Bald nach Ihrem freundlichen Briefe, mein teurer Freund, erhielt ich auch das Bibliothekstück, worin die Rezension von Campe abgedruckt ist. Es war mir ein angenehmer Anblick, nun einen Anfang meines Mitwirkens in Ihrem Kreise gemacht zu sehen. Gedulden Sie sich nur, es wird schon mehr kommen. Der Aufsatz über Tellers Zeichen der Zeit liegt schon fast beendigt in meinem Pult; ich habe nur noch nicht dazu kommen können, die letzte Hand daran zu legen. Dies sowohl als mein Stillschweigen hat eine sehr angenehme Ursache gehabt, und ich mute allen Freunden, auch denen, die unter diesem Ereignis gelitten haben, zu, sich darüber zu freuen. Ich habe nämlich den Dezember und Januar hindurch Friedrich Schlegel bei mir gehabt. Wir waren dritthalb Jahre getrennt gewesen, und da er ein sehr schlechter Briefschreiber ist, so machten teils unsere inneren Fortschritte, teils unsere gemeinschaftliche Arbeit am Platon eine Zusammenkunft notwendig, teils hatte er auch andere Geschäfte hier zu besorgen. Es hat uns | wohlgetan, uns gegeneinander auszuschütten, und ich besonders habe an ihm manche Wendung des Geistes und manches innere Erzeugnis gefunden, was ich a priori nicht diviniert hatte. Er ist mir so erschienen, daß, wenn ich eine Seelenwanderung annähme, ich behaupten würde, er sei Pythagoras gewesen. Gar vieles ist geredet worden in diesen zwei Monaten, und unsere Harmonien und Disharmonien haben sich deutlicher ausgesprochen und befestigt. Ihn hat hernach auf einige Wochen ein anderer Freund abgelöst, der sich in Absicht des umfassenden Geistes freilich mit ihm nicht messen kann, für mich aber und mein Freundschaftsbedürfnis in mancher Hinsicht gleichsam das Ergänzungsstück zu ihm ist. Nur erst seit einigen Tagen bin ich wieder allein, und nun muß ich auch mit verdoppeltem Eifer alles Versäumte nachholen. Dahin gehört denn auch mein Briefwechsel mit Ihnen und die versprochene kleine Arbeit. Ersterer soll aber auf letztere nicht warten; ich schreibe lieber gleich, obschon ich an die andern Sachen auch bald zu kommen hoffe, und schicke sie Ihnen dann unter der angewiesenen Adresse über Leipzig.
Ihre Nachricht von der Art, wie Sie untereinander Ihre Gedanken austauschen, habe ich mit Vergnügen gelesen. Es ist dieses ein eigener Vorteil, dessen man sich nur erfreut, wenn man mehrere Freunde in einer solchen Nähe hat, welche schriftliche Mitteilung erfordert, aber zugleich erleichtert. Es gab eine Periode, wo ich ihn auch genoß, und ich weiß also seinen Wert zu schätzen. Wir alle waren aber damals in dem ersten Stadium unserer Bildung und unterlagen – weniger aus Eitelkeit als aus Unbeholfenheit – der Versuchung, alles in ausführliche und zierlich geschriebene Aufsätze zu bringen, so daß wir teils weit mehr Zeit dabei versplitterten, als nötig gewesen wäre, da doch nichts, was außer diesem Kreise einen Wert gehabt hätte, zustande kam, teils manchen Gedanken höher schätzten, als er wert war und als wir getan haben würden, wenn wir ihn in ein paar Zeilen nackt und bloß hingestellt hätten. Jetzt würde ich ein ähnliches Verhältnis als eine schätzbare Aufforderung betrachten, mich der höchst möglichen Konzinnität zu befleißigen. Wenn diese dann auch strenger ist, als man sie in Unterhaltungen mit dem Publikum brauchen kann, so hat die Gewöhnung daran für das eigene Studium ihre nicht zu ermessenden Vorteile. Mir will es damit noch immer nicht so gelingen wie Friedrich Schlegel, der für seinen und seiner nächsten Freunde Gebrauch alles in fast algebraischen Formeln aufzeichnet. So kann sich der wahre Gehalt eines Gedankens unmöglich verhehlen.
Herrn von Savignys Aufsatz hat mir allerdings viel Freude gemacht; ich wollte nur, er wäre mehr in das Detail seiner eigenen Gedanken hineingegangen, die sich wohl nur wenige Leser von selbst werden | weiter ausbilden können. Doch vielleicht werden wir das anderswo zu erwarten haben. In einem Punkte möchte ich von ihm abweichen: ich glaube nämlich, daß in einem höheren Sinn die Philosophie allerdings Vorbereitung zu allen andern Wissenschaften ist, indem jede einzelne im System des Ganzen nur durch sie abgeleitet werden kann. Daß dies durch die propädeutischen Kollegien nicht geschieht, ist wieder eine andere Sache. Ihren fortlaufenden Aufsatz über Religion und Mystik lese ich mit großem Interesse; ich hoffe, er wird viel beitragen, den rechten Sinn hie und da reger zu machen. In Ihrem Urteil über Lavater herrscht das αληθευειν εν αγαπη recht durch und durch; auch haben Sie ihn sich gerade in die rechte Form gestellt, aus der er für Ihren Zweck gesehen werden muß. Daß Sie auch meinen Predigten eine Stelle in diesem Aufsatz vergönnt haben, ist mir sehr wert gewesen, da dieser gleichsam das Heiligtum der Bibliothek ist. Nur habe ich auf der andern Seite dabei gelitten, weil es Sie verhindert hat, mit der Kritik in ein solches Detail zu gehen, als ich gern von Ihnen gelesen hätte. Überhaupt ist mir dieser Wunsch bei allem Lobe, das mir zuteil geworden ist, nicht erfüllt worden. Inwiefern ich in Absicht auf die Poesie im Predigen Ihrer Meinung bin, werden Sie schon aus den Reden wissen; die Zeit wird wohl noch lange nicht kommen, wo es an seiner Stelle ist. Indes kann man immer auf gewisse Weise darauf vorbereiten durch Predigten, welche, ohne eigentlich poetisch zu sein, doch die poetische Anlage ansprechen. Gewissermaßen, wiewohl nur in einem beschränkten Sinne und als ein leiser Anfang, gehört die erste aus meiner Sammlung in diese Klasse. Zu einem Aufsatz über das Technische im Predigen wird es wohl mit meiner nächsten Sendung an Sie noch nicht gedeihen.
Daß wir über die Geheimnisse miteinander verständigt sind, ist mir sehr lieb. Ein Verhältnis der Liebe, wie es auch immer gedacht werde, kann meiner Gesinnung nicht zur Gegeninstanz gemacht werden. Ich selbst bin in einem solchen verflochten, welches das Aussprechen so wenig als irgendeins verträgt; aber dennoch ist es mir soweit ein Geheimnis, als es seiner Natur nach von selbst ist; absichtlich wird keins daraus gemacht, und jedem steht frei, soviel davon innezuwerden, als er seiner Natur nach innewerden kann, und ich bin überzeugt, daß ich mich bei jeder andern Art, die Sache zu behandeln, sehr übel und in härtestem Widerspruch mit mir selbst befinden würde, so wie meine Freundin auch.
Ihrer Erziehungslehre sehe ich mit Vergnügen entgegen; sie wird schon ihr Publikum finden, wenn auch die Rezensenten sie nicht klein kriegen können. Der Erlanger Literatur-Zeitung möchte ich mich indes gegen Sie annehmen. Ich lese sie zwar nicht, aber ich weiß von mehreren Mitarbeitern, die gewiß vom kategorischen Imperativ nicht mehr halten als wir. Wollen Sie indes vor diesem unbequemen Maßstabe ganz sicher sein, so will ich mir Ihre Erziehungslehre, sobald ich sie als existierend aufführen kann, zur Rezension in der Erlanger Zeitung ausbitten; ich liefere bisweilen eine Kritik darin, und man pflegt sie gern aufzunehmen. Was Sie damit meinen, daß Sie Physiognomik studieren, verstehe ich nicht recht. Wie kann man sie studieren? und was für einen Gebrauch wollen Sie in der Pädagogik davon machen, da gerade, was in der Physiognomik das Reellste ist (nämlich, was ich mit Lichtenberg lieber Pathognomik nennen möchte), bei Kindern so wenig angetroffen wird? Ich möchte, um mich polemisch auszudrücken, sagen, daß sie aufhören Kinder zu sein, sobald sie Objekt für die Physiognomik werden. Meinen Sie es aber für spätere Zeit, so haben Sie allerdings sehr recht [...]
Ihre Nachricht von der Art, wie Sie untereinander Ihre Gedanken austauschen, habe ich mit Vergnügen gelesen. Es ist dieses ein eigener Vorteil, dessen man sich nur erfreut, wenn man mehrere Freunde in einer solchen Nähe hat, welche schriftliche Mitteilung erfordert, aber zugleich erleichtert. Es gab eine Periode, wo ich ihn auch genoß, und ich weiß also seinen Wert zu schätzen. Wir alle waren aber damals in dem ersten Stadium unserer Bildung und unterlagen – weniger aus Eitelkeit als aus Unbeholfenheit – der Versuchung, alles in ausführliche und zierlich geschriebene Aufsätze zu bringen, so daß wir teils weit mehr Zeit dabei versplitterten, als nötig gewesen wäre, da doch nichts, was außer diesem Kreise einen Wert gehabt hätte, zustande kam, teils manchen Gedanken höher schätzten, als er wert war und als wir getan haben würden, wenn wir ihn in ein paar Zeilen nackt und bloß hingestellt hätten. Jetzt würde ich ein ähnliches Verhältnis als eine schätzbare Aufforderung betrachten, mich der höchst möglichen Konzinnität zu befleißigen. Wenn diese dann auch strenger ist, als man sie in Unterhaltungen mit dem Publikum brauchen kann, so hat die Gewöhnung daran für das eigene Studium ihre nicht zu ermessenden Vorteile. Mir will es damit noch immer nicht so gelingen wie Friedrich Schlegel, der für seinen und seiner nächsten Freunde Gebrauch alles in fast algebraischen Formeln aufzeichnet. So kann sich der wahre Gehalt eines Gedankens unmöglich verhehlen.
Herrn von Savignys Aufsatz hat mir allerdings viel Freude gemacht; ich wollte nur, er wäre mehr in das Detail seiner eigenen Gedanken hineingegangen, die sich wohl nur wenige Leser von selbst werden | weiter ausbilden können. Doch vielleicht werden wir das anderswo zu erwarten haben. In einem Punkte möchte ich von ihm abweichen: ich glaube nämlich, daß in einem höheren Sinn die Philosophie allerdings Vorbereitung zu allen andern Wissenschaften ist, indem jede einzelne im System des Ganzen nur durch sie abgeleitet werden kann. Daß dies durch die propädeutischen Kollegien nicht geschieht, ist wieder eine andere Sache. Ihren fortlaufenden Aufsatz über Religion und Mystik lese ich mit großem Interesse; ich hoffe, er wird viel beitragen, den rechten Sinn hie und da reger zu machen. In Ihrem Urteil über Lavater herrscht das αληθευειν εν αγαπη recht durch und durch; auch haben Sie ihn sich gerade in die rechte Form gestellt, aus der er für Ihren Zweck gesehen werden muß. Daß Sie auch meinen Predigten eine Stelle in diesem Aufsatz vergönnt haben, ist mir sehr wert gewesen, da dieser gleichsam das Heiligtum der Bibliothek ist. Nur habe ich auf der andern Seite dabei gelitten, weil es Sie verhindert hat, mit der Kritik in ein solches Detail zu gehen, als ich gern von Ihnen gelesen hätte. Überhaupt ist mir dieser Wunsch bei allem Lobe, das mir zuteil geworden ist, nicht erfüllt worden. Inwiefern ich in Absicht auf die Poesie im Predigen Ihrer Meinung bin, werden Sie schon aus den Reden wissen; die Zeit wird wohl noch lange nicht kommen, wo es an seiner Stelle ist. Indes kann man immer auf gewisse Weise darauf vorbereiten durch Predigten, welche, ohne eigentlich poetisch zu sein, doch die poetische Anlage ansprechen. Gewissermaßen, wiewohl nur in einem beschränkten Sinne und als ein leiser Anfang, gehört die erste aus meiner Sammlung in diese Klasse. Zu einem Aufsatz über das Technische im Predigen wird es wohl mit meiner nächsten Sendung an Sie noch nicht gedeihen.
Daß wir über die Geheimnisse miteinander verständigt sind, ist mir sehr lieb. Ein Verhältnis der Liebe, wie es auch immer gedacht werde, kann meiner Gesinnung nicht zur Gegeninstanz gemacht werden. Ich selbst bin in einem solchen verflochten, welches das Aussprechen so wenig als irgendeins verträgt; aber dennoch ist es mir soweit ein Geheimnis, als es seiner Natur nach von selbst ist; absichtlich wird keins daraus gemacht, und jedem steht frei, soviel davon innezuwerden, als er seiner Natur nach innewerden kann, und ich bin überzeugt, daß ich mich bei jeder andern Art, die Sache zu behandeln, sehr übel und in härtestem Widerspruch mit mir selbst befinden würde, so wie meine Freundin auch.
Ihrer Erziehungslehre sehe ich mit Vergnügen entgegen; sie wird schon ihr Publikum finden, wenn auch die Rezensenten sie nicht klein kriegen können. Der Erlanger Literatur-Zeitung möchte ich mich indes gegen Sie annehmen. Ich lese sie zwar nicht, aber ich weiß von mehreren Mitarbeitern, die gewiß vom kategorischen Imperativ nicht mehr halten als wir. Wollen Sie indes vor diesem unbequemen Maßstabe ganz sicher sein, so will ich mir Ihre Erziehungslehre, sobald ich sie als existierend aufführen kann, zur Rezension in der Erlanger Zeitung ausbitten; ich liefere bisweilen eine Kritik darin, und man pflegt sie gern aufzunehmen. Was Sie damit meinen, daß Sie Physiognomik studieren, verstehe ich nicht recht. Wie kann man sie studieren? und was für einen Gebrauch wollen Sie in der Pädagogik davon machen, da gerade, was in der Physiognomik das Reellste ist (nämlich, was ich mit Lichtenberg lieber Pathognomik nennen möchte), bei Kindern so wenig angetroffen wird? Ich möchte, um mich polemisch auszudrücken, sagen, daß sie aufhören Kinder zu sein, sobald sie Objekt für die Physiognomik werden. Meinen Sie es aber für spätere Zeit, so haben Sie allerdings sehr recht [...]