Morgen mein Lieber! sind es 8 Tage daß Du meinen Brief hast. Viel habe ich seitdem gebraucht – und noch steht eine bittre Essenz auf meinem Tische – ich glaubte dieses mahl bei meinem Reißen im Kopfe ohne Doctor mich so durch holunder und dergleichen auszuheilen aber er fand mich in der Anstalt – nötigte mich zu sich – und meinte das wäre kein gewöhnliches – sondern krampfartiges – dem man vorbeugen müste – zählte mir alle meine Empfindungen her die ich mir gern abgeläugnet hätte – kurz er gab medicin die mir treflich gedient – und nun hat er mir nachdem er den Krampf von oben bis unten hat spazieren laßen – noch was zur Stärkung gegeben – während dieser Periode nun, habe ich mir mancherley Vorwürfe gemacht – daß ich Dich um des leidigen Geldes willen so geplagt habe – vielleicht aber – hast Du Dir es schon selber enträtselt daß ich bei aufgereizten Nerven leicht zaghaft werde – wenn ich so gar nichts habe – vergib mir Du Lieber dieses in Dich und Deine Güte hineindringen – aber Du bist mir nun schon besonders seit dem Hinscheiden des unvergeßlichen Alten – Berather – Stüze, mänlicher Freund Du meintest damals selbst daß wir uns jezt recht aneinander schmiegen wolten – und daß ich dis auch in dieser Art thue ist weibliche Schwäche |
den 2ten Merz Viel sehr viel habe ich heut Nachmittag an Dich gedacht und Dich wie dis oft Dienstag Nachmittag – und andre Stunden geschieht – an meine Seite den Kleinen unsichtbar gewünscht – damit Du es so recht inne werdest mein Wesen, mit denen lieblichen Kleinen – die ich freilich wenn ich selbst sehr schmerzhaft bin, mehr mit lesen beschäftige, als sonst – denn der Eintheilung ohngeachtet die auf ihrem Stundenzettel steht – richte ich die meinen ganz nach meiner Disposition – und ihrem jedesmahligen Betragen und Empfänglichkeit ein – ach wärest Du nur bald hier daß ich Dich mit diesen meinen Lieblingen allen bekant machen könte, denn ich liebe sie alle 9 jedes in seinem Grade, gleich, denn jede sucht sich durch Fleiß – oder drollige Fragen, Einfälle – oder auch durch kindliche Anhänglichkeit, in das Lotten Herz einzuschleichen – denen Andern in denen größern Stuben gelingt es schon nicht so leicht – indem die wenige Aufmerksamkeit – oder Muthwille und dergleichen schon mehr in Rechnung gebracht werden – doch haben auch sie je mehr ich mich plage und ernstliche Unterhaltungen nicht vermeiden kann – ihren Plaz in meinem liebenden Herzen [;] bei ihnen muß Lob und Tadel schon künstlicher vertheilt – und ihre Liebkosungen mehr mit angenehmen Ernst – und neuen Forderungen von wahrer Liebe erwiedert werden – |
Da ich einmahl ganz im AnstaltsWesen bin, so muß ich noch in Erwägung bringen daß ich seit einem halben Jahre nichts mit denen ganz ältesten zu thun habe, denen ich seit 6 Jahren Untterricht in der Historie und Geographie gab – da die Schwester Schilden die Du ja auch kenst – jezt Lehrerin in der großen Stube ist und alles das in französischer Sprache vorträgt. Diese Unterhaltungen so mangelhaft sie auch von meiner Seite waren, hatten viel angenehmes für mich – da ich am liebsten mit ganz Kleinen – von 5 bis 9 – oder mit denen 13jährigen und noch älter zu thun habe – man weiß das und hat mir deswegen 7 Stunden die Woche mit denen Kleinen gegeben und 11 mit denen Mitleren so daß ich 18 Stunden in der Anstalt und 6 privat Stunden mit jungen Mädchens im Hause habe, auch bin ich so oft Beide Vorgesezten eine Gasterey oder dergleichen haben – besonders in der großen Stube ihre Stelvertreterin – welches ich wenn ich nur nicht ganz leidend bin – mit vielem Vergnügen thue.
den 6ten Merz Auch seit dieser Pause habe ich wieder viel gelitten – mannichfaltige Arten von Krampf – und sonderbarer NervenSchwäche, wobei der SchleierGeist wie ich imer sage – bald ganz niedergedrükt wäre – der gute Doctor hat aber gar behutsam dabei verfahren – und da heute Sonabend ist werde ich mich wohl in dieser Zwischenzeit wieder so erholen, daß ich Montags zu meinen Geschäften tüchtig bin – gestern da ich so außerordentlich schwach war – habe ich Dich – Vormittags dieserwegen und Abends aus einer andern Ursache zu mir gewünscht – |
Es ist fast unglaublich – daß ich den ganzen Tag mit Schmerz und Schwäche recht kämpfe – und am Abend dann zwar müde – und meine Stimme nur leise – aber übrigens ganz munter, und für alles empfänglich bin – dis ist bei meiner Kränklichkeit mehrentheils der Fall – Gestern war es eben so – ich hatte 3 meiner sonstigen jungen Schülerinnen, versprochen mit ihnen zu lesen – und ich war mir selbst ein Wunder – wie ich mit dem lebhaftesten Interresse unter ihnen war – und einen The mit ihnen verzehrte – ich dachte Deiner – und wie dis, seit dem 13ten Januar den Anfang meiner Schmerzens periode, gar oft geschehen, an die Vollendete Friderique – auch die Lecture gab dazu Anlaß – es war Gustav Wasa – den mir die trefliche Aulock geliehen – und Rudolph von Werdenberg – von la Fontaine, durch die Güte meiner Pritwiz – man muß beides gelesen haben, und auch meine Betrachtungen über diese, Einzige, ganz inne haben, um mich zu verstehen – dazu komt noch dis daß ich seit jener Periode alles zusamen gerechnet – wegen Schmerzen im Mund – oder Krampf im Hals nicht 1 Pfund Fleisch gegeßen – mehrentheils nur Suppe – und MusBrühe – auch waren die leztere Zeit besonders – die Frau Baronin von Seidliz und Frau von Mittelpeile – auch selbst der Doctor so gütig mir kräftige Suppen zu schiken – wofür ich inigst dankbar bin – gewiß freust Du Dich mit mir – nur nicht über die vielen medicin Gläser die ich in dem Jahre schon ausgelehrt habe – – der freundtschaftliche Doctor ist so gütig und läst mich ganz nach meinem Wunsch zu ihm kommen weil es mir ohnmöglich in Gegenwart Andrer ausführlich zu reden – | Das heist in der Krankenstube, vor den Wärterinnen und andern Kranken; äußerst merkwürdig war es mir um Deinetwillen, daß der Doctor schon mehreremahle vom baden geredet – weil, Du, schon vor einigen Jahren darauf bestandest – Bei Deinem Besuch alhier dem ich mit ganz eignen zarten Gefühlen entgegen sehe und zuversichtlich harre – wirst Du Dich wohl willig finden diesem lieben Mann einen recht herzlichen Dank für seine Mühe mit mir und Aufmerksamkeit aller Art zu bringen. Den 9ten Merz Mein ganzes inres beschäftigt sich bei aller Schwachheit so viel mit Dir und denen, die Dir, in ihren verschiednen Graden und Existenzen lieb sind – daß ich jeden Augenblik da mir durch Medicin und kräftige Suppen wieder ein Fünklein Energie zu theil wird, benuzen mögte, Dir meine Empfindungen und Bemerkungen mitzutheilen – – Louis der Trefliche wird also weiter entfernt von Dir und auch von allem was seinem liebevollen Herzen etwas ist – denn das liebste ist schon im Garten Gottes – – unaussprechbar lieb ist mirs daß ich die Vollendete und ihn gesehen und gesprochen habe – nun wünsche ich noch Willich zu sehen dieser scheint mir ob er zwar vielleicht noch einmahl so alt sein mag seines sanften lieblichen Wesens [wegen] zu Louis zu gehören – aber sie kennen sich wohl nicht – Diese Beiden und manche Andre, theils Vollendete – und auch Menschen die wir Beide, oder eins und das andre nur kante – fielen mir bei folgender Stelle ein:
„Ein schneller Läufer läst die leichtesten Spuren hinter sich – die wohltätigsten Kräfte der Natur wirken ganz geheim – und der Bliz trift den der ihn nicht sieht | Hoch hat Euch Gott gestelt damit ihr viel wirken solt meine edlen Jünglinge. Wirkt euer ganzes Leben hindurch wie die Sonne, die am Mittage der Erde Kraft und Leben in hohen Feuerströhmen herab sendet, und noch bei ihrem Sinken mit ihren lezten sanften Strahlen die Erde erquikt: Das Bild des Edlen der im Mittag seiner Kraft – der Welt um sich her Leben und Glük giebt und noch im Alter mit seiner Weisheit erquikt und erleuchtet.“
Nun noch etwas das sich auf Louis und Friderique – und die Gräfin Carwinden – die auch so trauliche Tage mit der Seeligen verlebte bezieht:
„Mit jeder Stunde wurde Beider Liebe reiner und himlischer, und der Augenblik, der sie für dieses Leben trente, band ihre Herzen noch fester aneinander. In diesem Zustande des allerleidendsten Entzükens wurden sie sehr oft von einem Edlen besucht der beiden den lezten Genuß des Lebens nicht stöhrte, sondern erhöhte. Er leitete ihre bewegbare Phantasie auf jene schönen reizenden Gefilde der Hofnungen, und füllte ihre leidende Brust mit dem reinen Genuße der Ewigkeit“ – Weiter zu schreiben – würde zu langweilig und zu sehr in die Geschichte hineingehen – die Dir wohl unbekant aber Lenoren vielleicht nicht, bitte bitte laße mich doch wißen wie ich schon in meinem lezten bat ob la Fontaine Schriften, St. Julien – Engelmans Tagebuch – und das was ich jezt gelesen Rudolph von Werdenberg – oder die moralischen Erzählungen unsrer Freundin bekant sind – recht lieblich wäre mirs etwas von dem gelesen zu haben was auch ihr bekant |
den 14ten Merz Auf Deine mir gegebne Anweisung Dir so viel und oft zu schreiben als ich will berufe ich mich auch diesesmahl – und eben dis wird Dich immer mehr in Deiner Behauptung bestätigen daß ich im innern stark – und wie Du sprichst reif bin – allein – die seit jener pause immer wieder gebrauchte und noch vor mir stehnde Medicin – ist der klarste Beweis von der Zerrüttung meiner Nerven – die Comtesse Posadowsky ist jezt da meine Schwäche immer mehr zunimt – sehr besorgt – und wünscht mit mir recht sehnlich daß ich bald Geld bekomen möchte, um etwas wegen meiner Reise zu bestimmen – wer mich nicht leiden sieht kann sich von meinem Zustand nicht recht überzeugen – Thalaker der Doctor meint – – Er hätte schon längst keine Schulen mehr gehalten und läge an meiner Stelle wenn gleich nicht immer, doch oft, zu Bette.
Gegen die Schwester Marchen unsre Pflegerin äußerte ich in diesen Tagen daß sie es wohl nicht wundern würde, wenn ich meiner Cörperlichen Leiden wegen mich nach Vollendung sehnte – und auch übrigens wünschte ich bald ganz – entfeßelt zu sein – Sie verstand mich zwar – wünschte aber doch – ich möchte noch Hier bleiben – um in mancher Absicht noch zu wirken – kurz sie antwortete mir, nur mit andern Worten so wie Du Dich über mich äußerst – durch diese Harmonie wird sie wohl ganz besonders Dein Wohlwollen erhalten; es war mir bei aller Wehmuth lächerlich. den 15ten Heute sollen diese Bogen in den Laden und dann kommen sie Sontag in Deine Hände – wenn ich nicht irre – kanst Du es möglich machen Lieber – wegen der Post geht es – so laße mich am 31ten einen Brief bekomen – Du hast keinen Begrif davon | wie mir in meiner jezigen Laage – Geld wegen meines siechen Cörpers – und Briefe von meinen Lieben wegen meines sehnenden Geistes und liebenden Herzens – ein wahres Bedürfniß sind wenn Du es sehen soltest wie oft ich Deine Briefe durchlese – bei mancher Stelle länger als einer andern verweile, und wie ich mich von meiner eignen schriftlichen Unterhaltung so ungern trenne, denn so lange solche Blätter bei mir, oder vor mir vergegenwärtigen sich mir meine Lieben!!! und dan beim zusiegeln und abreisen derselben fühle ich wirklich eine Art von TrenungsSchmerz.
Noch emmahl auf Comtesse Friderique mit welcher ich mich gar zu gern beschäftige – wird mann Dir nichts von ihren schriftlichen Auszügen schiken, mein ganzes ich sehnet sich etwas von diesen Producten zu lesen – aber, ach, Louïs kann dieses nicht mehr vermitlen – und wer sonst würde dies über sich nehmen! – Was ist das für ein Buch was Du schreiben wirst! Dieses LoosungsWort welches gleichsam über Deinen Besuch entscheiden wird – ach! Lieber! wärest Du ganz mit meinem Wesen bekant – Du würdest alles thun um dieses Wiedersehn wahr zu machen – Gott gebe daß ich dann recht wohl bin um Dir nur im Rükblik so manches von meinen jezigen Leiden mitzutheilen – bitte schreibe mir ja, und vergiß nicht mir so manches zu beantworten – herzlichen Gruß der Herz und Lenoren von
Lotten
den 2ten Merz Viel sehr viel habe ich heut Nachmittag an Dich gedacht und Dich wie dis oft Dienstag Nachmittag – und andre Stunden geschieht – an meine Seite den Kleinen unsichtbar gewünscht – damit Du es so recht inne werdest mein Wesen, mit denen lieblichen Kleinen – die ich freilich wenn ich selbst sehr schmerzhaft bin, mehr mit lesen beschäftige, als sonst – denn der Eintheilung ohngeachtet die auf ihrem Stundenzettel steht – richte ich die meinen ganz nach meiner Disposition – und ihrem jedesmahligen Betragen und Empfänglichkeit ein – ach wärest Du nur bald hier daß ich Dich mit diesen meinen Lieblingen allen bekant machen könte, denn ich liebe sie alle 9 jedes in seinem Grade, gleich, denn jede sucht sich durch Fleiß – oder drollige Fragen, Einfälle – oder auch durch kindliche Anhänglichkeit, in das Lotten Herz einzuschleichen – denen Andern in denen größern Stuben gelingt es schon nicht so leicht – indem die wenige Aufmerksamkeit – oder Muthwille und dergleichen schon mehr in Rechnung gebracht werden – doch haben auch sie je mehr ich mich plage und ernstliche Unterhaltungen nicht vermeiden kann – ihren Plaz in meinem liebenden Herzen [;] bei ihnen muß Lob und Tadel schon künstlicher vertheilt – und ihre Liebkosungen mehr mit angenehmen Ernst – und neuen Forderungen von wahrer Liebe erwiedert werden – |
Da ich einmahl ganz im AnstaltsWesen bin, so muß ich noch in Erwägung bringen daß ich seit einem halben Jahre nichts mit denen ganz ältesten zu thun habe, denen ich seit 6 Jahren Untterricht in der Historie und Geographie gab – da die Schwester Schilden die Du ja auch kenst – jezt Lehrerin in der großen Stube ist und alles das in französischer Sprache vorträgt. Diese Unterhaltungen so mangelhaft sie auch von meiner Seite waren, hatten viel angenehmes für mich – da ich am liebsten mit ganz Kleinen – von 5 bis 9 – oder mit denen 13jährigen und noch älter zu thun habe – man weiß das und hat mir deswegen 7 Stunden die Woche mit denen Kleinen gegeben und 11 mit denen Mitleren so daß ich 18 Stunden in der Anstalt und 6 privat Stunden mit jungen Mädchens im Hause habe, auch bin ich so oft Beide Vorgesezten eine Gasterey oder dergleichen haben – besonders in der großen Stube ihre Stelvertreterin – welches ich wenn ich nur nicht ganz leidend bin – mit vielem Vergnügen thue.
den 6ten Merz Auch seit dieser Pause habe ich wieder viel gelitten – mannichfaltige Arten von Krampf – und sonderbarer NervenSchwäche, wobei der SchleierGeist wie ich imer sage – bald ganz niedergedrükt wäre – der gute Doctor hat aber gar behutsam dabei verfahren – und da heute Sonabend ist werde ich mich wohl in dieser Zwischenzeit wieder so erholen, daß ich Montags zu meinen Geschäften tüchtig bin – gestern da ich so außerordentlich schwach war – habe ich Dich – Vormittags dieserwegen und Abends aus einer andern Ursache zu mir gewünscht – |
Es ist fast unglaublich – daß ich den ganzen Tag mit Schmerz und Schwäche recht kämpfe – und am Abend dann zwar müde – und meine Stimme nur leise – aber übrigens ganz munter, und für alles empfänglich bin – dis ist bei meiner Kränklichkeit mehrentheils der Fall – Gestern war es eben so – ich hatte 3 meiner sonstigen jungen Schülerinnen, versprochen mit ihnen zu lesen – und ich war mir selbst ein Wunder – wie ich mit dem lebhaftesten Interresse unter ihnen war – und einen The mit ihnen verzehrte – ich dachte Deiner – und wie dis, seit dem 13ten Januar den Anfang meiner Schmerzens periode, gar oft geschehen, an die Vollendete Friderique – auch die Lecture gab dazu Anlaß – es war Gustav Wasa – den mir die trefliche Aulock geliehen – und Rudolph von Werdenberg – von la Fontaine, durch die Güte meiner Pritwiz – man muß beides gelesen haben, und auch meine Betrachtungen über diese, Einzige, ganz inne haben, um mich zu verstehen – dazu komt noch dis daß ich seit jener Periode alles zusamen gerechnet – wegen Schmerzen im Mund – oder Krampf im Hals nicht 1 Pfund Fleisch gegeßen – mehrentheils nur Suppe – und MusBrühe – auch waren die leztere Zeit besonders – die Frau Baronin von Seidliz und Frau von Mittelpeile – auch selbst der Doctor so gütig mir kräftige Suppen zu schiken – wofür ich inigst dankbar bin – gewiß freust Du Dich mit mir – nur nicht über die vielen medicin Gläser die ich in dem Jahre schon ausgelehrt habe – – der freundtschaftliche Doctor ist so gütig und läst mich ganz nach meinem Wunsch zu ihm kommen weil es mir ohnmöglich in Gegenwart Andrer ausführlich zu reden – | Das heist in der Krankenstube, vor den Wärterinnen und andern Kranken; äußerst merkwürdig war es mir um Deinetwillen, daß der Doctor schon mehreremahle vom baden geredet – weil, Du, schon vor einigen Jahren darauf bestandest – Bei Deinem Besuch alhier dem ich mit ganz eignen zarten Gefühlen entgegen sehe und zuversichtlich harre – wirst Du Dich wohl willig finden diesem lieben Mann einen recht herzlichen Dank für seine Mühe mit mir und Aufmerksamkeit aller Art zu bringen. Den 9ten Merz Mein ganzes inres beschäftigt sich bei aller Schwachheit so viel mit Dir und denen, die Dir, in ihren verschiednen Graden und Existenzen lieb sind – daß ich jeden Augenblik da mir durch Medicin und kräftige Suppen wieder ein Fünklein Energie zu theil wird, benuzen mögte, Dir meine Empfindungen und Bemerkungen mitzutheilen – – Louis der Trefliche wird also weiter entfernt von Dir und auch von allem was seinem liebevollen Herzen etwas ist – denn das liebste ist schon im Garten Gottes – – unaussprechbar lieb ist mirs daß ich die Vollendete und ihn gesehen und gesprochen habe – nun wünsche ich noch Willich zu sehen dieser scheint mir ob er zwar vielleicht noch einmahl so alt sein mag seines sanften lieblichen Wesens [wegen] zu Louis zu gehören – aber sie kennen sich wohl nicht – Diese Beiden und manche Andre, theils Vollendete – und auch Menschen die wir Beide, oder eins und das andre nur kante – fielen mir bei folgender Stelle ein:
„Ein schneller Läufer läst die leichtesten Spuren hinter sich – die wohltätigsten Kräfte der Natur wirken ganz geheim – und der Bliz trift den der ihn nicht sieht | Hoch hat Euch Gott gestelt damit ihr viel wirken solt meine edlen Jünglinge. Wirkt euer ganzes Leben hindurch wie die Sonne, die am Mittage der Erde Kraft und Leben in hohen Feuerströhmen herab sendet, und noch bei ihrem Sinken mit ihren lezten sanften Strahlen die Erde erquikt: Das Bild des Edlen der im Mittag seiner Kraft – der Welt um sich her Leben und Glük giebt und noch im Alter mit seiner Weisheit erquikt und erleuchtet.“
Nun noch etwas das sich auf Louis und Friderique – und die Gräfin Carwinden – die auch so trauliche Tage mit der Seeligen verlebte bezieht:
„Mit jeder Stunde wurde Beider Liebe reiner und himlischer, und der Augenblik, der sie für dieses Leben trente, band ihre Herzen noch fester aneinander. In diesem Zustande des allerleidendsten Entzükens wurden sie sehr oft von einem Edlen besucht der beiden den lezten Genuß des Lebens nicht stöhrte, sondern erhöhte. Er leitete ihre bewegbare Phantasie auf jene schönen reizenden Gefilde der Hofnungen, und füllte ihre leidende Brust mit dem reinen Genuße der Ewigkeit“ – Weiter zu schreiben – würde zu langweilig und zu sehr in die Geschichte hineingehen – die Dir wohl unbekant aber Lenoren vielleicht nicht, bitte bitte laße mich doch wißen wie ich schon in meinem lezten bat ob la Fontaine Schriften, St. Julien – Engelmans Tagebuch – und das was ich jezt gelesen Rudolph von Werdenberg – oder die moralischen Erzählungen unsrer Freundin bekant sind – recht lieblich wäre mirs etwas von dem gelesen zu haben was auch ihr bekant |
den 14ten Merz Auf Deine mir gegebne Anweisung Dir so viel und oft zu schreiben als ich will berufe ich mich auch diesesmahl – und eben dis wird Dich immer mehr in Deiner Behauptung bestätigen daß ich im innern stark – und wie Du sprichst reif bin – allein – die seit jener pause immer wieder gebrauchte und noch vor mir stehnde Medicin – ist der klarste Beweis von der Zerrüttung meiner Nerven – die Comtesse Posadowsky ist jezt da meine Schwäche immer mehr zunimt – sehr besorgt – und wünscht mit mir recht sehnlich daß ich bald Geld bekomen möchte, um etwas wegen meiner Reise zu bestimmen – wer mich nicht leiden sieht kann sich von meinem Zustand nicht recht überzeugen – Thalaker der Doctor meint – – Er hätte schon längst keine Schulen mehr gehalten und läge an meiner Stelle wenn gleich nicht immer, doch oft, zu Bette.
Gegen die Schwester Marchen unsre Pflegerin äußerte ich in diesen Tagen daß sie es wohl nicht wundern würde, wenn ich meiner Cörperlichen Leiden wegen mich nach Vollendung sehnte – und auch übrigens wünschte ich bald ganz – entfeßelt zu sein – Sie verstand mich zwar – wünschte aber doch – ich möchte noch Hier bleiben – um in mancher Absicht noch zu wirken – kurz sie antwortete mir, nur mit andern Worten so wie Du Dich über mich äußerst – durch diese Harmonie wird sie wohl ganz besonders Dein Wohlwollen erhalten; es war mir bei aller Wehmuth lächerlich. den 15ten Heute sollen diese Bogen in den Laden und dann kommen sie Sontag in Deine Hände – wenn ich nicht irre – kanst Du es möglich machen Lieber – wegen der Post geht es – so laße mich am 31ten einen Brief bekomen – Du hast keinen Begrif davon | wie mir in meiner jezigen Laage – Geld wegen meines siechen Cörpers – und Briefe von meinen Lieben wegen meines sehnenden Geistes und liebenden Herzens – ein wahres Bedürfniß sind wenn Du es sehen soltest wie oft ich Deine Briefe durchlese – bei mancher Stelle länger als einer andern verweile, und wie ich mich von meiner eignen schriftlichen Unterhaltung so ungern trenne, denn so lange solche Blätter bei mir, oder vor mir vergegenwärtigen sich mir meine Lieben!!! und dan beim zusiegeln und abreisen derselben fühle ich wirklich eine Art von TrenungsSchmerz.
Noch emmahl auf Comtesse Friderique mit welcher ich mich gar zu gern beschäftige – wird mann Dir nichts von ihren schriftlichen Auszügen schiken, mein ganzes ich sehnet sich etwas von diesen Producten zu lesen – aber, ach, Louïs kann dieses nicht mehr vermitlen – und wer sonst würde dies über sich nehmen! – Was ist das für ein Buch was Du schreiben wirst! Dieses LoosungsWort welches gleichsam über Deinen Besuch entscheiden wird – ach! Lieber! wärest Du ganz mit meinem Wesen bekant – Du würdest alles thun um dieses Wiedersehn wahr zu machen – Gott gebe daß ich dann recht wohl bin um Dir nur im Rükblik so manches von meinen jezigen Leiden mitzutheilen – bitte schreibe mir ja, und vergiß nicht mir so manches zu beantworten – herzlichen Gruß der Herz und Lenoren von
Lotten