Berlin d 19t. Mai.
Dein vorlezter Brief, lieber Freund, ist durch ein Versehen nicht an Leonore gekommen sondern sie hat ihn erst von mir erhalten; indeß hätte sie Dir auch ohne ihn gehabt zu haben gern geschrieben wenn sie hätte dazu kommen können. Deinen lezten Brief nebst den Büchern habe ich durch Braun gestern erhalten. Freilich kommen sie zu spät: denn Bücher und Sachen sind schon seit Acht Tagen auf dem Weg nach Stolpe. Am 9ten bin ich zurükgekommen und gleich am 11ten ging dieses Spektakel des Einpakens los.hwester habe ich es mir sehr wohl sein lassen. Sie hat sich seit den 6 Jahren da ich sie nicht gesehen sehr vollendet; ich wußte das freilich schon aus ihren Briefen aber die Anschauung ist doch noch ein ganz eigner und schönerer Genuß. Die größere Reife befördert allemal auch bei der größten Verschiedenheit der Menschen das gegenseitige Mittheilen und Verstehen, und so haben wir uns auch jezt vollkommener und ungestörter genossen als je. Zu Leonoren hat sie eine herzliche Liebe gefaßt theils aus meinen Erzählungen, theils aus einem Briefe den mir Leonore an sie mitgab und in dem sich ihre ganze Liebenswürdigkeit spiegelt. In Leonorens lange Bedenklichkeit und peinliche Gewissenhaftigkeit versteht sie sich sehr gut, und schäzt sie recht weiblich; aber sie lobt auch den wakern Entschluß, und wendet nichts ein gegen die Trennung einer Ehe, die keine ist, und nie eine gewesen sein sollte. Dich hat sie schon aus meinen Briefen lieb gewonnen und sich unseres schnellen Begegnens herzlich gefreut; ich habe ihr versprechen müssen ihr einige Briefe von Dir zu schiken um ihr eine nähere eigne Anschauung zu gewähren. Ich hatte sie ihr schon mitnehmen wollen, hatte aber keine Zeit gehabt sie herauszusuchen. Wedeke’s aber habe ich mit gehabt, und auch die haben uns manche schöne Stunde gegeben. Vor Jetten kann sie sich einer gewissen Scheu nicht erwehren, so sehr | ich sie ihr auch auszureden gesucht habe. Auch über die Monologen die sie sehr liebt haben wir viel gesprochen. Außer ihr habe ich mich mit meinem Bruder der einige Tage auch dort war, mit manchem alten Bekannten, mit der Erinnerung früher aber sehr entscheidender Jahre, und mit der köstlichen Gegend gar sehr erfreut. Recht in der Fülle des besten und edelsten Genusses habe ich oft Euch Alle die ich liebe zu mir gewünscht. – Seit meiner Rükkunft lebe ich nun hier in der Confusion, meine nächste Umgebung die schreklichste Oede, und die Aussicht auf das, was nun kommen wird wo möglich noch öder! Doch bedaure ich mich nicht so als die gute Eleonore bei Allem was ihr bevorsteht. Auch Dir lege ich sie auf Deine Seele, nimm Dich dann ihrer recht an. Grunow ist jezt von einer mir höchst fatalen Freundlichkeit gegen Leonoren nicht nur, sondern auch gegen mich, grade als bildete er sich ein, nun gewonnenes Spiel zu haben. Zu meiner Freude ist sie unschuldig daran denn sie giebt ihm bei Gelegenheit immer das Gegentheil zu verstehen. Mit Jette geht es mir schlecht; unsere anderweitigen Beschäftigungen durchkreuzen sich immer so fatal daß wir uns wenig sehn, kurz es ist in vieler Hinsicht schon als wäre ich nicht mehr hier. Auch Leonoren kann ich weniga Grunow seine Informationen die ihn zu bestimmten Zeiten außer dem Hause beschäftigten größtentheils aufgegeben hat. – An der Recension des Alarkos arbeite ich jezt, sie soll coute qu’il coute noch von hier abgesendet werden. Ob sie Dir ganz genügen wird weiß ich nicht; vielleicht giebt sie Dir wenigstens einige neue Gesichtspunkte. Ganz rüksichtlos soll mein Urtheil gewiß sein da ja hier der Fall nicht ist daß gegen das Werk öffentlich schon so heftig geschrien worden ist. Er wird Dich übrigens gewiß | noch immer mehr in Bewegung sezen, je mehr Du ihn liesest. Die gleichen EndVokalen sind keine Erfindung von Schlegel sondern in der spanischen Poesie ganz einheimisch, und auch bei uns nun schon unter dem Namen der Assonanz bekannt. Ich möchte zwar nicht behaupten, daß der Charakteristik der Personen dadurch zu Hülfe gekommen wird; aber einen Effekt macht sie gewiß auch bei denen, die sie nicht bemerken, und sich also des Grundes nicht bewußt sind, er beruht theils auf dem Charakter der Vokale (was besonders vom U und O, von den andern im Deutschen wol nur negativ gilt Siehe die fünfte Scene) theils auf der Nothwendigkeit wichtige und betonte Worte ans Ende des Verses zu bringen. Schlegels eigne metrische Erfindungen im Alarkos sind gewiß nicht das beste. Die von Dir bezeichnete Stelle aus bittern Wunden eine Dornenkrone hat freilich das Ansehn des Incorrecten aber sie ließe sich auch wohl noch vertheidigen. Am Ende ist es doch nur eine Zusammenschmelzung verschiedner Metaphern, und das kommt in der höheren Poesie bei Alten und Neuen nicht selten vor. – Der Ion von A. W. Schlegel ist nun hier auch aufgeführt worden und hat doch, wie es scheint, Eindruk gemacht; einige TheaterEffekte haben die schöne Sprache und den edlen Stil des Ganzen sehr gut unterstüzt. Goethe läßt in Weimar jezt den Alarkos einstudiren, der ihn wie er schreibt in seiner Gedrängtheit sehr afficirt hat.
Deine Maria Stuart war schon da ehe der Brief kam in welchem Du von der zweiten Auflage schreibst wahrscheinlich ist doch auch in dieser Auflage nichts | geändert. Die beschriebenen Blätter habe ich erst vor ein Paar Tagen bekommen und sie sind noch beim Buchbinder. Du mußt mir das nicht zuschreiben, die Bücher mußten sehr oft erst von Leipzig verschrieben werden und das dauert manchmal, besonders in der Nähe der Messe lange genug. Hat es so lange Zeit, so werde ich Dir Alles durch Braun schiken. Ich hoffe Du schreibst mir noch einmal hieher; aber nicht mit der Post welche den 30ten ankommt, denn da möchte ich, wie Du aus Erfahrung weißt, den Brief erst Montag Mittag bekommen wenn ich auf dem Postwagen bin. Auch ich schreibe Dir noch einmal einige Zeilen zum Abschiede aus Berlin. Mit Wolfs Gläsern, seiner Probe nemlich ist ein Unglük passirt, sie sind beim Ausziehn verloren gegangen ehe der Mechanikus sie hat machen können, ich habe das erst nach meiner Rükkunft erfahren. Er denkt aber sie auch ohne Probe recht zu machen; meint Wolf das nicht, so mag er mit umgehender Post noch eine schiken. Grüße ihn herzlich. Dein
S
Dein vorlezter Brief, lieber Freund, ist durch ein Versehen nicht an Leonore gekommen sondern sie hat ihn erst von mir erhalten; indeß hätte sie Dir auch ohne ihn gehabt zu haben gern geschrieben wenn sie hätte dazu kommen können. Deinen lezten Brief nebst den Büchern habe ich durch Braun gestern erhalten. Freilich kommen sie zu spät: denn Bücher und Sachen sind schon seit Acht Tagen auf dem Weg nach Stolpe. Am 9ten bin ich zurükgekommen und gleich am 11ten ging dieses Spektakel des Einpakens los.hwester habe ich es mir sehr wohl sein lassen. Sie hat sich seit den 6 Jahren da ich sie nicht gesehen sehr vollendet; ich wußte das freilich schon aus ihren Briefen aber die Anschauung ist doch noch ein ganz eigner und schönerer Genuß. Die größere Reife befördert allemal auch bei der größten Verschiedenheit der Menschen das gegenseitige Mittheilen und Verstehen, und so haben wir uns auch jezt vollkommener und ungestörter genossen als je. Zu Leonoren hat sie eine herzliche Liebe gefaßt theils aus meinen Erzählungen, theils aus einem Briefe den mir Leonore an sie mitgab und in dem sich ihre ganze Liebenswürdigkeit spiegelt. In Leonorens lange Bedenklichkeit und peinliche Gewissenhaftigkeit versteht sie sich sehr gut, und schäzt sie recht weiblich; aber sie lobt auch den wakern Entschluß, und wendet nichts ein gegen die Trennung einer Ehe, die keine ist, und nie eine gewesen sein sollte. Dich hat sie schon aus meinen Briefen lieb gewonnen und sich unseres schnellen Begegnens herzlich gefreut; ich habe ihr versprechen müssen ihr einige Briefe von Dir zu schiken um ihr eine nähere eigne Anschauung zu gewähren. Ich hatte sie ihr schon mitnehmen wollen, hatte aber keine Zeit gehabt sie herauszusuchen. Wedeke’s aber habe ich mit gehabt, und auch die haben uns manche schöne Stunde gegeben. Vor Jetten kann sie sich einer gewissen Scheu nicht erwehren, so sehr | ich sie ihr auch auszureden gesucht habe. Auch über die Monologen die sie sehr liebt haben wir viel gesprochen. Außer ihr habe ich mich mit meinem Bruder der einige Tage auch dort war, mit manchem alten Bekannten, mit der Erinnerung früher aber sehr entscheidender Jahre, und mit der köstlichen Gegend gar sehr erfreut. Recht in der Fülle des besten und edelsten Genusses habe ich oft Euch Alle die ich liebe zu mir gewünscht. – Seit meiner Rükkunft lebe ich nun hier in der Confusion, meine nächste Umgebung die schreklichste Oede, und die Aussicht auf das, was nun kommen wird wo möglich noch öder! Doch bedaure ich mich nicht so als die gute Eleonore bei Allem was ihr bevorsteht. Auch Dir lege ich sie auf Deine Seele, nimm Dich dann ihrer recht an. Grunow ist jezt von einer mir höchst fatalen Freundlichkeit gegen Leonoren nicht nur, sondern auch gegen mich, grade als bildete er sich ein, nun gewonnenes Spiel zu haben. Zu meiner Freude ist sie unschuldig daran denn sie giebt ihm bei Gelegenheit immer das Gegentheil zu verstehen. Mit Jette geht es mir schlecht; unsere anderweitigen Beschäftigungen durchkreuzen sich immer so fatal daß wir uns wenig sehn, kurz es ist in vieler Hinsicht schon als wäre ich nicht mehr hier. Auch Leonoren kann ich weniga Grunow seine Informationen die ihn zu bestimmten Zeiten außer dem Hause beschäftigten größtentheils aufgegeben hat. – An der Recension des Alarkos arbeite ich jezt, sie soll coute qu’il coute noch von hier abgesendet werden. Ob sie Dir ganz genügen wird weiß ich nicht; vielleicht giebt sie Dir wenigstens einige neue Gesichtspunkte. Ganz rüksichtlos soll mein Urtheil gewiß sein da ja hier der Fall nicht ist daß gegen das Werk öffentlich schon so heftig geschrien worden ist. Er wird Dich übrigens gewiß | noch immer mehr in Bewegung sezen, je mehr Du ihn liesest. Die gleichen EndVokalen sind keine Erfindung von Schlegel sondern in der spanischen Poesie ganz einheimisch, und auch bei uns nun schon unter dem Namen der Assonanz bekannt. Ich möchte zwar nicht behaupten, daß der Charakteristik der Personen dadurch zu Hülfe gekommen wird; aber einen Effekt macht sie gewiß auch bei denen, die sie nicht bemerken, und sich also des Grundes nicht bewußt sind, er beruht theils auf dem Charakter der Vokale (was besonders vom U und O, von den andern im Deutschen wol nur negativ gilt Siehe die fünfte Scene) theils auf der Nothwendigkeit wichtige und betonte Worte ans Ende des Verses zu bringen. Schlegels eigne metrische Erfindungen im Alarkos sind gewiß nicht das beste. Die von Dir bezeichnete Stelle aus bittern Wunden eine Dornenkrone hat freilich das Ansehn des Incorrecten aber sie ließe sich auch wohl noch vertheidigen. Am Ende ist es doch nur eine Zusammenschmelzung verschiedner Metaphern, und das kommt in der höheren Poesie bei Alten und Neuen nicht selten vor. – Der Ion von A. W. Schlegel ist nun hier auch aufgeführt worden und hat doch, wie es scheint, Eindruk gemacht; einige TheaterEffekte haben die schöne Sprache und den edlen Stil des Ganzen sehr gut unterstüzt. Goethe läßt in Weimar jezt den Alarkos einstudiren, der ihn wie er schreibt in seiner Gedrängtheit sehr afficirt hat.
Deine Maria Stuart war schon da ehe der Brief kam in welchem Du von der zweiten Auflage schreibst wahrscheinlich ist doch auch in dieser Auflage nichts | geändert. Die beschriebenen Blätter habe ich erst vor ein Paar Tagen bekommen und sie sind noch beim Buchbinder. Du mußt mir das nicht zuschreiben, die Bücher mußten sehr oft erst von Leipzig verschrieben werden und das dauert manchmal, besonders in der Nähe der Messe lange genug. Hat es so lange Zeit, so werde ich Dir Alles durch Braun schiken. Ich hoffe Du schreibst mir noch einmal hieher; aber nicht mit der Post welche den 30ten ankommt, denn da möchte ich, wie Du aus Erfahrung weißt, den Brief erst Montag Mittag bekommen wenn ich auf dem Postwagen bin. Auch ich schreibe Dir noch einmal einige Zeilen zum Abschiede aus Berlin. Mit Wolfs Gläsern, seiner Probe nemlich ist ein Unglük passirt, sie sind beim Ausziehn verloren gegangen ehe der Mechanikus sie hat machen können, ich habe das erst nach meiner Rükkunft erfahren. Er denkt aber sie auch ohne Probe recht zu machen; meint Wolf das nicht, so mag er mit umgehender Post noch eine schiken. Grüße ihn herzlich. Dein
S