Berlin, den 27sten Mai 1802.
Der gestrige Tag ist mir noch recht merkwürdig geworden durch einen Abendbesuch bei Reimer. Eine herzliche Anhänglichkeit hatte ich schon lange bei ihm mit Freuden bemerkt; auch ich liebte seinen schönen reinen Sinn. Gestern machte sich ein Moment, ähnlich dem mit Willich, in der schnellen Wirkung, aber ohne alle äußre Vermittlung, indem wir gleichsam Besiz von einander genommen haben, zu inniger, herzlicher Freundschaft. Verlange nur nicht, daß ich Dir jezt so etwas beschreibe, ich bin viel zu überfüllt und zerstreut; Dein eignes Gefühl muß ganz nachhelfen. Ich sprach mit ihm über meine Freude an seiner Frau, mit großer Offenheit zeigte er mir recht kindlich fromme, liebevolle Briefe von ihr, worin ich ihr ganzes Leben und ihr Verhältniß zueinander recht lebendig anschauen konnte. Ich drückte ihm die Hand, und nach einer kleinen Pause sagte ich ihm: „Wenn mein Leben erst klar und vollständig dasteht, sollst Du es auch so rein anschauen.“ Er schloß mich in seine Arme mit den Worten: „Nichts fremdes sei mehr zwischen uns.“ – So war es und so wird es nun auch bleiben. – Wir sprachen hernach noch viel darüber, wie die Freundschaft sich macht, und wie man den rechten Moment erwarten muß. [...]
Heute habe ich hier in der Charité meine Abschiedspredigt gehalten. – Ich hatte ein ziemlich ansehnliches Auditorium, denn außer dem Minister waren 6 Geistliche und mehrere Candidaten in der Kirche. Nach der Kirche ging ich zu Fuß zu Spalding’s nach Friedrichsfelde, eine tüchtige Meile weit, wo sie ein schönes Landgut haben. Eichmann’s fand ich schon dort. Wir waren bis den Abend recht vergnügt, von Spalding’s nahm ich einen kurzen Abschied ohne Worte, herzlicher Liebe sind wir gegenseitig versichert, und sie hoffen, mehr als ich, mich in wenigen Jahren als Hofprediger hier zu sehen. Auch von Heindorf nahm ich Abschied. Den Abend bis Mitternacht habe ich bei Brinkmann zugebracht. – Zu Hause fand ich dann noch einen Brief von Willich und einen von einem Prediger Schwarz aus dem Hessischen, einem sehr braven Manne, der mich zuerst durch die Monologen lieb gewonnen hat und mit dem ich in einem fleißigen Briefwechsel stehe. – Dann habe ich noch dieses geschrieben und nun will ich mich noch auf ein paar Stunden zu Bette legen. Gute Nacht!
Der gestrige Tag ist mir noch recht merkwürdig geworden durch einen Abendbesuch bei Reimer. Eine herzliche Anhänglichkeit hatte ich schon lange bei ihm mit Freuden bemerkt; auch ich liebte seinen schönen reinen Sinn. Gestern machte sich ein Moment, ähnlich dem mit Willich, in der schnellen Wirkung, aber ohne alle äußre Vermittlung, indem wir gleichsam Besiz von einander genommen haben, zu inniger, herzlicher Freundschaft. Verlange nur nicht, daß ich Dir jezt so etwas beschreibe, ich bin viel zu überfüllt und zerstreut; Dein eignes Gefühl muß ganz nachhelfen. Ich sprach mit ihm über meine Freude an seiner Frau, mit großer Offenheit zeigte er mir recht kindlich fromme, liebevolle Briefe von ihr, worin ich ihr ganzes Leben und ihr Verhältniß zueinander recht lebendig anschauen konnte. Ich drückte ihm die Hand, und nach einer kleinen Pause sagte ich ihm: „Wenn mein Leben erst klar und vollständig dasteht, sollst Du es auch so rein anschauen.“ Er schloß mich in seine Arme mit den Worten: „Nichts fremdes sei mehr zwischen uns.“ – So war es und so wird es nun auch bleiben. – Wir sprachen hernach noch viel darüber, wie die Freundschaft sich macht, und wie man den rechten Moment erwarten muß. [...]
Heute habe ich hier in der Charité meine Abschiedspredigt gehalten. – Ich hatte ein ziemlich ansehnliches Auditorium, denn außer dem Minister waren 6 Geistliche und mehrere Candidaten in der Kirche. Nach der Kirche ging ich zu Fuß zu Spalding’s nach Friedrichsfelde, eine tüchtige Meile weit, wo sie ein schönes Landgut haben. Eichmann’s fand ich schon dort. Wir waren bis den Abend recht vergnügt, von Spalding’s nahm ich einen kurzen Abschied ohne Worte, herzlicher Liebe sind wir gegenseitig versichert, und sie hoffen, mehr als ich, mich in wenigen Jahren als Hofprediger hier zu sehen. Auch von Heindorf nahm ich Abschied. Den Abend bis Mitternacht habe ich bei Brinkmann zugebracht. – Zu Hause fand ich dann noch einen Brief von Willich und einen von einem Prediger Schwarz aus dem Hessischen, einem sehr braven Manne, der mich zuerst durch die Monologen lieb gewonnen hat und mit dem ich in einem fleißigen Briefwechsel stehe. – Dann habe ich noch dieses geschrieben und nun will ich mich noch auf ein paar Stunden zu Bette legen. Gute Nacht!