihnen heut schreiben will. Die Philosophie erlaubt es schon, daß man sich noch freier und bewegter fühle in der wirklichen | Nähe geliebter Menschen, und so darf ich mir das Schönste, was ich Ihnen mittheilen kann, wol bis dahin erspahren. Indeß eines muß ich noch berühren, und ich bitte Sie, mir gefälligst darüber eine Antwort zu ertheilen. Ich habe nämlich den Auftrag, für die Enkel des Herrn von Briest einen tüchtigen Hauslehrer zu verschaffen. Der gegenwärtige wird Prediger. Man ist nicht mit ihm zufrieden, und wünscht, wenn es möglich wäre, an seiner statt einen so genannten schönen Geist zu erhalten. Ein schöner Geist muß vor allen die Philosophie und die Dichtkunst lieben und musikalisch seyn, und nicht alle Sonntage predigen wollen. Ich kenne jetzt keinen jungen Mann, den ich hier empfehlen könnte. Darum frage ich Sie nun und die Gebrüder Schlegel | ob Sie mir ein gutes Subjekt vor zu schlagen wissen. Ich versichre bloß, daß die Lage für den jungen Mann, wenn er in der Lebensweisheit nicht ganz unerfahren wäre, sehr angenehm seyn würde. Haben Sie die Güthe mir hierauf so zu antworten, daß ich Ihre Worte mittheilen kann. Bei meiner Anwesenheit in Berlin könnte ich wol die Bekanntschaft des jungen Mannes machen. So spricht man zu mir. Ich habe freilich allerlei Zweifel. Denn der schöne Geist soll mit Erlaubniß meine Stelle ersetzen, und wenn er das kann, wird er etwas Beßres thun wollen, und sich wahrscheinlich mehr in Berlin gefallen. Indeß schreiben Sie nur darüber. Sie erzeigen mir eine große Gefälligkeit, weil man hier die Sache gar zu leicht betrachtet, und ein expres geschriebnes Wort noch mehr thun wird als ein | gedrucktes. Ich sollte mich eigentlich, zufolge des Auftrags, an die Gebrüder Schlegel wenden, weil die guten Menschen fürchten, daß auch selbst der Verfasser der Reden über die Religion, noch einen Theologen empfehlen möchte. Doch die Mutter der Kinder, meine ehemalige Schülerin, meynt denn doch, ein Theologe wie Sie, sey zugleich auch kein Theologe, und einem solchen Manne könne sie ihre Kinder schon anvertrauen. Ueber das nähere Verhältniß mag ich noch gar nicht sprechen. Ich will lieber, da ich noch einen Augenblick Zeit übrig habe, nach unsern Freunden fragen, und zwar nach den Vorlesungen von Wilhelm August Schlegell. Die Sache intereßiert mich sehr. Melden Sie mir also zum wenigsten, ob es Schlegel gelungen ist, ob er | wirklich so viel Zuhörer hat daß ihm die Mühe einigermaßen belohnt wird. Ich gehe nämlich mit dem Gedanken um, mich auf eine ähnliche Art mit meinen hochzuverehrenden Landsleuten zu unterhalten, wenn sie mir sonst zuhören wollen. Der Gegenstand ist unendlich, und wer ihn frei zu betrachten weiß, kann sich nicht erschöpfen. Ich habe das Vertrauen, daß ich die Köpfe schon zusammen schütteln wollte. Was meynen Sie zu dem Gedanken? Er sey fürs erste nur flüchtig hingeworfen, doch so, daß Sie urtheilen mögen, ob er sich überhaupt wol unterhalten laße. Leben Sie wohl. Ich rechne gewiß auf baldige Antwort und ermuntern Sie dazu auch unsern Friedrich. Ich sehe Sie übrigens bald, und wie ich hoffe doch auf einige Tage, denn ein längrer Aufenthalt ist mir jetzt noch nicht möglich. –
Ganz der Ihrige
Hülsen
ich vergesse leider so gern bei meinen guten Entschlüßen, daß sie nur in der Zeit ausgeführt werden können. Es ist auch eigentlich recht so, damit der Muth uns nimmer fehle für alle Ewigkeit zu beschließen und immer frei zu bleiben, trotz allen Einschränkungen des Lebens. Was zwischen uns und unsern letzten Worten für ein Zeitraum liegt, weiß ich nicht zu sagen. Ich denke, das ist gut. Die Zeiten und ihre Räume werden es sich schon gefallen laßen, daß ich sie auf das Leben in mir zurükführe, und dann liegt zwischen uns nichts. Begrüßt habe ich Sie schon durch unsre Freunde Schlegel. Ich hoffte damals recht bald zu Ihnen kommen zu können: allein durch die Krankheit des Herrn von Briest, den ich nach Berlin | begleiten wollte, hat diese Reise nun leider einen Aufschub erlitten. Vielleicht komme ich nun allein, und zwar recht bald, das heißt in 14. Tagen etwann. Laßen Sie nur den braven Friedrich in der Zeit nicht schon fort reisen. Es hat mich herzlich gefreut, daß er jetzt bei Ihnen ist. Der Bruder schrieb es mir. Ich habe seitdem selbst auf ein Antwortsschreiben von ihm gerechnet. Aber mein angekündigter Besuch muß ihn wol davon abgehalten haben. Grüßen Sie ihn und Wilhelm August bestens. Wir sprechen uns gewiß, und ich kann nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue. Das sey denn auch die Hauptsache, die ich Ihnen heut schreiben will. Die Philosophie erlaubt es schon, daß man sich noch freier und bewegter fühle in der wirklichen | Nähe geliebter Menschen, und so darf ich mir das Schönste, was ich Ihnen mittheilen kann, wol bis dahin erspahren. Indeß eines muß ich noch berühren, und ich bitte Sie, mir gefälligst darüber eine Antwort zu ertheilen. Ich habe nämlich den Auftrag, für die Enkel des Herrn von Briest einen tüchtigen Hauslehrer zu verschaffen. Der gegenwärtige wird Prediger. Man ist nicht mit ihm zufrieden, und wünscht, wenn es möglich wäre, an seiner statt einen so genannten schönen Geist zu erhalten. Ein schöner Geist muß vor allen die Philosophie und die Dichtkunst lieben und musikalisch seyn, und nicht alle Sonntage predigen wollen. Ich kenne jetzt keinen jungen Mann, den ich hier empfehlen könnte. Darum frage ich Sie nun und die Gebrüder Schlegel | ob Sie mir ein gutes Subjekt vor zu schlagen wissen. Ich versichre bloß, daß die Lage für den jungen Mann, wenn er in der Lebensweisheit nicht ganz unerfahren wäre, sehr angenehm seyn würde. Haben Sie die Güthe mir hierauf so zu antworten, daß ich Ihre Worte mittheilen kann. Bei meiner Anwesenheit in Berlin könnte ich wol die Bekanntschaft des jungen Mannes machen. So spricht man zu mir. Ich habe freilich allerlei Zweifel. Denn der schöne Geist soll mit Erlaubniß meine Stelle ersetzen, und wenn er das kann, wird er etwas Beßres thun wollen, und sich wahrscheinlich mehr in Berlin gefallen. Indeß schreiben Sie nur darüber. Sie erzeigen mir eine große Gefälligkeit, weil man hier die Sache gar zu leicht betrachtet, und ein expres geschriebnes Wort noch mehr thun wird als ein | gedrucktes. Ich sollte mich eigentlich, zufolge des Auftrags, an die Gebrüder Schlegel wenden, weil die guten Menschen fürchten, daß auch selbst der Verfasser der Reden über die Religion, noch einen Theologen empfehlen möchte. Doch die Mutter der Kinder, meine ehemalige Schülerin, meynt denn doch, ein Theologe wie Sie, sey zugleich auch kein Theologe, und einem solchen Manne könne sie ihre Kinder schon anvertrauen. Ueber das nähere Verhältniß mag ich noch gar nicht sprechen. Ich will lieber, da ich noch einen Augenblick Zeit übrig habe, nach unsern Freunden fragen, und zwar nach den Vorlesungen von Wilhelm August Schlegell. Die Sache intereßiert mich sehr. Melden Sie mir also zum wenigsten, ob es Schlegel gelungen ist, ob er | wirklich so viel Zuhörer hat daß ihm die Mühe einigermaßen belohnt wird. Ich gehe nämlich mit dem Gedanken um, mich auf eine ähnliche Art mit meinen hochzuverehrenden Landsleuten zu unterhalten, wenn sie mir sonst zuhören wollen. Der Gegenstand ist unendlich, und wer ihn frei zu betrachten weiß, kann sich nicht erschöpfen. Ich habe das Vertrauen, daß ich die Köpfe schon zusammen schütteln wollte. Was meynen Sie zu dem Gedanken? Er sey fürs erste nur flüchtig hingeworfen, doch so, daß Sie urtheilen mögen, ob er sich überhaupt wol unterhalten laße. Leben Sie wohl. Ich rechne gewiß auf baldige Antwort und ermuntern Sie dazu auch unsern Friedrich. Ich sehe Sie übrigens bald, und wie ich hoffe doch auf einige Tage, denn ein längrer Aufenthalt ist mir jetzt noch nicht möglich. –
Ganz der Ihrige
Hülsen