Gnadenfrey am 8ten May 1802.
Sorge für Dich! dies waren Deine letzten dringenden Worte, bey unserm Scheiden, und ich habe es auch im eigentlichsten Verstande gethan, ich habe für mich gesorgt, und andre für mich sorgen laßen: der klarste Beweis davon ist, daß ich mir einen Secretair halte; doch davon noch weiter zuletzt. –
Bey meiner Rückkehr von Dir traf ich Madame Dellevile am offnen Fenster, und [sie] bezeigte mir in herzlichen Worten, ihre wahre Theilnahme an unserm Wiedersehn und Trennung und ihre ganz eigne Freude über Dich, dieser Balsam war mir aus dem Munde dieser trefflichen Frau und zärtlichen Mutter ganz besonders erquickend. In der GemeinStunde welche Dober hielt, wünschte ich Dich als Zuhörer, um diesen Mann auch von der Seite näher kennen zu lernen. Nach geendigter Chor-Comunion bey welcher mich jedesmal seit dem Hinscheiden unsers unvergeßlichen Alten Schauer der Ewigkeit auch bey dem vollkommensten Wohlbefinden ergreiffen, hatte ich noch ein trauliches Viertelstündchen mit meinem Secretair. Ein Dito am 5ten May Vormittags. Gegen Mittag wurde eine besondre Art von Krampf wovon ich Abends am 4ten schon etwas empfunden, immer stärker, und mein Kopf so schwach, daß ich den ganzen übrigen Tag zu Bette liegen mußte. Du weißt daß die alte Surveillante qui palit aussi ihr eigentliches GeburtstagsLiebesMahl gab; diesem konnte ich nun nicht beiwohnen, kein herzliches Wort von dem alten Julchen hören, nichts von der Candate die unsre gute Graff zusammen gesetzt hatte vernehmen, und eben so wenig Abends nach der GemeinStunde dem Musiciren und Jubiliren, (welche Nachfeier in einer Darstellung verschiedner GemeinArien besteht) und welches nicht etwa im gewöhnlichen Chorsaal sondern auf den Gängen, besonders in der Proximität der Pfleger-Stube beginnt, beywohnen – daß ich meiner Kränklichkeit ohnbeschadet deß allen nicht bedurfte, sondern ganz in der Rückerinnerung lebte; die mir noch so lebendig die Gegenwart darstellte, und so wenig Bedürfniße andrer Art übrig ließ, darf ich Dich nicht erst versichern.
Was doch das Zutrauen macht – Du äußertest ein Wort gegen meinen lieben Secretair die Charmante – daß sie sich meiner annehmen möchte – und wie schön hat sie Deinen Wunsch erfüllt! – so wohl durch ihre innige Theilnahme an allen meinen Gefühlen – als die zarte Sorge für meine Gesundheit, die liebliche Pflanze die sie am 5ten May da sie eben ihren freien Nachmittag hatte, mir zukommen ließ[;] ach! es war mir viel werth – die treue Liebe hat noch manches Opfer für mich gebracht deßen unangenehmes sie gewiß leichter vergißt als ich – |
Ein unangenehmes Ereigniß hat Dich gewiß um einige Bedeutende oder erquickende Worte von unsrer guten Aulock gebracht; das heißt: ihr Expreßer an mich mit einigen Bestellungen, begegneten sich mit meinem Briefe an Sie, natürlich hatte ich ihr noch mit platten Worten, unsern Dank für die bei ihr verlebten Stunden gebracht; und ihr die bewußte Inschrifft gesendet; worüber sie vielleicht in einigen Tagen, wenn es ihre schlimmen Augen zulaßen, etwas sagen wird; doch so viel kann ich aus ihrem Briefe anführen: „Einen zwar kurzen aber tief fühlenden Dank nehmen Sie meine Theure! daß Sie mir mit ihrem trefflichen Bruder den 1ten May schenkten, verlaßen Sie sich beide darauf, daß ich diesen heitern Tag nie vergeßen werde.“ Noch eine Nachricht enthielt dieser Brief, nehmlich daß am 4ten May dem kleinen Emiel, Ulrike und Tiene die Kuhpocken eingeimpft sind: man schaudert daß solche fein fühlende Menschen dergleichen thun können; doch vielleicht ist unsre beschränkte Kenntniß daran schuld, daß wir uns durchaus nicht hinein finden können. –
Der heutige Tag zeichnete sich noch durch ein LiebesMahl aus: welchem der AnstaltsVater und unsre Clerisey beiwohnten, welches jährlich einmal zur Aufmunterung der bey der Pension angestelten Schwestern veranstaltet wird. – Dieser Brief ist eigentlich ein Allerley, denn sie haben sich noch nicht recht gelagert alle die Gefühle, die wohl noch wehmüthiger werden dürften, wenn die fröhlichen Scenen, die mir jezt noch so anschaulich sind entschlüpfen, und nur Sehnsucht und schreckliche Leere, die ZwischenZeiten meiner Schulen füllen werden, ich thue indeß alles mögliche um mich durch Lecture aufrecht zu erhalten, und habe deßhalb heute eine ganze Stunde im Jean Paul gelesen, ich habe ihn nicht nur verstanden sondern auch vieles in mich aufgenommen, ich glaube fast Du konntest keine beßre Wahl treffen um mir eine Idée von dem Manne zu geben, von deßen Werken ich schon so viel von der Profeßor Bertram gehört, so manche unterstrichne Stellen, sind es gleichsam mit in meinem Namen, es kann aber wol seyn, daß noch ein eignes Zeichen von mir dazu kommt: Für diese GeistesNahrung sage ich Dir denn hiemit den herzlichsten Dank, und eben so warm ertönt ein andrer für die schönen Blätter, die, wie ich wol begriffen, nicht im Engagement der Charité einverleibt sind. Ich fühle es ganz daß es blos reine Güte von Dir ist, die mir dadurch die Wonne gewährt andern Freude zu machen, denn daß ich sie selber nicht benutzen kann, ist auf der vorigen Seite zu sehn, die soumise aber, wie sie sich selbst nennt: die wegen der bekanten Revolution und Flucht Anno 1795 nun fast in allen Gemeinen Europas Freunde hat – denen Sie bei aller rastlosen Thätigkeit denn doch zuweilen etwas von sich wißen läßt und vorzüglich zu Geburtstagen sie mit Briefen erfreut – hat einige von den kleinen Blättern mit einer niedlichen Poesie nach Christiansfeld geschickt, woher sie neulich die SilhouettenFamielie erhielt, über welche auch Lotte unbekannter Weise viel Freude hatte. – Wo sich jetzt der Berliner [befindet] für den, der Zuname der Erhabene ausfündig worden, wißen wir nicht, wünschen indeßen auch aufm Postwagen sanfte ungestörte Ruh –
Noch ist anzumerken daß ich gestern den 9ten beim Frühstük meiner Stubengeselschaft zum besten gab – den Gruß vom lieben Gott durch Samuel Steiger – Posamentirer in Strehlen[;] gewiß hättest Du dabei ausgerufen „das ist ja göttlich“. –
Saluée le coeur très respectueusement – Schulzen fait le meme a vous!
Am 9ten May Nachmittags in der 4ten Stunde. Wahrscheinlich bist Du jetzt wieder ganz in Deinem gewöhnlichen Wesen; denn das BücherEinpacken wird Dich doch heute nicht beschäftigen, Du wirst doch wohl Leonoren und Jetten mit Deiner Gegenwart erfreut haben, oder geschieht das erst auf den Abend; ich kann nicht leugnen, daß ich mir heute eine gewiße Allgegenwart wünschte; vielleicht hättest Du mir noch in den lezten Stunden etwas darüber sagen können, wenn uns nicht der Chambelan in unsern zwar abgebrochnen Unterredungen, dennoch gehemmt hätte. Ich bin zwar heute nicht allein sondern viel mit andern Leuten, aber ich denke bey allem was ich sehe und höre an Dich, welches auch während der MittagsMahlzeit, die ich bei der Frau von Mittelpeilau eingenommen geschehn ist; sie sagte mir mit herzlicher Theilnahme, daß durch Deinen Besuch, ihres Sohnes Aufenthalt in Gnadenfrey sehr erleichtert und versüßt worden wäre. – Wenn werd ich die ersten Nachrichten von Dir bekommen? und wie sehr verlange ich darnach, mein HülfsMittel in solchen Fällen des Wartens ist nun nicht mehr anwendbar, denn wie könte ich nach solchem Wiedersehn, und mündlicher Mittheilung, mich am Durchlesen der alten Briefe begnügen, da ich nun freilich weit mehr weiß, als mir alle diese Buchstaben sagen könnten, und so vieles von Dir und Deinem innern Wesen in mich aufgenommen – deßen Fäden nur durch neue Mittheilungen unterhalten werden könen – ach wie vieles hätten Wir uns noch sagen könen über manches gewiß recht schönes und liebliches. Wie viel hätten wir uns noch sein können im traulichen Gespräch in der Harmonie die bei aller Verschiedenheit Größe und Plattheit denn doch zwischen unsern Geistern stattfindet – und das alles ist wegen Mangel an Zeit verlohren – ungenoßen geblieben!!! Doch bei dieser wohl sehr gerechten Klage ist es auch Glük daß ich dieses fühle, daß ich es genau weiß daß noch viel Stoff zur Mittheilung und Darstellung vorhanden – Ob Du Deinen lezten Brief Leonoren heute oder erst gelegentlich vielleicht kurz vor Deiner Abreise erst überreichen wirst? bitte laß mich doch darüber etwas wißen und so viel als möglich mache sie mir anschaulich die Scene des Wiedersehns mit diesem holden Geschöpf[;] grüße sie herzlich und sage ihr daß ich zwar schon vorher öfters theilnehmend an ihr peinliches Verhältniß gedacht – aber, wie, anders – jezt[;] Gott ich kan nicht mehr, das Schreiben greift mich gewaltig ann – ich muß das übrige meinem lieben Secretair überlaßen – denn Morgen muß dieser Brief auf die Post – jezt will ich hier auf der Preud’home Stube – ein wenig auf dem Clavier klimpern – Sie ist mit den Kindern spazieren. |
Jetzt ist es 9 Uhr Abends, die Geschöpfe sind zu Bett, und le Chien entfernt, und wir beginnen nun noch dem Herrn Hofprediger einige Aufträge, oder vielmehr Bitten in die Seele hinein zu schieben; der kleine Ring ist ja wol das erste und dringendste, denn er lag mir vorm Jahre schon im Sinn, als ich mir mit der süßen Hoffnung schmeichelte Dich bald hier zu sehn, laß ihn nur ja nicht größer machen als das Maaß, sonst kann ich ihn nicht an den kleinen Finger stecken, und an den andern ist es mir ohngeachtet seines theuren Gehaltes unbehaglich. – Das schwarze Tuch für meine gütige Stellvertreterin, bitte ja nicht kleiner als 2 Ellew Schlesisch – denn sie ist etwas massiv gebaut, das Monument der Dankbarkeit für den Doctor wirst Du wol am wenigsten vergeßen, und den Casparischen Atlaß mit dazu gehörigen Büchern. Denn mit Karten wird es bei uns immer bedrängter, ich wollte Dich mit dieser Ausgabe wol keines Wegs beschweren, aber Du hast mich Güte voll mit der Idee des Gebens bekannt gemacht. Ein Exemplar des Monologen, wirst Du mir wol baldigst schicken, denn eher als ich es selbst besitze, darf ich der Aulock schon kein Wort davon sagen: und diß kann ich ihr doch ohnmöglich schicken, denn es aussieht: wie ein wahres Moglesse und so viel weiß ich auch, daß meine Schrifft ohnerachtet sie mit einer durch den Erhabenen taillirten Feder geschrieben wird, unleserlich ausgefallen, und also demuthsvoll um Verzeihung wegen der Augenanstrengung bitte, auch ist der Chien im Anmarsch. – – –
Gestern in der 7ten Stunde gieng ich nachdem ich mich ausgespielt und gequitscht hatte denn singen kans mann nicht nennen – gieng ich nach dem Glazhof zu – zwar allein aber ganz mit Dir und in Dich versenkt so wohl im Anschaun der schönen Natur nahe um mich her, als beim Ausruhepunkt den ich getroffen auf einer Anhöhe, wo ich den Pilz und Questenberg – und auch die Waller im Thal übersehen konte – viel viel überschaute da mein Auge, und noch mehr mein Geist – den Monologen hatte ich bei mir und las das Capitel der Prüfungen und nun weist Du mehr und alles was mein ganzes sensorium ergriff – und wie ich Dich die Welt in Dir – und den Menschen außer Dir – verstehe – aber wer kann das mit platten Worten deutlich machen. Heute vor 8 Tagen auf dem Glazhof las mir Er der Einzige draus vor – mein nächster Brief wird sich wahrscheinlich wieder damit anfangen – weit leichter trente ich mich heute von diesem Blatt wenn ich wüste daß es übermorgen zu Dir käme – mein Befinden ist erträglich nur greift mich das Schreiben ann. |
Deine schönen ledernen Handschuh hast Du mir wohl als Modele zu den seidnen dagelaßen die ich Dir einmahl striken will – soll ich Dir sie etwa noch nachschiken – das ist götlich!
Sorge für Dich! dies waren Deine letzten dringenden Worte, bey unserm Scheiden, und ich habe es auch im eigentlichsten Verstande gethan, ich habe für mich gesorgt, und andre für mich sorgen laßen: der klarste Beweis davon ist, daß ich mir einen Secretair halte; doch davon noch weiter zuletzt. –
Bey meiner Rückkehr von Dir traf ich Madame Dellevile am offnen Fenster, und [sie] bezeigte mir in herzlichen Worten, ihre wahre Theilnahme an unserm Wiedersehn und Trennung und ihre ganz eigne Freude über Dich, dieser Balsam war mir aus dem Munde dieser trefflichen Frau und zärtlichen Mutter ganz besonders erquickend. In der GemeinStunde welche Dober hielt, wünschte ich Dich als Zuhörer, um diesen Mann auch von der Seite näher kennen zu lernen. Nach geendigter Chor-Comunion bey welcher mich jedesmal seit dem Hinscheiden unsers unvergeßlichen Alten Schauer der Ewigkeit auch bey dem vollkommensten Wohlbefinden ergreiffen, hatte ich noch ein trauliches Viertelstündchen mit meinem Secretair. Ein Dito am 5ten May Vormittags. Gegen Mittag wurde eine besondre Art von Krampf wovon ich Abends am 4ten schon etwas empfunden, immer stärker, und mein Kopf so schwach, daß ich den ganzen übrigen Tag zu Bette liegen mußte. Du weißt daß die alte Surveillante qui palit aussi ihr eigentliches GeburtstagsLiebesMahl gab; diesem konnte ich nun nicht beiwohnen, kein herzliches Wort von dem alten Julchen hören, nichts von der Candate die unsre gute Graff zusammen gesetzt hatte vernehmen, und eben so wenig Abends nach der GemeinStunde dem Musiciren und Jubiliren, (welche Nachfeier in einer Darstellung verschiedner GemeinArien besteht) und welches nicht etwa im gewöhnlichen Chorsaal sondern auf den Gängen, besonders in der Proximität der Pfleger-Stube beginnt, beywohnen – daß ich meiner Kränklichkeit ohnbeschadet deß allen nicht bedurfte, sondern ganz in der Rückerinnerung lebte; die mir noch so lebendig die Gegenwart darstellte, und so wenig Bedürfniße andrer Art übrig ließ, darf ich Dich nicht erst versichern.
Was doch das Zutrauen macht – Du äußertest ein Wort gegen meinen lieben Secretair die Charmante – daß sie sich meiner annehmen möchte – und wie schön hat sie Deinen Wunsch erfüllt! – so wohl durch ihre innige Theilnahme an allen meinen Gefühlen – als die zarte Sorge für meine Gesundheit, die liebliche Pflanze die sie am 5ten May da sie eben ihren freien Nachmittag hatte, mir zukommen ließ[;] ach! es war mir viel werth – die treue Liebe hat noch manches Opfer für mich gebracht deßen unangenehmes sie gewiß leichter vergißt als ich – |
Ein unangenehmes Ereigniß hat Dich gewiß um einige Bedeutende oder erquickende Worte von unsrer guten Aulock gebracht; das heißt: ihr Expreßer an mich mit einigen Bestellungen, begegneten sich mit meinem Briefe an Sie, natürlich hatte ich ihr noch mit platten Worten, unsern Dank für die bei ihr verlebten Stunden gebracht; und ihr die bewußte Inschrifft gesendet; worüber sie vielleicht in einigen Tagen, wenn es ihre schlimmen Augen zulaßen, etwas sagen wird; doch so viel kann ich aus ihrem Briefe anführen: „Einen zwar kurzen aber tief fühlenden Dank nehmen Sie meine Theure! daß Sie mir mit ihrem trefflichen Bruder den 1ten May schenkten, verlaßen Sie sich beide darauf, daß ich diesen heitern Tag nie vergeßen werde.“ Noch eine Nachricht enthielt dieser Brief, nehmlich daß am 4ten May dem kleinen Emiel, Ulrike und Tiene die Kuhpocken eingeimpft sind: man schaudert daß solche fein fühlende Menschen dergleichen thun können; doch vielleicht ist unsre beschränkte Kenntniß daran schuld, daß wir uns durchaus nicht hinein finden können. –
Der heutige Tag zeichnete sich noch durch ein LiebesMahl aus: welchem der AnstaltsVater und unsre Clerisey beiwohnten, welches jährlich einmal zur Aufmunterung der bey der Pension angestelten Schwestern veranstaltet wird. – Dieser Brief ist eigentlich ein Allerley, denn sie haben sich noch nicht recht gelagert alle die Gefühle, die wohl noch wehmüthiger werden dürften, wenn die fröhlichen Scenen, die mir jezt noch so anschaulich sind entschlüpfen, und nur Sehnsucht und schreckliche Leere, die ZwischenZeiten meiner Schulen füllen werden, ich thue indeß alles mögliche um mich durch Lecture aufrecht zu erhalten, und habe deßhalb heute eine ganze Stunde im Jean Paul gelesen, ich habe ihn nicht nur verstanden sondern auch vieles in mich aufgenommen, ich glaube fast Du konntest keine beßre Wahl treffen um mir eine Idée von dem Manne zu geben, von deßen Werken ich schon so viel von der Profeßor Bertram gehört, so manche unterstrichne Stellen, sind es gleichsam mit in meinem Namen, es kann aber wol seyn, daß noch ein eignes Zeichen von mir dazu kommt: Für diese GeistesNahrung sage ich Dir denn hiemit den herzlichsten Dank, und eben so warm ertönt ein andrer für die schönen Blätter, die, wie ich wol begriffen, nicht im Engagement der Charité einverleibt sind. Ich fühle es ganz daß es blos reine Güte von Dir ist, die mir dadurch die Wonne gewährt andern Freude zu machen, denn daß ich sie selber nicht benutzen kann, ist auf der vorigen Seite zu sehn, die soumise aber, wie sie sich selbst nennt: die wegen der bekanten Revolution und Flucht Anno 1795 nun fast in allen Gemeinen Europas Freunde hat – denen Sie bei aller rastlosen Thätigkeit denn doch zuweilen etwas von sich wißen läßt und vorzüglich zu Geburtstagen sie mit Briefen erfreut – hat einige von den kleinen Blättern mit einer niedlichen Poesie nach Christiansfeld geschickt, woher sie neulich die SilhouettenFamielie erhielt, über welche auch Lotte unbekannter Weise viel Freude hatte. – Wo sich jetzt der Berliner [befindet] für den, der Zuname der Erhabene ausfündig worden, wißen wir nicht, wünschen indeßen auch aufm Postwagen sanfte ungestörte Ruh –
Noch ist anzumerken daß ich gestern den 9ten beim Frühstük meiner Stubengeselschaft zum besten gab – den Gruß vom lieben Gott durch Samuel Steiger – Posamentirer in Strehlen[;] gewiß hättest Du dabei ausgerufen „das ist ja göttlich“. –
Saluée le coeur très respectueusement – Schulzen fait le meme a vous!
Am 9ten May Nachmittags in der 4ten Stunde. Wahrscheinlich bist Du jetzt wieder ganz in Deinem gewöhnlichen Wesen; denn das BücherEinpacken wird Dich doch heute nicht beschäftigen, Du wirst doch wohl Leonoren und Jetten mit Deiner Gegenwart erfreut haben, oder geschieht das erst auf den Abend; ich kann nicht leugnen, daß ich mir heute eine gewiße Allgegenwart wünschte; vielleicht hättest Du mir noch in den lezten Stunden etwas darüber sagen können, wenn uns nicht der Chambelan in unsern zwar abgebrochnen Unterredungen, dennoch gehemmt hätte. Ich bin zwar heute nicht allein sondern viel mit andern Leuten, aber ich denke bey allem was ich sehe und höre an Dich, welches auch während der MittagsMahlzeit, die ich bei der Frau von Mittelpeilau eingenommen geschehn ist; sie sagte mir mit herzlicher Theilnahme, daß durch Deinen Besuch, ihres Sohnes Aufenthalt in Gnadenfrey sehr erleichtert und versüßt worden wäre. – Wenn werd ich die ersten Nachrichten von Dir bekommen? und wie sehr verlange ich darnach, mein HülfsMittel in solchen Fällen des Wartens ist nun nicht mehr anwendbar, denn wie könte ich nach solchem Wiedersehn, und mündlicher Mittheilung, mich am Durchlesen der alten Briefe begnügen, da ich nun freilich weit mehr weiß, als mir alle diese Buchstaben sagen könnten, und so vieles von Dir und Deinem innern Wesen in mich aufgenommen – deßen Fäden nur durch neue Mittheilungen unterhalten werden könen – ach wie vieles hätten Wir uns noch sagen könen über manches gewiß recht schönes und liebliches. Wie viel hätten wir uns noch sein können im traulichen Gespräch in der Harmonie die bei aller Verschiedenheit Größe und Plattheit denn doch zwischen unsern Geistern stattfindet – und das alles ist wegen Mangel an Zeit verlohren – ungenoßen geblieben!!! Doch bei dieser wohl sehr gerechten Klage ist es auch Glük daß ich dieses fühle, daß ich es genau weiß daß noch viel Stoff zur Mittheilung und Darstellung vorhanden – Ob Du Deinen lezten Brief Leonoren heute oder erst gelegentlich vielleicht kurz vor Deiner Abreise erst überreichen wirst? bitte laß mich doch darüber etwas wißen und so viel als möglich mache sie mir anschaulich die Scene des Wiedersehns mit diesem holden Geschöpf[;] grüße sie herzlich und sage ihr daß ich zwar schon vorher öfters theilnehmend an ihr peinliches Verhältniß gedacht – aber, wie, anders – jezt[;] Gott ich kan nicht mehr, das Schreiben greift mich gewaltig ann – ich muß das übrige meinem lieben Secretair überlaßen – denn Morgen muß dieser Brief auf die Post – jezt will ich hier auf der Preud’home Stube – ein wenig auf dem Clavier klimpern – Sie ist mit den Kindern spazieren. |
Jetzt ist es 9 Uhr Abends, die Geschöpfe sind zu Bett, und le Chien entfernt, und wir beginnen nun noch dem Herrn Hofprediger einige Aufträge, oder vielmehr Bitten in die Seele hinein zu schieben; der kleine Ring ist ja wol das erste und dringendste, denn er lag mir vorm Jahre schon im Sinn, als ich mir mit der süßen Hoffnung schmeichelte Dich bald hier zu sehn, laß ihn nur ja nicht größer machen als das Maaß, sonst kann ich ihn nicht an den kleinen Finger stecken, und an den andern ist es mir ohngeachtet seines theuren Gehaltes unbehaglich. – Das schwarze Tuch für meine gütige Stellvertreterin, bitte ja nicht kleiner als 2 Ellew Schlesisch – denn sie ist etwas massiv gebaut, das Monument der Dankbarkeit für den Doctor wirst Du wol am wenigsten vergeßen, und den Casparischen Atlaß mit dazu gehörigen Büchern. Denn mit Karten wird es bei uns immer bedrängter, ich wollte Dich mit dieser Ausgabe wol keines Wegs beschweren, aber Du hast mich Güte voll mit der Idee des Gebens bekannt gemacht. Ein Exemplar des Monologen, wirst Du mir wol baldigst schicken, denn eher als ich es selbst besitze, darf ich der Aulock schon kein Wort davon sagen: und diß kann ich ihr doch ohnmöglich schicken, denn es aussieht: wie ein wahres Moglesse und so viel weiß ich auch, daß meine Schrifft ohnerachtet sie mit einer durch den Erhabenen taillirten Feder geschrieben wird, unleserlich ausgefallen, und also demuthsvoll um Verzeihung wegen der Augenanstrengung bitte, auch ist der Chien im Anmarsch. – – –
Gestern in der 7ten Stunde gieng ich nachdem ich mich ausgespielt und gequitscht hatte denn singen kans mann nicht nennen – gieng ich nach dem Glazhof zu – zwar allein aber ganz mit Dir und in Dich versenkt so wohl im Anschaun der schönen Natur nahe um mich her, als beim Ausruhepunkt den ich getroffen auf einer Anhöhe, wo ich den Pilz und Questenberg – und auch die Waller im Thal übersehen konte – viel viel überschaute da mein Auge, und noch mehr mein Geist – den Monologen hatte ich bei mir und las das Capitel der Prüfungen und nun weist Du mehr und alles was mein ganzes sensorium ergriff – und wie ich Dich die Welt in Dir – und den Menschen außer Dir – verstehe – aber wer kann das mit platten Worten deutlich machen. Heute vor 8 Tagen auf dem Glazhof las mir Er der Einzige draus vor – mein nächster Brief wird sich wahrscheinlich wieder damit anfangen – weit leichter trente ich mich heute von diesem Blatt wenn ich wüste daß es übermorgen zu Dir käme – mein Befinden ist erträglich nur greift mich das Schreiben ann. |
Deine schönen ledernen Handschuh hast Du mir wohl als Modele zu den seidnen dagelaßen die ich Dir einmahl striken will – soll ich Dir sie etwa noch nachschiken – das ist götlich!