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Lotte Schleiermacher to Friedrich Schleiermacher

Gdfr d 12t May 1802
Mit meiner Freude über den Monologen endigte sich mein erster Brief, und dieser solte sich mit meinen Bemerkungen darüber auch anfangen – statt deßen aber erscheint ein Zug aus meinem jezigen Leben, der aber wie mirs vorkomt eine Folge deßen ist was ich aus dem köstlichen Buch in mich aufgenomen habe –. Am Sontag Mittag ehe ich drinen las speiste ich bei Frau von Mittelpeile und hörte daß der raconteur auf einmahl wegen PächterStreitigkeiten pito geworden – es schien mir aber ganz gegen meine seit der Exulantin Geschichte gefaßten Grundsäze – ungebeten hinzugehn – Heute früh wurde ich durch andre Menschen noch mehr von seinem üblen Zustande unterrichtet – ich faßte wirklich das Herz zur Madame jalouse zu schiken und treuherzig zu fragen ob sie mir am heutgen Bußtag wohl eine Mittagsmahlzeit vergönnen wolte – Sie nahm das ganz herlich auf – kam mir schon auf der Straße entgegen – Er – von der andern Seite des GottesAkers alwo der reveur in der MittagsHize gebüßt freute sich über dis Wagestük – seine Nieçe von Ikskil war auch da – la jalouse hatte noch ihre Schadenfreude über die NachtScene vor dem SchwesternHaus – die ich ihr gerne erlaubte denn es war ja was götliches für telle femme – Pito fragte manches und ich sprach und antwortete mehr als | gewöhnlich – über Deine Bekantschaft ist er sehr vergnügt und unser Beisamensein – kam ihm sehr traulich vor er meinte er könte sichs recht ausmahlen – kurz – als Madame und beide Louisen die älteste Tochter war nicht da – sich hinauf begaben – dankte er mir mit dem Zusaz ich hätte in einer Stunde viel gethan – er wiederholte dann was er fast in jeder solchen Periode hinwirft „er wünschte mich ganz im Hause zu haben“ ich raubte sie ihm nicht ganz diese ihm so lieblich scheinende Idée – zumahl, da er so klug war, sie nicht gleich ausführen zu wollen – sie mag ihm dann – wenn er sie gerne hat – in trüben Stunden der Unverdaulichkeit als ein heller Stern oder Comet in der Ferne scheinen und erquiken – noch ist en question meines Magens anzumerken – daß ich seit Deiner Abreise imer nichts als Suppe ButterBrodt und Wurst und einigemahl aus dem Gemeinlogis Kohl gegeßen – und heute auch bey Pito’s Diner köstlichen dito fand; gegen 3 wolte mann auf den Glazhof gehen wozu ich keine Lust fühlte glüklicher Weise kamm die älteste Tochter des Baron Seidliz und ich war nun auf alle Weise zu entbehren – habe seitdem solo auf der Preud’homme Stube gespielt – unter andern den Vers: „Jeden Nachklang fühlt mein Herz – hell und trüber Zeit“ – |
Das erste was mir so eben recht viel Freude macht und immer wieder Bezug auf Dich hat – war als ich jezt der Preud’homme melden wolte daß ich zum Tracasseur zu Tische gehe (ich soll nehmlich bei ihr den Caffé verzehren) – mir Alle ihre Kinder einen recht herzlichen Dank entgegenriefen – im ersten Augenblik fiel mirs nicht ein – ich habe nehmlich der Soumise zu denen französischen Versen die am 18ten dieses der respectable als GeburtstagsWunsch überreicht werden – ein solches großes Blatt gegeben welches wohl la fille du Pitoyable ins reine abgeschrieben hat nim ihn Dir also den Dank dieser kleinen Stubengeselschaft der Dir noch lieblicher sein müste wenn Du überhaupt mehr Bekantschaft in und mit der Anstalt gemacht hättest – ach wie manches wäre noch nachzuholen!
den 16ten May Wir haben jezt viele Regentage also keine einsamen Wanderungen mit dem Monologen – dagegen manches trauliche Gespräch mit der Soumise – Vorgestern verlebte ich mit ihr und ihrer Freundin Rebeln[,] die oben in der Schlegeln Stube[,] einen recht angenehmen Abend – die Soumise las vor im Knige über Umgang mit Menschen, ein Buch was ich zwar schon in meinen jüngern Jahren gelesen, aber recht gern wieder beherzige – ich weiß nicht ob Du es kenst und was Du davon hältst – genug wir waren | recht vergnügt – und um Dir unser Beisammensein recht anschaulich zu machen wird mein lieber Secretair ein kleines Protocoll davon aufsezen – ich gehe jezt zu Tracasseur seiner liebenswürdigen Frau und dem alten ehrlichen Gerüste
den 17ten Viel viel habe ich Dir zu sagen mein Lieber – und doch wolte ich gern nicht viel mehr sprechen ehe ich etwas von Dir lese denn sonst werden die Episteln zu stark – denn an Lenoren oder mit ihr habe ich schon so viel geplaudert daß ich bereits am 2ten Bogen schreibe – und ich habe noch so vieles von dem meinem und Deinem in mir – und so manches was nur für Sie gehöret daß ich alle Tage etwas anders auf das Papier mahlen könte ach aber mit welchen platten Worten gegen das was ich eigentlich empfinde.
Etwas noch wegen Pangel dieses liebe Örtchen ist wie bekant doch nur 1 Meile von hier – aber nach der Krümmung oder sejour meiner Briefe in Nimptsch ist es weiter als Berlin – denn der meinige ist lezt 8 Tage herumgeirrt so gut ich es auch anzustellen glaubte daß er bald in ihre Hände komt – hier hast Du ihre eignen Worte nehmlich inwendig in dem Zettel am 14ten stand: „Ich melde Ihnen blos meine Theure daß ich seit Ihrem Hiersein noch nichts von Ihnen gehört welches ich doch so sehr gewünscht hätte.“ Auf der auswendigen Seite stand folgendes[:] In dem Augenblik da ich dieses absende erhalte ich den Ihrigen vom 7ten, wo mag er so lange herumgewandert sein – nehmen Sie den wärmsten Dank dafür, wie viel hätte ich mit ihm verlohren. |
Den 19ten May Da wahrscheinlich mein lieber Hofprediger die ersten Tage nach einer von mir und Andern höchst erwünschten glüklichen retour nicht bald schreiben konte – so ist mirs freilich eben so lieb, daß mann erst meinen Brief abgewartet hat – nun aber harre ich fast ungeduldig dem nächsten Sonnabend entgegen der mir nicht nur gewiß sondern allerdings einen Brief bringen wird – zwar mache ich mich auch auf diese Täuschung gefaßt wie das so meine Art ist mit mir umzugehen – denn die lieblichste Erfüllung auch des billigsten gerechtesten Wunsches als eine Vermehrung und Erhöhung meiner Freuden anzusehn – ist doch beßer als so sichre Rechnung auf solche Beiträge meiner Glükseeligkeit zu machen – daß diese gleich scheitert wenn ein Schiflein scheitert oder lek wird – doch daß Du das alles nicht so weißt ist dennoch gut – – Nach unsrer erneuerten Bekantschaft glaube ich fast ahnden zu dürfen daß Du (wenn nehmlich Deine Abreise noch den lezten dieses vor sich geht) es genau berechnet hast wann Dein Brief hier sein muß – damit der meinige Dich noch in Berlin antrift denn daß eine longue lettre pour Lenore ihn begleitet hast Du natürlich ganz recht vorausgesezt – und diesen wirst Du, der platten Worte ohnbeschadet Dir doch nicht entgehen laßen – denn meine Episteln werden doch nicht so viel Gehalt haben daß man sie nachschikt – diese lecture wird wohl bis zur endlichen Einigung warten könen – bekome ich aber nichts vor dem 25ten so wandert la Lettre longue chès Henriette |
den 21ten May Heute vor 4 Wochen früh gegen 8 uhr war es – als mich Deine Ankunft oder Erscheinung bei allem dem Erwarten doch überraschte weil ich mich gar nicht in die veränderten Gesichtszüge und in so manches finden konte was sich mir erst wenn ich Dich auch mit Andern sahe – entwikelte – Gott! wie lange scheinen mir diese 4 Wochen! Warum? weil Wiedersehn und Trenung zwischen ihnen liegt – und Begebenheiten die sich mit mir sonst so selten ereignen d h allerley Besuche zu Fuße und Wagen – was aber mehr als dieses alles das ist die Leere, die Bangigkeit die Sehnsucht nach Dir, denn sie ist wieder in dem Grade rege – wie vorm Jahre um die Zeit – nur daß ich damals nicht so viel von der Leere ahnden konte die nach einem solchen Wiedersehn in mir sein würde – das geht oft so weit daß ich zuweilen ganz laut im Feld und Zimer ausrufe – hätte ich ihn nur eine Stunde hier! hörte ich nur wieder die angenehme Sprache – die Töne – die meinem inersten sensorium so süß so wohlthuend ach! ich habe keine Worte dazu – und Du hast keine Idée von dem allem – nur einen kleinen Begrif kanst Du Dir davon machen – – So wie Donamar nach dem Auszuge vorm Jahre – und nach mancher Scene
Das aber wirst Du vielleicht ganz faßen wie unangenehm mir Charles Schweigen sein muß – denn seit jenen Zeilen die Du gesehen – habe ich nichts von ihm weder Brief noch Bücher und doch hast Du Ihn zu beiden aufgemuntert |
den 28ten May Arm und reich bin ich diese Woche geworden mein Lieber! und nun noch einige Worte davon zu Dir ob es gleich schon in der 10ten Stunde Abends. Vorgestern als ich eben von einer Spazierfahrt zurükkam welche die respectable veranstaltet hatte – und zwar nach Peterwiz wo lotte la faible badet – fand ich Deinen so sehnlich gewünschten Brief nebst Paquet – und habe ihn gewiß den Abend noch 3 mahl durchgelesen – und seit dem wie, oft, aber ach welch unbeschreibliche Sehnsucht ist durch diesen Brief nach einem sehen und sprechen mit Dir entstanden[;] heute ist Freytag! So hieß der Tag der uns vor 5 Wochen zusamen brachte – und deswegen wohl gewiß ganz unwilkührlich noch lange von mir gefeiert werden [wird] – so wie der köstliche Abend vor 4 Wochen den wir nach vielen gemachten Besuchen statt in die GemeinStunde auf den Glazhof wanderten – wo wir so traulich waren – viel von Lenoren sprachen – hoffentlich ist Dir das alles auch in eben dem Augenblik erinerlich wenn Du auch den Tag vergeßen[;] nun gestehst Du doch daß ich arm bin – wenn auch alles um mich her denkt und spricht – nun ist doch die BriefeSucht gestilt: und staunt ob des großen Paquets das den Brief begleitet – es ist mir auch herzlich lieb und dankenswerth dies und das noch kommende – so wohl das meine als was Du mir für Andre gibst – aber des guten Doctors erwähnst Du nicht – oder hast Du eine andre Idée deswegen gefaßt? auf den Ring freue ich mich – und Wie. Morgen will ich Dir sagen wie ich noch auf gar andre Art arm geworden – wenn Du es nicht schon vor diesem erfährst – denn ich werde wohl noch Deinen lezten Brief aus Berlin abwarten [;] gute Nacht – vielleicht schreibst Du noch lange Du Lieber! |
den 31ten May Nun noch die Erläuterung über arm und reich – daß ich beides durch Deinen Brief und Paquet geworden bin ist Dir nun klar und arm bin ich geworden Tages vor dem Empfang Deines Briefes durch die Nachricht von Charles daß er auf Johany nach Ratibor zum Apotheker Winkler zieht und mir zugleich andeutet daß unser Briefwechsel nun noch sparsamer werden wird – viel verliehre ich denn ach er war schon sehr kurz der Nähe und Gelegenheiten ohnbeschadet die alle Woche giengen und kamen – und nun geht die von Dir getrofne gemachte Anstalt wegen der Bücher auch ganz verlohren – ist das nicht traurig – und für Dich gewiß recht theilnehmend da Du mein ganzes Wesen die Fische die mich zum Theil umgeben gesehen – die heilsamen Bereicherungen der Quelle aus der ich mittheilen soll – und die eben so nötigen Zerstreuungen und Erhellungen meines Innern wohl unstreitig für sehr dienlich gefunden hast – so wirst Du den manichfaltigen Sinn der Armuth in welche ich nun aufs neue gerathen bin ganz faßen – den von Dir gemachten Zettel will ich mir zurükfordern – und hier Petri oder Exner bitten mir bei jeder Bücherverschreibung die alle 14 Tage geschieht mir etwas mitbringen zu laßen |
den 4ten Juny Dem morgenden Tage harre ich abermals mit Sehnsucht entgegen weil er mir einen Brief aus Berlin bringen muß – oder ich bekomme keinen mehr – ach gar zu unbestimt haben wir gesprochen über Deine Abreise – seit Sontag denke ich mir Dich unterwegens – und wenn ich nicht irre hältst Du übermorgen Deine AntritsPredigt in Stolpe – Gott gebe daß ich morgen nicht getäuscht werde denn ich ertrag es nicht – viel sehr viel habe ich Dir zu erzählen – muß aber erst die morgende Post abwarten bringt sie nichts – dann geht dieser Brief ab – hoffentlich wird er Dich treffen – und die Epistel an Lenoren geht zu Jetten ach schwer wird mirs mich von diesen Ergießungen meines Innern mich zu trennen – so lange diese Blätter hier, und ich sie imer wieder lese sind mir meine Lieben nahe sehr nahe – ich hoffe Du verstehst das gute Nacht! – –
den 6ten Juny. Es ist 11 uhr Vormittag soltest Du mit Deiner Predigt fertig sein? Dober war um halb fertig – und dann gieng ich in den kleinen Saal der sehr angefüllt war – der gute wie Du sagst ängstliche Schneider taufte sein eignes Töchterchen Cornelie Mathilde – daß mir solche Auftritte imer sehr rührend ist wohl zu denken – aber Dir wird es ganz besonders faßlich sein – daß mir dismahl ganz eigen dabei zu Muthe war – – die Delville mit der ich bis jezt noch nicht sprechen konte – sahe mich besonders durchdringend ann Die Pathen waren Dober Honig – die liebenswürdige Baronin Seidliz – des Doctors Frau und seine Schwägern
Der Brief an die Fürstin ist am 14ten May abgegangen Donamar hat noch nicht geschrieben – also moi non plus |
Leider muß ich mich hinein finden abermals keine Briefe zu haben, dieser geht daher übermorgen nach Nimptsch – hoffentlich aber hast Du doch Jetten noch einige Zeilen an mich gelaßen die mit dem andern Theil des Gaspari und dem Kleinod erfolgen wird – mein ganzer geographischer Unterricht wird also durch Deine Güte ein ganz andres Wesen bekommen – sage Dir es selbst wie viel ich und die Zöglinge Dir zu danken haben – auch Dober war hoch erfreut, die 4 Lehrerinnen und ich waren gestern 2 Stunden bei ihm – die respectable die mir freilich nicht contraire schloß sich von selbst aus – und nun war die ganze Unterhaltung ganz vorzüglich offen luftig – und zwekmäßiger als sonst – künftig mehr von diesen und manchen andern jezt geh ich zum tracasseur zu Tische.
Jezt ist es bald 6 uhr ich habe mich diesen Nachmittag viel mit den Kindern gehabt die ganz allerliebst waren – es ist doch sehr Schade daß Du sie nicht gesehen hast – und das ganze Wesen mit Alt und jung Dir nicht anschaulicher geworden – auch der Tracasseur der jedesmahl sehr herzlich von Dir spricht – hat es heute noch nebst seiner liebenswürdigen Frau und auch das alte Gerüste – von Herzen bedauert daß mann Dich nur so kurz gesehen hat – die Weiber waren recht entzükt!!! – – |
Aus Deinem lieben Briefe habe ich ersehen daß anstatt des solo Stündgens was ich mir am 11ten May dachte die Pakerey war – und so viel ich ahnde – Grunow mit Lenore bei Dir war – Gott, wie wunderbar! | Deine Erklärung mit Grunow hätte ich gerne mit angehört – aus meiner Epistel die nun freilich zu Ende dieser Woche zur Herz geht – wird die gute Lenore wohl ersehen – wie ich sie nicht | nur um Deinetwillen liebe – sondern nur Dir danke daß Du uns zusammen geführt – verstanden? Die von Aulok erwarte ich noch – |
à l’Ami des Hommes
Gnadenfrey am 13ten May 1802.
Raebeln. Liebe Lotte, drey Thassen stehn hier, und eine Kanne mit Thee ich weiß zwar nicht, ob Du auch Spinat mit gesezten Eyern heut Abend zur Mahlzeit hattest, Lisette hat dergleichen genoßen, und deßhalb keinen Zugenuß beim Thee anschaffen laßen. –
Lotte. Bin eben nicht sehr hungrig
Lisette. Dacht ichs doch Schleyer – (zur Raebeln) eingeschenkt!
Räbeln. (indem sie die Zuckerdose herreicht:) erst diesen zerklopft.
Lisette. Ein ZuckerMeßer
Räbeln Hier einen tapfern Schlüßel zum pochen.
Lisette Hilft mir nichts ohne Meßer
Räbeln Hab Dir erst vor 3 Tagen eins geschenkt
Lisette Ist in der Beckerey geblieben
Räbeln Nun ja Schleyer – so sind meine Wohlthaten in Ehren bei Lisette
reicht ganz kläglich ihr Meßer.
Lisette Hab Dank, (wird geklopft) –
Räbeln Rafft vom geklopften den feinsten.
Lisette Nicht so, dieser muß noch aufbewahrt bleiben
wirft vom gröbern in die Thassen.
Räbeln: So lese doch.
Lisette Eingeschenkt! – muß doch erst an Schleyer sagen was sie anzuhören sich bereithalten soll.
Lotte. Wahrscheinlich einen Abschnitt aus Knigge &c.
(NB. Pito hat ihn so viel ich weiß Dir zur ernsthaften Lectüre bestimmt.)
Lisette Getroffen, und was meinst Du wol welchen Abschnitt, ich eben zufälliger Weise aufgeschlagen?
Lotte. Sag an?
Lisette Ueber den Umgang mit Geistlichen.
Jetzt begann man den Thee zu genießen, während deßen manche Anmerkungen vor sich gingen. Auch lasen wir noch das Kapitel Ueber den Umgang mit Gelehrten.
Nachdem alles dis durchgelesen – hoffe ich schreibst Du bald Deiner
einsamen Lotte |
den 7ten Juny Eigentlich solte dieses Blatt noch von fremder von der vorigen Hand nehmlich beschrieben werden – allein Vorbereitungen zu einer kleinen Reise die heut um 4 uhr schon begonnen hat – verhinderte den schönen Vorsaz auszuführen.
Du wirst Dich erinnern daß die 1ten Tage Deines Besuchs, Heithausens unsre Nachbarn waren wo auch der Kamerherr sowohl als Preud’homme sich zuweilen aufhielten – – Diese eine alte Jugendfreundin der jezigen von Heithausen hat auch vor seinen Augen Gnade gefunden – deshalb sie dazu ausersehen wurde mit den Kindern einen Besuch dort zu machen – weil der Vater seinen GeburtsTag und auch beide Eltern der jungen Frau den ihrigen haben – da sollen nun alle 5 Kinder dabey sein – daß es viele Debatten hin und her gab – positiv und decisive Sentenzen – und am Ende doch der kleine Chef der es einmahl versprochen den Sieg behielt – und die Soumise nach | manchen trüben Stunden und sonderbaren Preßungen doch zulezt noch gar freundlich behandelt wurde – kann ich Dir melden. Einer ihrer dringenden Seufzer während dieser Abwesenheit von 8 Tagen wird für meine Gesundheit sein, da ich sowohl jezt in den Feiertagen als hernach in der Zwischenzeit der Schulen ihre Stelle bei den Kindern so oft es nötig vertreten werde. Der Beinahme den sie Dir gab ist mit dem Monologen keinesweges in Bezug – denn erst 8 Tage nachher las ich ihr eine Stelle daraus vor – die sie gewiß noch oft hören muß ehe sie’s ganz versteht. Die Augenblike ihr was vorzulesen sind überhaupt sehr selten – sie kam aber einmahl Abends ganz traulich zu mir – es sei ihr plözlich eingefallen l’ami des hommes sei für Dich ganz paßend und Du würdest gewiß diesen schönen Beinahmen welchen man dem Gellert gegeben – auch Dir gefallen laßen – das gute Geschöpf hält viel von Dir – und war gar sehr in Sorgen | wie Du ihr SecretairAmt aufnehmen würdest gab sich viele Mühe so wenig als möglich von dem ihrem hinein zu mischen – da sie nun aber weis wie vergnügt Du darüber bist – so kam er endlich über ihre Lippen der Wunsch etwas schriftliches von Dir zum Andenken zu haben – dieses quadrat ist das Format ihres Stambuchs – wozu sie Dir kein leeres Blatt schikt – aber doch wünscht daß es von der Größe sei, damit es darin aufbewahrt werden könne – ich hoffe keine Fehlbitte zu thun – es wird Dir ja wohl selbst Vergnügen machen – diesem lieben Geschöpf so ganz was andres wie Donamar etwas zu schreiben – ach sie kann die Gegend am Rhein denn sie ist aus Neuwied – noch gar nicht vergeßen – auch ist dort noch ein lebendes Geschöpf was damals bei der Flucht – als Docent, in der KnabenAnstalt – ihre Bekantschaft sehr suchte – von ihm und seinen Gesinungen weis mann seitdem nichts – als daß Er noch in seinem vorigen Amt – Beide sind zu reell als Correspondenzen zu führen die bei Uns gar nicht zwekmäßig – indes – ist es sonderbar gar nichts von jenem zu wißen indes alles dis bewahrt die Soumise vor manchem andern Aufruhr – –
Metadata Concerning Header
  • Date: 12. Mai bis 7. Juni 1802
  • Sender: Lotte Schleiermacher ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Gnadenfrei ·
  • Place of Destination: Stolp · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 5. Briefwechsel 1801‒1802 (Briefe 1005‒1245). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1999, S. 403‒413.

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