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Johann Bernhard Vermehren to Friedrich Schleiermacher

Verehrter Mann!
Ich habe Ihre freundliche und theilnehmende Zuschrift zu meiner größten Freude empfangen, und bewahre sie, so wie alles, was von Ihnen kommt, als ein kostbares Unterpfand Ihres mir unschätzbaren Wohlwollens. Die Herzlichkeit und Innigkeit, mit dem Sie von dem Glücke reden, das mir und meinem geliebten Weibe die Götter gewährten, hat uns beide näher an Sie gebunden, und es giebt mir ein schönes Gefühl, daß unsre Empfindungen mit verwandter Liebe bey dem süßen Namen des Vaters verweilen. – Ich bin sehr | glücklich; und lebe ein seeliges Leben mit der Auserwählten meines Herzens. Das Einzige, was uns noch fester binden konnte, ist uns geworden, und Sie haben wol Recht, wenn Sie mein günstiges Geschick mit freundschaftlicher Theilnahme preisen. Daß unsre Seeligkeit daure, dies ist jetzt unser einziges Gebet, denn jeder Morgen weckt uns zu neuen, süßeren Hoffnungen, die der liebenswürdige Bernhard, der holde Knabe meiner ersten und einzigen jugendlichen Liebe in der Seele hervorruft. – Ich bin dankbar gegen die Gottheit, und nehme es daher gerne hin, wenn bisweilen trübe Stunden den Lichtglanz der Freude verdunkeln. Denn aus dem Schmerz erzeugt sich die Zufriedenheit, und das Unangenehme ist die Würze | des menschlichen Glückes. – Meine Gattin ist sehr wohl und heiter, und der Kleine nimmt täglich zu, so daß das göttliche Licht der Sonne schon den glimmenden Funken des Geistigen in ihm angefacht zu haben scheint. O welche unendliche Freuden giebt der Anblick eines geliebten Kindes, welche Wonne durchströmt alle unsre Adern, wenn wir uns selbst aufs Neue werden sehen! Doch – ich schweige; denn die Liebe wird leicht geschwätzig und ist es vielleicht schon geworden. Der Gedanke, daß ich an Sie, Trefflichster schreibe, erlaubte mir, daß ich nur mein Gefühl reden ließ. – Was Sie von Friedrich als Vater sagen, ist ganz wahr, und beruht auf richtiger Kenntniß seines großen, tiefen Herzens bey seinem großen Geiste. Verzeihen Sie mir | diesen gewöhnlichen Ausdruck; denn eigentlich kann es wol keinen ungewöhnlichen Geist geben, dem es an Fülle des Gemüths, und an Energie des Gefühls fehlt. Daß diese Trennung zwischen Geist und Herz aber selbst dem nicht verkünstelten Menschen natürlich sey, mag Ihnen das Urtheil eines unbefangnen Mädchens über Friedrich beweisen. Sie hatte viel von ihm gehört, und vielleicht auch gelesen; als sie ihn nun persönlich näher kennen gelernt hatte, that sie folgende Äusserung über ihn gegen mich: „Das hätte ich mir nicht gedacht, daß der große, berühmte Schlegel auch ein so guter, vortreflicher Mann seyn könne! – “ Doch, schon wieder eine Abschweifung! Friedrichs wahre Freunde, die es wahrhaft gut mit ihm meinen, können nichts | Höheres und Besseres jetzt für Ihn von den Göttern erflehen, als daß er bald Vater werde. –
„Lebe wohl Sehnsucht und Du leise Klage, die Welt ist wieder schön, jetzt liebe ich die Erde und die Morgenröthe eines neuen Frühlings hebt ihr Rosen strahlendes Haupt über mein unsterbliches Daseyn. – Die Natur allein ist die wahre Priesterinn der Freude; nur sie versteht es, ein hochzeitliches Band zu knüpfen. Nicht durch eitle Worte ohne Seegen, sondern durch frische Blüthen und lebendige Früchte aus der Fülle der Kraft.“
Ihre Ansicht von Friedrichs Umgang und Unterhaltung ist mir sehr interessant und befriedigend gewesen. Er kann aber auch wohl reden, wenn er Lust hat. Welche seelige Stunden, welche gehaltvolle Augenblicke habe ich seiner Freundschaft zu danken!! |
Es geht Ihm und der Einzigen sehr gut in Dresden. Sicher wissen auch Sie das Alles ausführlich. Er kommt noch mit Dorothea zu uns nach Jena auf einige Tage vor der großen Reise. Mögten ihm seine Plane gelingen! Mögte es ihm besser werden, als ich zu hoffen wage nach dem, was Sachkundige mir über die Lage der Dinge in Paris gesagt haben. Ich habe dies Friedrich alles auseinandergesetzt, und ihm gradezu erklärt, daß er in dem fremden Lande, mehr das sehe, was er zu sehen wünscht, als was er zu sehen hoffen darf. Er bestand aber mit der geliebten Frau auf seinem Entschlusse, und mehrere seiner Gründe sind auch sehr wichtig. Mögen die Götter dann die Liebenden geleiten, und sie endlich einführen in den Hafen des Glücks, da sie so lange ohne festen Anhalt auf den un | sicheren Wogen umherschwammen! –
Was Ihre weitere Trennung von mir betrift, so ist meine Freude über dieselbe ganz rein, wenn Sie mir das feste Wort eines Freundes geben, daß dieselbe unsern Briefwechsel, der mir in jeder Rücksicht unendlich werth ist, nicht unterbrechen soll. Denn Warum sollte sie mir nicht eine reine Freude gewähren, da die Entwicklung Ihrer persönlichen Verhältniße Etwas Großes, Schönes, und Sie Beglückendes verspricht? Lassen Sie mich bald die Lösung, die freudige Lösung des Räthsels wissen, welche wie ich glaube, Ihnen ihr eignes Leben noch deutlicher machen wird! Schreiben Sie mir, wenn es seyn kann, noch vor Ihrem Abgange aus Berlin, und geben Sie mir Ihre Adresse auf, damit ich Ihnen aufs Neue die Achtung und Liebe schriftlich bezeugen kann, welche ich unverändert für Sie in meinem Busen nähre, und deren Worte ich Ihnen oft im Geist voll Enthusiasmus | zurufe. –
Ich dichte und trachte, und trachte und dichte viel. Wenn aber ein endliches Streben nach Poesie nicht auch Poesie werden kann, so wird mein sterblicher Sinn, wol nie die Göttliche schauen. – Ich habe seit mehreren Wochen das tragische Drama beendet, von dem Friedrich Ihnen vielleicht gesagt hat. Es ist mit Musik und Tanz und wird, wenn es nach meiner Idee einmal aufgeführt wird, seiner beabsichtigten Wirkung, wie ich glaube, nicht verfehlen. – Nach Beendigung des Dramas arbeite ich jetzt an einem Mährchen, von dem schon gegen 200 Seiten niedergeschrieben sind, und das, wie ich hoffe, Michaelis im Druck erscheint. – Ich freue mich sehr, wenn ich Friedrich meine neuen Versuche vorlesen kann, und sein Urtheil höre. – Was bilden Sie? Wird die Kritick aller Ethiken noch Ostern erscheinen? – Sagen Sie mir doch gelegentlich auch Ihre Meinung, wenn Sie etwa meine poetischen Versuche lesen. Friedrich hat | mir letzthin ein recht gründliches, umfassendes Urtheil geschrieben, das mir mich selbst deutlich gemacht hat. So Eins erwarte ich auch bald von Ihnen und lasse mich nicht damit abweisen, daß Sie nur Dilettant in der Poesie seyn wollen. Ihre Meinung hat einen großen Werth für mich; warum wollten Sie sie mir daher nicht offen gestehen, da ich durch sie auf jeden Fall lerne, und klarere Einsichten bekomme? –
Friedrich hat dem Herrn Ast die Correcktur des Plato übertragen, auch soll ich die Bogen mit durchsehen. Ob heute schon das Manuskript da ist, konnte ich nicht erfahren; daß es aber vor 4 Tagen noch nicht da war, weiß ich ganz gewiß von Ritter. Wenn Friedrich nur machte, denn Frommann soll etwas verdrüslich seyn. – |
Leben Sie recht wohl und schreiben Sie mir bald! Meine geliebte Frau grüßt Sie herzlich. Mit Achtung und Liebe der Ihrige
Vermehren
Jena den 1 April 1802.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 1. April 1802
  • Sender: Johann Bernhard Vermehren ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 5. Briefwechsel 1801‒1802 (Briefe 1005‒1245). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1999, S. 365‒368.

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