Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
TEI-Logo

Friedrich Schleiermacher to Karl Wilhelm Brunn

Hochwürdiger Hochgelehrter
hochzuverehrender Herr Hofprediger und Consistorialrath!
Es ist mir in einem Rescript des KirchenDirectorii vom 11t. hujus & praeteriti vom 18t. aufgegeben worden, mich an Ew. Hochwürden wegen meiner von Denselben zu verrichtenden Einführung zu Stolpe zu wenden, und Sie um die Festsetzung eines Tages dazu gehorsamst zu ersuchen. Ich muß gestehen, daß ich mich gewundert habe, daß man Ew. Hochwürden einer Feierlichkeit wegen, die in unserer Confeßion besonders bei Predigern, welche schon mehrere Jahre im Amte gestanden, so oft unterlassen zu werden pflegt, eine so bedeutende Reise zumuthet, für welche vielleicht gar die Entschädigung nicht einmal leicht auszumitteln sein möchte und ich vermuthe daher Ew. Hochwürden werden selbst dagegen protestiren und darauf antragen, daß mir überlassen werden möge mich selbst einzuführen. Sollte ich mich jedoch hierin irren, und es Ew. Hochwürden Vergnügen | machen, bei dieser Gelegenheit Ihre ausgebreitete Inspection einmal bis an das äußerste Ende zu bereisen, so erwarte ich wegen der genauen Bestimmung Ihre gütige Anweisung; worauf ich dabei in Beziehung auf mich einige Rücksicht zu nehmen gehorsamst bitte, ist folgendes. Das erwähnte Rescript giebt mir auf, mich so einzurichten, daß ich gegen 1ten Junius von hier abgehen könne und wenn ich dies auch buchstäblich befolge, was mir, wie sämmtliche Herren vom Kirchen Directorium gar wohl wißen, kaum möglich sein wird: so würde ich schwerlich so nach Stolpe kommen, daß ich bereits zu Pfingsten dort die Kanzel besteigen könnte, auch vermuthe ich, daß Ew. Hochwürden nicht gern gerade während des Festes von Ihrer Gemeine würden abwesend sein wollen und stelle daher Ew. Hochwürden Ermeßen anheim ob nicht der Sonntag Trinitatis Juni 13. der schicklichste Tag zur Einführung sein würde.
In demselben Rescript wird mir gesagt, es sei der verwittweten Frau Hofprediger Crüger bereits aufgegeben mich für alles, was ich während des Gnadenjahres hier verliere, zu entschädigen: allein ohne einige nähere Bestimmung wie diese Entschädigung bestimmt werden soll, und da minorenne dabei concurriren, so wird wahrscheinlich die vormundschaftliche Behörde darauf dringen, daß es auf eine förmliche Weise geschehe. Ich empfehle mich dieses Punktes wegen Ew. | Hochwürden Fürsorge ganz besonders, damit ich nicht mit irgend einer Art von Unannehmlichkeiten, die sich auf solche Gegenstände beziehen mein neues Amt antrete. Es thut mir ungemein leid, der Frau Wittwe hart zu fallen, allein da ich mich ohnedies nur wenig verbessere, und mir die Veränderung weit kostspieliger ausschlägt, als ich erwartet hatte: so kann ich mich um so weniger entschließen irgend einen Verlust zu übernehmen. Meine hiesige Stelle beträgt gegenwärtig – außer der freien Wohnung, die ich auch dort gleich in natura zu erhalten hoffe – baar 340 rth, ferner freien Mittagstisch, Holz, Licht, Wäsche, Aufwartung, welche Artikel der Billigkeit gemäß zu den Preisen angeschlagen werden müßten, wie ich sie dort in loco ohne Beschwerde erhalten kann. Nach diesem Maaßstabe glaube ich kaum, daß die Frau Wittwe für drei Quartale von 1ten Juni bis 1ten März unter 360 rth exclisive Wohnung davonkommen wird. Wegen der Reisekosten habe ich bereits bei dem dortigen Presbyterium angefragt, ob die Kirchencasse wohl im Stande wäre mir einigen Ersatz zu leisten, und ich hoffe Ew. Hochwürden werden, wenn die Umstände es zulassen mir nicht entgegen sein.
Erlauben Dieselben, daß ich nun, nachdem ich diese officiellen und speciellen Angelegenheiten vorangeschickt Ihnen die mir bei weitem wichtigere allgemeine vortrage, mich in dem Verhält | niß in welches ich gegen Sie die Ehre zu treten habe Ihrer freundschaftlichen Gewogenheit und Ihrem guten Rath in allen Fällen bestens zu empfehlen. Meinerseits werde ich es mir sehr angelegen sein lassen, mir durch meine Amtsführung Ew. Hochwürden Beifall zu erwerben, um alle die kleinen Nachläßigkeiten zu vermeiden, wodurch das ohnedies beschwerliche und unfruchtbare Inspectionsgeschäft so oft noch unangenehmer gemacht wird. Sollten Ew. Hochwürden mir schon jetzt in Beziehung auf dortige mir unbekannte Local Umstände einige nützliche Anweisungen zu ertheilen haben: so bitte ich recht sehr darum, als um den ersten Beweis Ihrer Gewogenheit, und verspreche den besten und vorsichtigsten Gebrauch davon zu machen
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Ew. Hochwürden
ganz ergebenster
Schleiermacher
Darf ich Ew. Hochwürden bitten, mich bald mit einigen Zeilen zu beehren, da ich vielleicht noch vor, spätestens unmittelbar nach dem Fest eine kleine Reise nach Schlesien antrete.
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 11. April 1802
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Karl Wilhelm Brunn
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Stettin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 5. Briefwechsel 1801‒1802 (Briefe 1005‒1245). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1999, S. 372‒374.

Basics · Zitieren