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Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

Berlin, den 17ten Februar 1798.
Hier sind wieder nur Fragmente statt des Meisters, von dem ich erst heute über acht Tage zwey Drittel oder doch die Hälfte schicken kann. Die Griechische Poesie lastet wenigstens eben so schwer auf mir, als der Hamlet auf Dir.
Mit unglaublichem Verlangen sehe ich der Klopstockiade entgegen. Wenn sie ist wie ich hoffe und glaube, kann sie <gar> nicht zu lang werden. –
Diese Fragmente werden wohl immer wieder eher zu schwer als zu leicht seyn. Uebrigens lieber Freund ist das nun ein unaufhaltsamer Strom, da die Schleusen einmahl aufgezogen. Theils deswegen, theils weil es doch gut ist, wenn Vieweg bey seiner Rückkunft auch vom IIten Stück ein 4 Bogen gedruckt findet, und meine Sehnsucht nach dem Anfange des Druckes unglaublich groß ist, werde ich sobald meine Fragm.[ente] zurückkommen, sie mit Deinen vermischen und als <Nr. I des 2ten Stücks> drucken lassen, wie Du es anfänglich immer haben wolltest, daß die Fragm.[ente] in beyde Stücke vertheilt werden sollten. Dein Klopstock muß nun ins erste Stück kommen. Auch fände ichs nicht gut, wenn ich im ersten Stück so sehr präponderiren sollte, wie es nach Carolines Project der Fall seyn würde. In dem 2ten Stück laß ich Dir höchstens zu 2–2½ Bogen litter.[arische] Spatziergänge Raum. Mit dem Shak.[espear] das scheint mir platt unmöglich. Denkst Du auch was wir noch alles zu thun haben? – Eben so mit den philosophischen Ansichten, ohngeachtet dessen, was ich einmahl von einem Nothfalle schrieb <und ohne Windbeuteley: Stoff habe ich satt und genug dazu.> Denn ich möchte hier recht ernstlich und würdig beginnen und so glänzend als möglich, und ich hoffe, unser drittes Stück bestehend aus Deinem Wieland, unsern Shak.[espear] und meinen φ Ansichten sollte auch recht brillant aussehen, allenfalls das zweyte Stück verdunkeln.
Was die Fragmente betrifft, so dachte ich mit den poetischen <die Masse des 2ten Stücks> zu schließen. Es fehlen aber noch fünf bis sechs, worunter einige sehr große auch poetikalische, die eine volle Cadenz machen sollen. – Die politischen nach den christlichen werden auch vielleicht etwas dürftig scheinen. Ich habe aber noch wohl ein Dutzend oder ein halbes, und wenn ich ein oder zwey dazusetze im ersten Hefte, so werden sie sichtbarer werden: denn die Fragm.[ente] von solchem Stoff, deren nur wenige sind stelle ich beysammen, sonst verlieren sie sich. So tragen sie immer sehr mit zur Universalität bey. – Meine alten philosophischen Hefte, die Schleyerm.[acher] durchgesucht, habʼ ich nun noch gar nicht angebrochen. Darunter sind sehr viele kleine pikante, <50–60.> Auch habe ich noch viel Griechische und philologische. Sehr große moralische und <neue> philosophische, und viele Charakt.[eristiken] in 12° pp. Glaubt mir, je mehr Fragm.[ente] gegeben werden, je weniger Monotonie, und je mehr Popularität. Die Menge muß es machen.
Carol.[ine] mag besonders nach sittlichen in den Briefen suchen. Von diesen kann ich nicht genung haben.
Auch diese Fragm.[ente] nebst den Vorschlägen schick mir so bald als möglich wieder. Auch alles, was C.[aroline] gesammelt hat, oder was Ihr noch macht.
Lieber Freund warum sollten die Fr.[agmente] eine andre Art von Popularität haben, als das ganze Journal selbst? Jedes Publikum zu interessiren, lebhaft, jedes auf seine Weise, aber nicht allen zugleich etwas seyn zu wollen.
Nicht bey dem Grazienfr.[agment] wünsche ich Wieland genannt, denn dieß ist ja ganz allgemein, es treffe wen es trifft. Auch giebts wohl andre, die die Unart an sich haben, wie Matthison, wo mir recht; wenns schon auf keinen so paßt wie auf Wieland. – Sondern in dem andren, wo Wiel.[ands] eigene Worte citirt werden, daß also er ganz allein gemeynt sey, gar nicht zweifelhaft seyn kann. Die Beleidigung ist ganz dieselbe und das Ein gewisser von einem bis zur Unmöglichkeit des Verkennens bezeichneten, hat immer etwas – was mir misfällt, und auch wohl Euch.
Eure drey Vetos nehme ich gern an, nur scheints mir fast, meine <scherzhaften> Randglossen betreffs Schiller hätten Euch Sticheleyn sehn lassen, wo eigentlich keine sind. Wenigstens paßt das Fragm.[ent] von der Antithese, was mir immer so unterhaltend scheint, als manches andere, vollkommen eben so gut auf Reinhold <als auf Sch.[iller]> und beynah eben so gut auf Garve und Humbold. – Dem Grundsatz, Schiller vor der Hand zu vermeiden, stimme ich vollkommen bey. Nur scheint mir hier die Anwendung gesucht. –
Du wirst gelacht haben und Dich gewundert über meinen neulichen Zorn gegen Tieck. Es ist aber doch unvorsichtig wenn der Uebersetzer des Shak[espear] einem Unbekannten, den er nur durch seine Vortrefflichkeit abgeschreckt hat, sein Rival zu werden, bekennt, er sey kein Gelehrter der Sh[ake]sp[earschen] Philologie und dies noch dazu viel viel übertriebener ausdrückt als es wahr ist. Da es mir nun schien, als ob er dies so genau nehme, wie ichs dachte, so wurde ich voll Ingrimm. Glaub mir nur, er hat kaum Sinn für Deine Poesie, gewiß keinen für Dein Herz. Er hat weder Verstand noch Gemüth, um einen solcher Edelmuth nicht zu miszuverstehen.
In den Osterferien will ich gewaltig Shakespearisiren und ich hoffe, Du wirst desgleichen thun und dem jungen Menschen nicht darin den Vorrang lassen. – Er spricht jetzt von einer Uebersetzung des Ben Johnson. – Wackenroder ist gestorben. Er hatte ein Faulfieber, ist dann mehrere Monate melancholisch gewesen, oder wie andere sagen rasend. –
Warum willst Du Dich denn nur bloß auf die Romanenwelt einschränken in den Ansichten? Das ist sehr traurig! Und warum soll es geschehn? – Ich hoffte, Du würdest Dich recht ausbreiten. Ich wollte Dir schon vorschlagen, Matthison gelegentlich recht nach Verdienst herunterzumachen und einige bedeutende Worte über den nirgends beurtheilten Reinecke Fuchs zu sagen u.s.w. Vor allem aber über die Braut von Korinth pp., wo ich hoffte viel Schönes zu hören, und für mich neue Ansichten zu gewinnen. Ueber diesen Punkt und den Grund Deines geänderten Vorsatzes schreib mir ja und ausführlichst. Ich kann mich ebensowenig drein finden, als warum Caroline auf einmahl nicht mit nach Berlin kommen will.
Für die <Shak[espear]> Briefe habʼ ich mir folgenden Plan entworfen, den ich Dir hiermit unterthänigst vorzulegen wage 1) eine Ouvertüre von mir 2) eine Chrakteristik ALLER ROMANTISCHEN KOMÖDIEN von Dir, kurz, lang parallelisirend, gruppirend, summirend, wie Dir gut dünkt 3) Eine Theorie der rom.[antischen] Komödie überh.[aupt] von mir, mit Vergleichung von Sh[akespear]ʼs Nebenmänner, Gozzi, die Spanier, Guarini pp. (da ich doch geschwinder lesen kann, wie Du. Ueberdem mußt Du Dich hier als reinen Propheten of Sh.[akespear]ian divinity geriren, und Dich nicht durch Erwähnung oder gar Charakteristik andrer beflecken. Ich hingegen gerire mich als den εραστης des Witzes, mir ists um diesen, und nur um dessentwillen um Sh.[akespear] zu thun, den ich also nicht charakterisire, sondern über den ich nur nach Dir historisch philosophire, als Epigramm zu Deiner Statue). 4) Von Dir. Ueber den tragischen Gebrauch des Komischen im Sh.[akespear]. Auch über den Antheil des Komischen an seinen historischen Stücken. 5) Etwas Theoretisirendes <als Antistrophe> darauf von mir. 6) Eine Charakteristik des Sh[ake]sp[ea]rischen Witzes überhaupt von Dir. 7) Eine φ des ROMANTISCHEN Witzes von mir, mit Rücksicht auf Ariost, Cervantes pp.
Soll die Ouvertüre gut werden, wenn auch noch so kurz, so muß ich erst alle Stücke Sh[akespear]s noch einmahl ordentlich lesen. – Das geht vor Ostern nicht. Auch ist, wenn Ihr mir die Fragm.[ente] nicht mit Gewalt zurückdrängen wollt, kein Platz mehr.
Auch Dir wird es nicht möglich, den IIten Brief nach dieser Idee vor Ostern zu schreiben. Du müßtest däucht mich zwar sehr speciell charakterisiren, wo dies gut schien, aber doch immer die Form der rom.[antischen] Kom.[ödie], das Gemeinschaftliche aller Sh[akespearischen] Komödien und das Unterscheidende von den Tragödien im Auge behalten. – Gefällt Dir dieser Plan, so wünsche ich sehr, daß Du daran arbeitest, sobald das Nöthigere geschehn ist, und daß Du wenigstens den Plan mitbrächtest, vielleicht auch schon alles geschrieben bis zur letzten Abschrift. Das Journal muß mit dem letzten April fertig seyn, so auch der Shakespear, von dem ich nun den vierten Bogen in der Correctur gehabt, und heute wohl den 5ten bekomme. Nun reisest Du wohl nicht vor dem 20ten May. Da praeparire Dich dann zum Shakesp.[ear]. Ich werde desgleichen thun, sobald ich nur auch soweit bin.
Es könnte der Fall kommen, daß ich Dich wegen des Lessing um Dispensation von der Mittheilung bitten müßte, damit der Druck nicht zu spät hinausgeschoben würde. Könntest Du sie wohl ertheilen? Persönliche Verhältnisse kommen hier ja gar nicht ins Spiel, und ein harter oder nach Caroline barbarischer Ausdruck ist ja nicht so schlimm, als zu Ostern nicht mit beyden Stücken zu erscheinen. Ists aber irgend möglich, so versteht sichs, daß ichs viel lieber schicke als nicht schicke. Es dauert nur so verteufelt lang, ehe es wiederkommt! – Uebrigens wird der Lessing auch sehr philosophisch werden, und käme auch noch von den philosophischen Ansichten in eins der beyden ersten Stücke, so würde die Philosophie zu sehr das Uebergewicht haben. –
Du beschämst mir sehr, und Ihr alle, da Ihr immer so geistvoll schreibt. Ich brauche allen Witz zu den Fragmenten und allen Styl zum Meister. Das andre sudle ich. Mit Schleyerm.[acher] hast Du nun ein ordentl.[iches] Vogelschießen oder wenn Dir das Gleichniß nicht edel genug ist Olympische Spiele von Geist und Witz angestellt.
Empfinden kann ich jetzt bloß, wenn ich Federn schneide oder esse oder schlafe.
Dein Athenäus.
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Metadata Concerning Header
  • Date: [17. Februar 1798]
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 87‒91.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.102
  • Number of Pages: 9S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 11,5 cm
Language
  • German

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