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Johann Bernhard Vermehren to Friedrich Schleiermacher

Jena den 4 Februar 1802.
Werther Freund!
Ihre freundliche Zuschrift vom 28sten Januar erinnert mich an die Abtragung meiner Schuld, welche ich mir so lange auflegte, weil es mir Freude macht, Ihnen auch hierin verbunden zu seyn, da ich es in so manchen wichtigeren Dingen bin. – Wegen des Geldes, so Friedrich an seine Dorothea gesandt hat, kann ich Ihnen sagen, daß Sie es zwar einen Posttag zu spät, aber dann doch richtig erhalten hat. Am 27sten Januar ist die Veit von hier nach Leipzig abgereist, woselbst Sie am 28sten um 111/2 Uhr des Mittags glücklich angekommen, wie ich aus Ihrem Briefe von Leipzig weiß. Von Friedrichs Ankunft in Halle bin ich durch ihn selbst berichtet. Er schreibt, daß er noch in der Nacht nach | Leipzig mit Extra-Post reisen wolle, wo sich die beiden Glücklichen gewiß froh und heiter wiedergesehen haben, und nun längst in Dresden angelangt sind. Nächstens erwarte ich einen ausführlichen Brief von Friedrich. Daß ich den Umgang meines treflichen Freundes sehr schmerzlich entbehre, daß er mir allenthalben fehlt, und daß ich mich nach ihm, so wie nach seiner würdigen, ausgezeichneten Freundinn immer sehnen werde, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, da Sie ihn selbst so innig lieben, und sicher eben so gut, als ich wissen, daß man ihn lieben muß, wenn man ihn näher kennen gelernt hat. –
In Bezug auf den ersten Brief, so ich von Ihnen, verehrter Mann empfing, freue ich mich, daß Ihnen die Übersendung meines Almanachs | lieb gewesen ist. Wer kann die Poesie reiner genießen, und richtiger beurtheilen, als Sie, der Sie vielleicht klarer gedacht, und tiefer gefühlt haben, was ein schönes Gedicht seyn soll, als der Dichter selbst. Doch was will ich? Sind ihre Reden und ihre Monologen etwa keine Poesie? – Lassen Sie mich Ihnen also immer vorlegen, was ich dichte und dichte, denn Sie nehmen es gewiß mit Liebe auf.
Schreiben Sie mir doch recht bald von Ihrem glücklichen Leben mit Friedrich, denn es muß interessant seyn, einen von Ihnen über dies schöne, göttliche Verhältniß zu hören. – In diesem Augenblicke stehen die Stunden recht lebendig vor mir, welche ich bey Ihnen und mit Ihnen so seelig verlebte, daß die Zeit immer nicht zureichen wollte, und ich immer wieder und wieder | kommen mußte, um mich mit Ihnen zu unterhalten, und mich Ihnen mitzutheilen. O ich hoffe, und wünsche, daß ich Sie bald einmal wiedersehen werde! – Meine geliebte Frau hat mich am 21sten Januar mit einem göttlichen Knaben beschenkt. Ich glaubte nicht glücklicher werden zu können, als ich es durch Ihre Liebe war, aber ich bin es doch noch in einem weit höheren Grade geworden, als ich vorher je ahnte. O welche unendliche Fülle von Liebe wohnt in der menschlichen Brust; welch ein Reichthum von Gefühlen ist in uns, den wir, wenn sie nicht berührt werden, nicht zu fassen vermögen. Da ich weiß, daß Sie an meinem Glücke theilnehmen, so sage ich Ihnen von dem seeligen Bande, das mich auf ewig fest an die Geliebte knüpft. Meine Geliebte grüßt Sie herzlich, und freut sich Ihres freundlichen Andenkens. Schreiben Sie mir bald, wenn es seyn kann. Unendlich werth wäre es mir, wenn unser Briefwechsel lebendiger würde. Hochachtungsvoll
Ihr ergebener
Vermehren
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 4. Februar 1802
  • Sender: Johann Bernhard Vermehren ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 5. Briefwechsel 1801‒1802 (Briefe 1005‒1245). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1999, S. 319‒320.

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