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Friedrich Schleiermacher to Ehrenfried von Willich

Berlin d 15t. Apr.
Weißt Du wohl lieber Freund daß Du über die Gebühr lange nichts hast von Dir hören lassen? Mir war schon im Ernst bange Du möchtest krank sein, als Deine lezten Briefe kamen. Leonoren habe ich, seit ich ihn ihr eingehändigt noch nicht gesprochen; sie hat auch meinen Brief und es wird also mit dem eigentlichen Antworten nur so so stehen. Du siehst aus der Anlage daß ich kein ganz schlechter Commissionair bin wenn die Sachen nur zu haben sind. Binden konnte ich den Alarcos nicht lassen wie Du siehst dazu ist er zu dünn, und Du mußt Dich mit dem blutfarbenen Umschlag begnügen den er gar nicht übel verdient. Es fehlt übrigens in Deinem Exemplar ein Blatt worauf ein Paar garstige Fehler angezeigt sind; ich will sie Dir aber lieber hier aufschreiben. Seite 26 in der 10ten Zeile der Rede des Dagobert muß es heißen anstatt Ich kann nur grade denken tapfer folgen
Ich kann nur grade denken tapfer schlagen
Das Gesez der Assonanz wird sonst zerstört welches das o nur einen Vers um den andern zuläßt. Noch ärger ist folgender
S 39 fehlen nach dem Verse
Alvaro zielt vielleicht nach Dir mit giftgem Dolch | folgende 6 Zeilen
Alarcos
Rein von Verrath und Leidenschaft ist seine Brust
O wären wir so frei wie er von arger Schuld.
Clara.
So bin ich selbst die Schuldge wohl mir unverhofft
o sage, sprich, wie kams, daß ich Dein Herz verlor?
Und wenn ich es verlor warum wird meins verschont
das schon bereit zu sterben ohne Rath und Trost.
Schreibe mir doch recht Dein Urtheil und das Urtheil Deiner Freundinnen über dieses sonderbare Werk. Das meinige soll ich noch gedrukt von mir geben, und das soll mein Geschäft sein in Schlesien in den Stunden wo ich meine Schwester nicht sehen kann.
Du siehst ich reise wirklich, und zwar nächsten Montag. Viel Freude im nächsten und eigentlichsten Sinne des Wortes steht mir nicht bevor denn meine Schwester ist sehr bedenklich krank und wir werden uns beide des Gedankens nicht erwehren können, daß es unser leztes Sehen ist. Daß sie Leonoren nicht mehr kennen lernen soll thut mir innig weh. Mehr von ihr, wenn ich zurükkomme, welches ohngefähr den 7ten oder 8ten Mai sein wird. Du kannst unterdeß immer an mich schreiben lieber Freund; ich treffe die Einrichtung, daß Leonore alle Briefe erhält, die unterdeß an mich ankommen; also liest sie sie doch wenigstens wenn es auch zu spät sein sollte sie mir nachzuschiken. Am 31ten Mai reise ich nach Stolpe ab um dort am Pfingstfest zuerst zu predigen. Leonore hat einige Zeit recht gekrän | kelt und an eine bessere Gesundheit ist wol nicht eher für sie zu denken, als im besseren Leben. Sonst ist sie recht gutes Muthes, wie sie Dir vielleicht wol selbst sagen wird, und von einer Heiligkeit die mich entzükt so oft ich an sie denke. Ja, lieber Freund, ich bin überglüklich und ich wüßte auch nicht, was uns stören könnte als nur grade der Tod; alles etwanige Ungemach würde immer nur eine neue Art sein diese heilige Liebe zu äußern und zu genießen. Habe ich sie erst heimgeführt so mußt Du wirklich bald darauf denken auf eine Zeitlang bei uns zu sein.
Jette wird außer ihrer Leipziger Reise, wenn sie diese noch macht, eine noch größere machen nach Pyrmont, wo Herz seine Gesundheit herstellen will. Da ihr das Reisen viel Freude macht ist es wohl recht gut daß sich das jezt so trifft, indeß wird unsere Gemeinschaft mit ihr allerdings leiden, und auch Johannens Herkunft weiter hinaussezen. Grüße diese recht brüderlich von mir, und sie soll sich immer bei großen Gelegenheiten recht tapfer nehmen, wie sie diesmal gethan, und die kleinen Tracasserien sich nur gar nicht zu Herzen gehn lassen.
Der Rügensche Plan ist sehr hübsch; ich gebe ihn auch noch gar nicht auf allein es wird auf zweierlei ankommen ob ich meine Katechumenen schon werde confirmirt haben, um derentwillen ich eigentlich so zeitig hin muß, und ob sich die Gelegenheit leicht machen wird zu Wasser hin und zurük zu kommen denn so viel Geld und Zeit als zu | einer Landreise gehören würde werde ich gewiß nicht haben. Uebrigens sind Deine Gründe, was das Verhältniß mit der Gemeine betrift nicht eben sonderlich schußfest.
Die beschriebenen Blätter habe ich noch nicht bekommen, sie sollen aber auch in meiner Abwesenheit besorgt werden. Die Charakteristik muß ich bei meiner Zurükkunft hier finden – denn unmittelbar darauf wird eingepakt.
Daß Wolfs Gläser noch nicht fertig sind daran bin ich ziemlich unschuldig; ich will heute wieder nachfragen. Adieu lieber Freund ich bin wie Du siehst eilig und confus.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 15. April 1802
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Ehrenfried von Willich ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Prenzlau ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 5. Briefwechsel 1801‒1802 (Briefe 1005‒1245). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1999, S. 383‒385.

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